Ein Gespräch mit Regisseurin Samira Radsi

Verletzt und verängstigt: Maja (Michelle Barthels).
Szene aus dem Film: Maja ist verletzt und hat sich völlig verängstigt in den Wald geflüchtet.  | Bild: NDR / Sandra Hoever

»Soziale Medien schaffen eine Realität, die mit dem, was tatsächlich stattfindet, nichts mehr zu tun hat«

Der Film erzählt von Menschen, die um ihr Hab und Gut fürchten und der Polizei nicht mehr vertrauen. Was hat Sie an der Story gereizt?

Was ich wirklich toll an dem Buch finde, ist die Vielschichtigkeit, die zwei Seiten einer Medaille. Die Polizei ist unterbesetzt und es müssen die Bundespolizisten Falke und Grosz bei einer Einbruchs-Soku mitmachen. Der Falke sagt ja schon zu Beginn, das bringt alles nichts, wir müssen die Einbrecher doch immer wieder laufen lassen, weil wir nicht genügend Beweise haben. Deshalb fühlen sich die Menschen in der Vorstadt allein gelassen, und dann driften sie in so eine Art Bürgerwehr ab. Das fand ich einen interessanten Aspekt. Man macht ihnen das zum Vorwurf und sagt, ihr könnt nicht eure eigenen Strukturen aufbauen und Selbstjustiz ausüben. Aber natürlich kann man das auf der anderen Seite auch verstehen, wenn man ein Haus hat und sich da nicht mehr sicher fühlt. Dann geht so ein Schritt schneller, als man denkt. Den Autoren ist es extrem gut gelungen, die Ambivalenzen dieser Problematik auszuloten und eine Geschichte zu erzählen, die überhaupt nicht vorhersehbar ist.

Warum zeigen Sie den Bernd Kranzbühler trotzdem als einen Menschen, der vor nichts zurückschreckt?

Bernd tritt am härtesten auf, aber er ist eben ein Getriebener. Das sind einfache Leute, die ihre bürgerliche Existenz sichern wollen, und dann gerät alles aus dem Ruder. Er will verhindern, dass sein Bruder als Mörder verurteilt wird und für viele Jahre ins Gefängnis wandert. Wenn Maja einfach verschwunden wäre, hätte er nichts mehr unternommen, aber als er hört, dass sie sich rächen möchte, will er seinen Bruder schützen und das Schlimmste verhindern. Das ist absolut nachvollziehbar. Zumal er sich mitverantwortlich fühlt für die Tat seines Bruders, weil er im Suff gesagt hat, diese Einbrecher müsste man erschießen. Aber das waren eben wütende verbale Attacken, die sein Bruder Dieter dann in die Tat umsetzt.

Welche Rolle spielen die sozialen Medien bei der Eskalation der Situation?

Soziale Medien schaffen eine Realität, die mit dem, was tatsächlich stattfindet, gar nichts mehr zu tun hat. Das kann man gerade in der rechten Szene gut beobachten. Ich habe bei meiner Recherche für den Film auch Bürgerwehren im Internet gegoogelt, und da sieht man sehr eindrücklich, wie die Menschen in den sozialen Medien sich gegenseitig hochpushen. Auch in der Polizeiarbeit ist das ein Thema, denn die Polizei benutzt soziale Medien auch, wenn sie Unterstützung braucht, aber wenn Dinge sehr schnell viral gehen und sich verselbstständigen, dann fangen eben Menschen an, andere Menschen zu jagen.

Wie haben Sie das Ermittler-Duo in Treibjagd inszeniert?

Nachdem die Beiden nun schon einiges durchgemacht hat, wollten wir Grosz auf Augenhöhe mit Falke bringen. Die merken, was sie aneinander haben, trotz aller Differenzen. Die Grosz ist eine tolle Frau, und ich würde gerne noch mehr über sie erzählen. Bei dem „Tatort“-Format ist es immer eine große Herausforderung, in 90 Minuten einen Krimifall zu lösen und die Episodenfiguren und die Ermittler alle gleich gut zu bedienen. Das ist aber im Drehbuch sehr gut gelungen, und daran haben wir bei den Dreharbeiten auch viel gearbeitet.

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