Ein Gespräch mit den Schauspielern Andreas Lust und Jörg Pose

Die Brüder Bernd (Andreas Lust) und Dieter (Jörg Pose) halten zusammen.
Szene aus dem Film: Die Brüder Bernd (Andreas Lust) und Dieter (Jörg Pose) halten zusammen. | Bild: NDR / Christine Schroeder

»Der Fremde ist der Feind«

Wird den beiden Brüdern ihr enges Verhältnis zum Verhängnis?

Jörg Pose: Diese Brüder sind ein Paar und sie ergänzen sich auch in ihren Widersprüchen. Dieter ist sicher der weniger aktive Teil, der in dem gemeinsamen Elternhaus wohnt, und sein Bruder ist dort immer noch irgendwie anwesend, aber nun lebt er alleine und kann das nicht mit seinem eigenen, individuellen Leben ausfüllen. Da fehlt etwas, und deshalb ist er auch anfällig für eine Ersatzfamilie wie diese Nachbarschaft, die so eine Scheinwelt bildet.
Andreas Lust: Dieter ist eher ein Außenseiter, während Bernd der sozial Aufgeschlossenere ist. Er ist einer dieser Erregten, der ein großes Stammtischgetöse loslässt und sich in der Zustimmung der Anderen sonnt. Natürlich fühlt er sich von der Polizei im Stich gelassen. Er ist ein Vertreter der Mittelschicht, der Angst hat abzurutschen und dann hetzerische Parolen rauslässt und vom großen Aufräumen spricht.

Ist Bernd ein verbaler Brandstifter?

Jörg Pose: Ich kann nur nachzeichnen, was ich mir gedacht habe, als ich das Drehbuch gelesen habe. Das ist so ein verstecktes, so ein einsames Leben, das Dieter führt; ein Leben ohne große Ausschläge, und er hatte immer den zuhörenden Part. Und jetzt hört er "wir haben ja alle nicht wirklich den Mut, hier ist mal eine große Tat nötig, da muss mal der richtige Mensch kommen", und dieser schweigende Dieter sagt sich, wie leicht wäre es, dass ich dieser Mensch bin. Er ist da so herein gerutscht in diese große Sache.
Andreas Lust: Bernd fühlt sich als verbaler Brandstifter und deshalb hat er auch Schuldgefühle. Er hat durch seine Hetze seinen Bruder zum Mord angestiftet, aber das hat er nie so gemeint. Deshalb beginnt dann auch die Jagd auf die junge Frau. Er will etwas zu Ende bringen, das er selber angezettelt hat. Das kann ich gut nachvollziehen, wie sich das verselbständigt, auch wenn seine Handlung komplett absurd wird.

Welcher Aspekt der Geschichte hat Sie besonders interessiert?

Andreas Lust: Der Film erzählt verschieden Aspekte von einem großen aktuellen Thema. Es geht um den weniger reflektierten Bürger, der unter einem enormen wirtschaftlichen Druck steht und in einer Zeit der Veränderungen offen ansprechbar ist für Populisten, die Feindbilder erschaffen. Wenn man selber von solchen Einbrüchen betroffen ist, möchte man sich natürlich wehren, aber man muss auch die großen Zusammenhänge sehen. Wir leben ständig auf Kosten der restlichen Welt, und dann kommen Menschen, um ihren Anteil an unserer Konsumgesellschaft und unserem Wohlstand zu fordern. Da muss man sich nicht wundern.
Jörg Pose: Mich hat daran interessiert, wie es kommt, dass man sich in so einer Gemeinschaft, in dieser Vorstadt, gegenseitig so legitimieren kann, diese krasse Sachen zu tun und sogar zu Tätern zu werden. Sie definieren sich über ihr Gefühl, ausgeschlossen zu sein, und das wiederum ist gemeinschaftsstiftend. Das sieht man bei diesen populistischen Bewegungen, dass sie sich gemeinsam stark fühlen und ihre eigene Moral füttern, und wenn dann etwas Anderes in die Welt tritt, und es ist fast austauschbar, was das ist – der Fremde, der Eindringling –, dann steht auf einmal das eigene Hab und Gut für das eigene Leben und der Fremde ist der Feind. Der muss dann irgendwie vernichtet werden. Und wenn er dann eine Maske trägt und kein Gesicht hat, dann ist das kein Mensch mehr, der muss einfach nur weg.

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