Maria Furtwängler im Gespräch

Maria Furwängler ist Charlotte Lindholm.
Maria Furwängler ist Charlotte Lindholm. | Bild: NDR / Manju Sawhney

Maria Furtwängler ist Charlotte Lindholm

Es ist nicht das erste Mal, dass Charlotte Lindholm in Lebensgefahr gerät. Aber ein Messer am Hals ist auch für sie keine Routine. Ein Mann ist ins Präsidium eingedrungen, hat Charlotte als Geisel genommen und fordert Ermittlungen. Offenbar ist er psychisch krank.

Charlotte Lindholm ist sensibler geworden. Sie mag die Stimmen im Kopf, von denen der Mann redet, nicht als wahnhaftes Gerede abtun. Sie hält den Mann, ein nach einem Auslandseinsatz traumatisierter Soldat, für glaubhaft, denn sie weiß mittlerweile, wie es ist, gegen furchtbare Erinnerungen anzukämpfen. Wenn dann noch hochrangige Beamte ihr vorzuschreiben versuchen, was sie denken soll, wird ihre Neugier erst recht geweckt.

Polizisten, die selbst Opfer geworden sind, sollen in ihrem eigenen Fall eigentlich nicht ermitteln. Das kratzt Charlotte Lindholm nicht sonderlich. Sie weiß, dass alle den Fall gerne schnell zu den Akten legen würden, also muss sie selbst ran. Und die Konkurrenz mit Anaïs Schmitz ist zwar keineswegs begraben, aber Lindholm beginnt allmählich, Gemeinsamkeiten zu entdecken. Die Kollegin gibt nicht einfach auf und lässt ebenfalls Vorschrift gerne mal Vorschrift sein. Allerdings hat sie noch nicht ganz begriffen, dass Charlotte Lindholm das Sagen hat – findet Charlotte Lindholm.

Maria Furtwängler im Gespräch

»Die zunehmende Verschmelzung von Mensch und Maschine ist nicht umsonst ein viel diskutiertes Thema.«

Was hat Sie an dem Drehbuch interessiert?

Beim Lesen des Drehbuchs denkt man erst einmal, das ist ja ziemlich mutig. Aber der Autor Christian Jeltsch hatte die überraschenden Fakten genau recherchiert. Damit war klar, dass die im Film beschriebenen Methoden und Technologien nicht aus der Luft gegriffen sind. Die Geschichte ist absolut plausibel, auch wenn nicht alles eins zu eins bereits passiert ist. Aber wir sind ja nicht beim 'Brennpunkt', wir sind beim 'Tatort'.

Charlotte Lindholm und ihre Kollegin Anäis Schmitz ermitteln im Umfeld des Militärs und werden selbst mit Technologien konfrontiert, die Gedanken und Gefühle manipulieren können. Sehen Sie eine reale Gefahr, dass solche Mittel eingesetzt werden könnten?

Ich glaube, in dem Moment, in dem wir in den Neurowissenschaften forschen, damit wir Menschen aus Depression holen oder andere therapeutische Felder erschließen, ist es gar keine Frage, dass auch eine Waffenindustrie sich für diese Neurotechnologien interessiert. Für die militärische Forschung stehen enorme Gelder zur Verfügung, und es herrscht ein großer Druck, Erkenntnisse zu liefern, die dann auch in Produkte münden. Ich halte es für realistisch, dass das Militär ein großes Interesse an solchen neuen 'Waffen' hat und diese Technologien nutzen möchte, um Einsätze zu steuern oder Gegner unschädlich zu machen.

In einer Szene probiert Charlotte Lindholm einen Helm aus, der über die Methode der transkraniellen Magnetstimulation das Verhalten von Soldaten verändert. Was löst das in ihr aus?

