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Palästina: Aufbruch und Hoffnung

Junge Menschen nehmen Zukunft selbst in die Hand

Palästina: Aufbruch und Hoffnung | Bild: WDR
Shaadia Jaradat
Shaadia Jaradat

Was hat diese junge Frau hier auf dem Bau verloren? Das ist Shaadia Jaradat. Sie ist gerade mal 24 Jahre alt, stammt aus einer Beduinenfamilie. Worüber spricht sie mit den Männern? Sie ist – nichts weniger als das –  Chefingenieurin und  verantwortlich für die Entstehung einer nagelneuen palästinensischen Stadt. Sie heißt Rawabi, wurde auf dem Reißbrett für 40 000 Einwohner entworfen. Das Projekt im Westjordanland, auf das Shaadia sehr stolz ist, wird überwiegend von Katar finanziert. Hält die Moderne in Palästina Einzug? Eine 24jährige Frau steht Hunderten von männlichen Bauarbeitern vor?

Shaadia Jaradat:

»Es war sehr schwierig, vor allem am Anfang als ich herzog. Ich war sehr jung, eine Frau und sagte den Ingenieuren, die 20, 25 Jahre älter waren als ich, was sie zu tun hatten. Ich arbeitete mit völlig neuen Technologien, die sie nicht kannten, sie verstanden überhaupt nicht, wovon ich sprach.«

Inzwischen wissen die Männer, wovon sie spricht. Shaadia studierte an der Bir-Zeit Universität in Ramallah Ingenieurswesen, sie ist eine Spitzenkraft. Die Männer haben sich an ihre junge Chefin inzwischen gewöhnt. Haben sie wirklich?

„Ja. An normalen Tagen“, sagt er- und alle lachen. Es ist also noch nicht ganz normal – Shaadia hat uns dies zuvor angedeutet.

Shaadia Jaradat:

»Nein, es ist noch nicht der Fall, das gilt nicht für jeden. Aber ich glaube daran. Also tue ich das. Und obwohl meine Familie sehr traditionell ist, hat sich mich immer unterstützt. Sie denkt sehr modern.«

Shaadia Jaradat, Chefingenieurin
Shaadia Jaradat, Chefingenieurin

Modern – Rawabi soll jenseits der traditionellen Städte Wohnort der jungen modernen Palästinenser, der Führungsriege von morgen, werden. Einer von ihnen: der 30 jährige Alaa Deeb, ein IT-Spezialist. Zusammen mit Kollegen aus seiner Hightech Firma schaut er sich das Modell der zukünftigen Stadt an – er möchte sich hier niederlassen.

Alaa Deeb:

»Ich bin begeistert, es ist so toll zu sehen, was für eine gut durchdachte Stadt das sein wird, mit so vielen Möglichkeiten, was man hier alles machen kann.«

Sieht so die Zukunft Palästinas aus?

Alaa Deeb:

»O ja. Das ist sie und wir müssen noch viel mehr solcher Städte bauen. Ein so vielversprechendes Projekt, phantastisch.«

Alaa Deeb, IT-Spezialist
Alaa Deeb, IT-Spezialist

Shaadia erklärt Alaa und seinen Kollegen, welche Möglichkeiten sich in dieser Stadt für sie auftun. Neben Geschäften und Restaurants wird es auch Kinos, Konzerthallen, Theater geben – anders als in traditionellen Städten.

Diese jungen Palästinenser arbeiten hart für ihre Zukunft. Alaa hat z.B. seinen Master in Italien gemacht. Nun hat er ein zweites Master Studium (Master of Business Administration (MBA)) begonnen - wo, das will er uns erst in den nächsten Tagen zeigen

Das Dörfchen Sa‘ir. Traditionell, konservativ. Hier ist Shaadia aufgewachsen. Wir sind eingeladen zu einem Familienessen. Wir wollten doch nachforschen, wieso Shaadias Familie so offen und modern ist.

Es gibt Makluba, eine arabisches Gericht mit Blumenkohl, Reis und Hühnchen. Als älteste Tochter geht Shaadia ganz selbstverständlich ihrer Mutter zur Hand. Tradition und Moderne – wie geht das nun zusammen?

Es geht. Und dafür verantwortlich ist ausgerechnet Großmutter Khadrah. Sie hat schon vor 50 Jahren all ihre Töchter unterstützt zu studieren, sich unabhängig zu machen, sie sah dies als überlebensnotwendig an. Dass auch alle ihre Enkelinnen ein freies Leben führen, findet sie nur richtig.

Khadra Jaradat:

»Klar, es gibt immer Leute, die schlecht über einen reden, aber das interessiert uns nicht.«

Sie haben kein Problem damit?

Khadra Jaradat:

»Nein, gar nicht. Die Mädchen sind gute und verantwortungsvolle Mädchen.«

Shaadia Jaradat:

»Oma kam sogar zu meiner Abschlussfeier an die Bir Zeit Universität.«

Shaadia Jaradat mit ihrer Großmutter
Shaadia Jaradat mit ihrer Großmutter

Das Makluba ist fertig. Wir sind natürlich herzlich eingeladen mitzuessen – und das lassen wir uns nicht zweimal sagen.

Am nächsten Tag. Checkpoint Modiin, 7 Uhr früh. Palästinensische Hilfsarbeiter dürfen tagsüber nach Israel, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Alaa kommt ebenfalls hinüber. Er hat uns ja versprochen zu zeigen, wo er für seinen MBA studiert. Er tut dies ausgerechnet an der Uni Tel Aviv. Sie bietet ein spezielles Studienprogramm nur für Palästinenser an. Anfänglich war es für Alaa und seine Freunde nicht so selbstverständlich, auf einem israelischen Campus abzuhängen.

Alaa Deeb:

»Oh ja, es war eigenartig, aber die Dinge verändern sich schnell. Wir haben mit niemanden ein Problem. Wir leben, das ist die große weite Welt, es gibt viele verschiedene Menschen, nein?«

Die große, weite, moderne Welt. In der ist es möglich, dass israelische Professoren palästinensische Studenten unterrichten und ihnen somit indirekt helfen, einen Staat Palästina aufzubauen.

Am Abend fahren wir nach Ramallah, der einzigen palästinensischen Stadt mit einem richtigen Nachtleben: Frauen können ohne Männer ausgehen, sie rauchen in der Öffentlichkeit Nargila, trinken Alkohol – kein Problem. In diesem In-Lokal sind wir mit Shaadia und ihren Freunden verabredet. Alle sind sie Akademiker, alle sind sie voller Pläne, so auch Shadiaa.

Shaadia Jaradat

»Ich hoffe, ich werde in zehn Jahren meine eigenen Angestellten haben, mein eigenes Team, das ich dann genauso unterstützen werde wie ich jetzt unterstützt werde.«

Und was mit Familie?

Shaadia Jaradat:

»Ich denke, ich werde eine kleine Familie haben. Ich habe keine Pläne jetzt, aber in zehn Jahren schon.«

Shaadia und ihre Freunde glauben an eine Zukunft in Palästina. Glauben an eine friedliche Zukunft. Und sie wollen alles tun, damit dieser Traum Wirklichkeit wird.

Autor: Richard C. Schneider
ARD Studio Tel Aviv

Stand: 22.04.2014 13:55 Uhr

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Westdeutscher Rundfunk
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