»In Wien begegnete mir einmal eine Frau auf der Straße, die offensichtlich körperlich misshandelt worden war. Sie ging an mir vorüber, so wie man es in einem Film sehen würde: mit überschminkten Wunden und einer großen Sonnenbrille. Mein Kopf sagte mir: Du musst sie ansprechen. Aber ich traute mich nicht. Trotzdem folgte ich ihr in einen Supermarkt. Und endlich fasste ich mir ein Herz, schrieb meine Telefonnummer auf einen Zettel, näherte mich ihr vorsichtig zwischen den Regalen und sprach sie schließlich an: Hier ist meine Nummer. Wenn Sie Hilfe brauchen, rufen Sie mich an. Was für ein Kraftaufwand meinerseits, einem Menschen Hilfe anzubieten. Es ist verrückt, ich fühlte mich übergriffig, auch weil ich dachte, vielleicht beschäme ich die Frau. Sie lehnte den Zettel ab. Es ist nicht einfach, Mut zu haben, genau hinzugucken, Situationen zu erkennen und dementsprechend zu reagieren, besonders bei Themen, die viel mit Scham zu tun haben. Natürlich kann es unangenehm sein, einzugreifen. Aber es ist wichtig, Unterstüt - zung anzubieten, wenn etwas offensicht - lich nicht stimmt. Was ich an den Rollen – leitende Ärztin, der Polizeipräsident – so interessant und spannend fand: Je höher der Bildungsgrad, desto schwieriger kann es sein, sich aus solch toxischen Beziehungen zu befreien. Die Trennung vom Partner bedeutet, viel zu verlieren, was bisher Sicherheiten gab – wirtschaftlich, gesellschaftlich und sozial. Je höher der Lebensstandard, umso tiefer kann man fallen. Und: Je psychologisch klüger und raffinierter man selber ist, desto komplexer und raffinierter werden die Entschuldigungen und Ausreden. Ich glaube, das macht man sich nicht klar: Dass viele sich lieber schlagen lassen, als unversehrt, aber einsam durch diese Welt gehen zu müssen.«
Kommentare