Interview mit Wilfried Huismann und Dagmar Gabler
Die Drehbuchautoren
Frau Gabler und Herr Huismann, Sie haben gemeinsam das Drehbuch für den Radio-Bremen-"Tatort" "Brüder" geschrieben. Darin geht es um organisierte Kriminalität eines Clans. Wie ist die Idee zu diesem Thema entstanden?
Dagmar Gabler: Das Thema liegt auf der Straße – in einigen deutschen Städten gab es jüngst sowohl aufsehenerregende als auch "normale" Vorfälle, die auf das Konto solcher Clans gehen.
Wilfried Huismann: Für mich war der entscheidende Anstoß die Begegnung mit Menschen, die in die Fänge eines Familienclans geraten waren. Sie fühlen sich von unserem Rechtssystem im Stich gelassen, obwohl sie Angst um ihr Leben hatten und haben. Diese Angst haben auch Zeugen, die sich nicht mehr trauen auszusagen, auch vor Gericht. So entsteht ein rechtsfreier Raum. Darüber reden viele Menschen, aber keiner weiß so richtig, wie man damit umgehen soll.
Wie haben Sie recherchiert?
Dagmar Gabler: Zum einen kennt Wilfried Huismann Leute mit Insiderwissen, zum anderen wurden von uns neben den üblichen Recherchen in Zeitungen und Literatur sowie Film und Fernsehen Anwälte, Kripo-Beamte und Aktivisten mit migrantischem Hintergrund befragt.
Worauf haben Sie bei der Bearbeitung des Themas besonderen Wert gelegt?
Wilfried Huismann: Wir wollten am Schicksal des Polizisten David zeigen, wie der Clan den Polizeiapparat, aber auch andere Behörden und die Justiz unterwandert. Seine Hauptmethode ist die Verbreitung von Angst. Unsere Geschichte um den Polizisten David herum ist zwar frei erfunden, aber sie könnte so oder ähnlich passieren.
Dagmar Gabler: Es war uns wichtig, beide Seiten – also sowohl die Polizei als auch die Clan-Seite – zu beleuchten. Der Stoff ist delikat: Das Geschehen in unserem Film und in der Realität ist von Rassismen und vermeintlicher "political correctness" geprägt. Gleichzeitig nimmt die Gewalt weiter zu. Im Moment ist die Situation vertrackt und die Politik, die das Thema in der Vergangenheit oft vernachlässigt hat, ist gefragt.
Es ist Ihr dritter Radio-Bremen-"Tatort", den Sie gemeinsam geschrieben haben. Wie kann man sich Ihre Teamarbeit konkret vorstellen?
Dagmar Gabler: Wilfried Huismann hatte in diesem Fall die Stoff- und Story-Idee. Gemeinsam haben wir uns dann hingesetzt und die Grundstruktur des Drehbuchs entwickelt. Beim Schreiben spielen wir im Prinzip Pingpong: Einer schlägt auf, der andere retourniert.
Wilfried Huismann: Wir sind sehr unterschiedlich und ergänzen uns deshalb, was gerade der Figurenentwicklung gut tut. Fehler gehen nicht so leicht durch, weil wir uns gegenseitig korrigieren.
Ist es für Sie noch etwas Besonderes, das Drehbuch für einen "Tatort" zu schreiben? Worauf achten Sie dabei?
Dagmar Gabler: Ja, es ist besonders, weil besonders anspruchsvoll: Ein Sonntagabend-Publikum von über acht Millionen darf von unserer Geschichte weder über- noch unterfordert werden, sondern soll gut und spannend unterhalten werden. Bremen ist, was brisante Themen betrifft, bisher mutig vorangeschritten. Und der Erfolg des Bremer "Tatorts" bei Kritikern und Publikum hat diesen Mut in den letzten Jahren belohnt. Die persönliche Entwicklung der Kommissare spielte in unserer Episode einmal ausnahmsweise eine untergeordnete Rolle – ganz gegen den aktuellen "Tatort"-Trend, in dem immer weniger die Fälle, sondern die zunehmend exzentrischen Kommissare im Fokus stehen. Unser komplexer Fall hat diese Fokus-Verschiebung nicht zugelassen.
Wilfried Huismann: Mir gefällt, dass Hauptkommissar Stedefreund stärker und eigenständiger agiert als früher. Wir – aber auch die anderen Autoren – haben ihm das Image des ewigen Assistenten weggeschrieben. Das hat Oliver Mommsen dankbar aufgenommen und hervorragend umgesetzt. Das tut seiner Rolle gut, aber auch der von Inga Lürsen, die jetzt einen Partner auf Augenhöhe hat, der sich nichts mehr von ihr gefallen lässt.
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