Mo., 17.09.12 | 04:50 Uhr
Das Erste
Weltspiegel
zur Beobachtung: Anti-USA-Proteste in der Arabischen Welt, sonst:
Südkorea: Moon in Heaven - Letzte Reise des selbsternannten Messias:
Weltenretter, Friedensbringer, Nachfolger Jesu - und damit selbsternannter Messias: So hat sich der Koreaner Sun Myung Moon Zeit seines Lebens gesehen. In den 50er Jahren gründete er die sogenannte 'Vereinigungskirche', die Kritiker dieser neu-religiösen Bewegung bis heute auch als „Moon-Sekte" bezeichnen, und scharte weltweit Millionen Anhänger um sich. Vor allem die medienwirksam inszenierten Massenhochzeiten machten ihn bekannt. Tausende junger Menschen gaben sich dabei gleichzeitig das Ja-Wort. Viele hatten sich vorher nie gesehen oder sprachen nicht einmal die gleiche Sprache. Für Moon aber waren solche arrangierten Ehen über Ländergrenzen hinweg der schnellste Weg zum Frieden. In der vergangenen Woche ist Sun Myung Moon im hohen Alter von 92 Jahren gestorben. Er hinterlässt ein weltweit operierendes, aber auch umstrittenes Religions- und Wirtschaftsimperium, mit dem er auch in politische Dimensionen vorstieß. So war er im sonst abgeschotteten Nordkorea an einem Automobil-Joint-Venture beteiligt, Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un hat schon öffentlich sein Beileid bekundet. Auch Moons Beerdigung an diesem Wochenende wird eine Massenveranstaltung. Der Weltspiegel ist dabei und bekommt seltene Einblicke in die Welt der sogenannten 'Moonies'.
Autor: Philipp Abresch, ARD-Studio Tokio
Weißrussland: Das Erste - Der Diktator baut ein Kernkraftwerk: Das autoritär regierte Weißrussland steht zwar vor dem Staatsbankrott und leidet wie kaum ein anderes Land unter den Spätfolgen von Tschernobyl, leistet sich jetzt aber den milliardenschweren Bau seines ersten Atomkraftwerks - finanziert ausgerechnet durch einen russischen Staatskredit, der die Abhängigkeit des Landes noch verstärken wird. 2018 soll der erste Block ans Netz gehen. Der Reaktortyp ist bislang noch nirgendwo in Betrieb, es wird also ein 'Experiment'. Da die Russen den Meiler aber auch in andere Länder exportieren wollen, müssen sie dringend Erfahrungen damit sammeln ... Unsere Korrespondentin war auf der AKW-Baustelle, gleich an der litauischen Grenze, einer EU-Außengrenze also, und noch dazu mitten im Naturschutzgebiet. Hier jedoch malt man alles in rosigen Farben. Deutliche Kritik gibt es nicht in der Gegend, mit den wenigen Gegnern trifft man sich an abgelegenen Orten. Niemand möchte mit Kamerajournalisten gesehen werden. Die Menschen wirken sehr eingeschüchtert, vermeiden kritische Töne. Wer dies trotzdem wagt, riskiert Arrest oder Jobverlust. - In Weißrussland stehen in der nächsten Woche Parlamentswahlen an. Frühere Wahlgänge im Land des umstrittenen Präsidenten Lukaschenko waren stets von Missbrauchs- und Manipulationsvorwürfen begleitet.
Autorin: Ina Ruck, ARD-Studio Moskau
Großbritannien: Dave ist 'ne Bank - Ein Mann allein gegen die Finanzbranche: Zugenagelte Schaufenster, Zwangsenteignungen, Kreditklemme: Da platzte Dave Fishwick aus dem nordenglischen Burnley der Kragen. „The banks are shit", so sein wenig freundliches Fazit über das Geschäftsgebaren der traditionellen, skandalgeschüttelten Banken. Die verlangen kleinen Geschäftsleuten, Handwerkern und Mittelständlern wie ihm in der gegenwärtigen Finanzkrise entweder wahnwitzige Sicherheiten ab oder drehen schlicht den Geldhahn zu. Da nahm der hemdsärmelige Dave sein Geld selbst in die Hand und gründete eine eigene 'Bank', die „Burnley Savings and Loans". Als Robin Hood des Geldkreislaufs sammelt er nun Bares von Sparern ein und verleiht es an die, die es dringend brauchen - und die Gewinnspanne zwischen Spar- und Darlehenszins spendet Dave an wohltätige Zwecke. Und es funktioniert: Mittlerweile verleiht Daves 'Geldinstitut' rund 30.000 € pro Woche. Weil aber der wie ein Derwisch wirbelnde Finanzpionier noch keine offizielle Bankenlizenz besitzt, haftet er bei den Transaktionen noch mit seinem persönlichen Vermögen. „Irgendjemand, irgendwo muss ja mal den ersten Schritt machen und es mit den Banken aufnehmen", sagt er. In drei Wochen will der Kleinbus-Unternehmer mit sogar nach Deutschland kommen, um für seine Idee zu werben. Und dann soll es sogar - hört, hört! - weitergehen bis nach Griechenland. Die Euro-, Finanz- und Wirtschaftskrise ist groß - Dave Fishwicks Ziele sind es auch.