Charlotte weiß, dass sie Teil eines Experiments ist. Sie ist überwältigt von dem Ergebnis, weil sie aufmerksamer wird und keinen Schmerz empfindet. Aber sie kann nicht akzeptieren, dass die Soldaten ohne eigenes Wissen und Einverständnis mit diesem Helm ins Feld geschickt wurden. Niemand hat ihnen gesagt, was die Helme können und welche Risiken damit verbunden sind. Die ethische – und juristische – Frage ist: Kann ein Soldat, der unter dem Einfluss einer Hirnstimulation steht, überhaupt für seine Taten verantwortlich gemacht werden? Die zunehmende Verschmelzung von Mensch und Maschine ist nicht umsonst ein viel diskutiertes Thema. Wir gehen davon aus, dass der Mensch die Maschine konstruiert und kontrolliert, aber durch die Digitalisierung und Künstliche Intelligenz dreht sich das um. Die Maschine steuert den Menschen, und das ist der smarte Dreh, den der Film macht. Die Soldaten sind auf jeden Fall Opfer dieses Missbrauchs geworden. Sie wurden für einen Testlauf benutzt, und das markiert den Sündenfall.

In 'Krieg im Kopf' werden erst Soldaten, dann Anäis Schmitz und auch Charlotte Lindholm mit Stimmen von außen malträtiert. Was bedeutet das?

Beide Kommissarinnen werden bewusst manipuliert. Unser Gehirn interpretiert ja sehr viel. Wir können manchmal nicht zwischen Einbildung und Wirklichkeit unterscheiden. Dazu haben die Wissenschaftler im Film geforscht, und sie missbrauchen ihre Erkenntnisse. Sie entwickeln eine Technologie, die Stimmen in den Kopf ihrer Opfer projiziert und dadurch Gedanken auslöst. Die Betroffenen können nicht mehr zwischen Wahrheit und Manipulation unterscheiden.

Der 'Tatort' zeigt die fatalen Folgen von dem bedenkenlosen Einsatz neuer Technologien. Gleich zu Beginn des Films dreht der Soldat Benno Vegener durch, überwältigt Charlotte Lindholm und droht, sie zu töten. Anäis Schmitz rettet ihr das Leben. Wie beeinflusst das ihre Beziehung?

Es ist für beide anfangs nicht leicht, dieses gemeinsame traumatische Erlebnis miteinander zu teilen. Schließlich ist es bei ihrem ersten Fall nicht gut zwischen den beiden Alpha-Frauen gelaufen. Es begann holprig, und Anäis ist in diesem neuen Fall stärker betroffen durch das, was sie getan hat. Sie hat jemanden umgebracht, und Charlotte ist 'nur' das potenzielle Opfer. Anäis tut sich schwer, sich zu öffnen und über ihre Gefühle zu sprechen. Aber der Respekt wächst und im Laufe der Geschichte kommt es zu einer langsamen Annäherung. Am Schluss treffen sie eine gemeinsame Entscheidung und merken: Wir sind im Grunde aus ähnlichem Holz geschnitzt. Eine Freundschaft ist es jedoch noch nicht.

Das ist wahrscheinlich auch deshalb schon schwierig, weil Charlotte den Mann von Anäis auch ganz gut findet.

Das stimmt, und das ist für die Beziehung noch einmal eine Belastung. Aus ihrem Trauma nach der Attacke durch Vegener und sicher auch aus einer gewissen Einsamkeit heraus entsteht eine große Nähe zu Nick. Absurderweise kann sie mit ihm über ihre Gefühle nach dem furchtbaren Erlebnis sprechen, während ihr das mit Anäis nicht gelingt. Und dann ist Charlotte auch eine Frau mit sexuellen Bedürfnissen, und sie findet diesen Typen eben gut. Das ist auf jeden Fall eine zusätzliche Volte in der Beziehung zwischen den beiden Kommissarinnen. Die Fallhöhe liegt auch darin, dass Charlotte die Annäherung an Nick belastet und Anäis das merkt, aber für sie ist ein mögliches Fremdgehen nicht das allergrößte Problem. Wir wissen also noch nicht so richtig, wo diese Reise hingeht.

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