Autorin: Annette Dittert, ARD-Studio London
China: Aufklärung Fehlanzeige - Ungewollte Teenager-Schwangerschaften: Eine kleine, unauffällige Abtreibungsklinik in der chinesischen Hafenstadt Qingdao: Junge Mädchen wollen hier ihre Schwangerschaft beenden. Die Ärztinnen fragen nicht viel, sondern erklären ihnen, wie sie beim nächsten Mal verhüten - manchmal ist dies der erste Aufklärungsunterricht, den die jungen Frauen erfahren. Ein junges Mädchen, ihren Namen möchte sie unserer Korrespondentin nicht verraten, lässt schon zum zweiten Mal abtreiben - von innerhalb nur sechs Monaten. Sie weint, als sie von dem verlorenen Kind spricht. Wäre es nach ihr gegangen, dann hätte sie es behalten. Aber der ältere Freund will nicht. Und er will auch keine Kondome, das sei doch ein Zeichen von Misstrauen. - Die Zahl der Teenager-Schwangerschaften in China steigt. Die Pille wird jungen Mädchen und Frauen nicht verschrieben, Kondome sind unbeliebt. Und nur zu oft wissen die Jugendlichen im prüden China gar nicht, wie, wann und wovon man schwanger wird. Da hält sich schon mal hartnäckig der Glaube, das könne auch schon vom Kuscheln passieren... Nach den Sommerferien gibt es besonders viele Abtreibungen. Sex ist ein Tabuthema. Als dieses Jahr ein Aufklärungs-Schulbuch an Pekinger Schulen eingeführt werden sollte, war der Aufschrei der Eltern groß: Das seien doch Pornos, das könne man den Kindern nicht zumuten. Und die Initiative starb erst einmal, nur an wenigen ausgewählten Schulen ist Sexualkunde Bestandteil des Unterrichts.
Autorin: Ariane Reimers, ARD-Studio Peking
Südafrika: Arm, frustriert, aggressiv - Anatomie eines Blutbads: "Das werde ich noch lange mit mir herumtragen" sagt Meshack Mzilikazi un blickt dabei hinunter auf das, was mittlerweile das Etikett "Killing Fields" von Marikana trägt. Hier hatte er Deckung gesucht, als die Polizeikugeln auf die Menge einprasselten. Er hat überlebt. 21 Nächte saß er im Knast, erst dann kam der Bergarbeiter wieder frei. Anklage wurde nie erhoben. Drei Wochen Knast, weil die Polizei 34 Demonstranten erschossen hatte. Keiner versteht diese Logik, und deshalb protestieren die Bergarbeiter weiter - zu Zehntausenden. Noch nie, seitdem 1994 das neue, das demokratische Südafrika geboren wurde, war die politische Stimmung am Kap so angespannt. Das Ende der Geduld nennen jetzt viele das Phänomen, mit dem Teile der Bevölkerung offenbar auf die jahrelange Misswirtschaft des regierenden ANC reagieren. Denn die Regierungspartei hat es bisher nicht vermocht, die schwarzen Bevölkerungsschichten am Reichtum des Landes teilhaben zu lassen - Nelson Mandelas Ideen und Ideale scheinen weiter entfernt denn je. Tatsächlich aber erklärt die Armut nur zum Teil, warum überall in der Regenbogennation gewaltsame Proteste ausbrechen, so häufig und brutal wie selten zuvor. Pater Micheal Lapsley - er verlor im Anti-Apartheid-Kampf durch eine Briefbombe beide Hände - gibt eine Erklärung: Die Apartheid habe Generationen von Südafrikanern systematisch entmenschlicht. Die Folgen seien heute noch zu spüren: in Gewaltexzessen, die jedoch keinen mehr aufrüttelten. Die politische Gewalt mag mit den Wahlen 1994 beendet worden sein, die zwischenmenschliche Gewalt aber nicht.
Autor: Ulli Neuhoff, ARD-Studio Johannesburg
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