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Kenia: Sturm auf die Maschinen

Kenia: Sturm auf die Maschinen | Bild: WDR

Heimlich gedreht: Pflückmaschinen, streng bewacht von Teekonzernen. Pflücker wehren sich gegen Maschinen – mit Protesten-Maschinenstürmer im Teeanbau. Sie pflückt jetzt als Tagelöhnerin für wenig Geld bei einem Kleinbauern. 31 Jahre hatte Linnet Seringi für einen multinationalen Teekonzern gearbeitet, vor wenigen Wochen wurde sie entlassen: "Sie haben uns nicht einmal informiert. Sie haben einfach die Maschinen auf die Plantage gebracht und uns weggejagt. Sie haben sogar Tränengas auf uns geworfen –davor hatte ich einen geregelten Lohn, Es wurde auch für mich Sozialversicherung bezahlt – das alles habe ich jetzt nicht mehr."

Für die Teepflücker spitzt sich die Lage zu

Kenia: Jetzt werden Pflückmaschinen eingesetzt, die den Gewinn steigern.
Kenia: Jetzt werden Pflückmaschinen eingesetzt, die den Gewinn steigern. | Bild: WDR

Rund 35 Kilogramm Teeblätter hat sie an diesem Tag gepflückt. Dafür bekommt sie umgerechnet zwei Euro. Kericho ist eines der größten Teeanbaugebiete Kenias. Große Flächen werden von multinationalen Konzernen bewirtschaftet. Für sie ist es neuerdings lukrativer Maschinen arbeiten zu lassen – immer mehr Menschen verlieren ihren Job. Die Konzerne wollten sich uns gegenüber nicht äußern. Die Wut steigt – vor allem viele junge Menschen sind jetzt arbeitslos und ohne Einkommen. Bei heftigen Protesten im Mai gab es Tote und Verletzte. Und zehn Pflückmaschinen gingen in Flammen auf. Nur wenige Wochen später wurde auf der Plantage eines großen Konzerns der 21-jährige Brian erschossen. Er soll Teeblätter gestohlen haben. Andere sagen: er habe nur Teeabfälle gesammelt. "Brian zu verlieren ist, so als hätte ich einen Bruder verloren. Es tut mir so leid für Brian – was für eine Menschlichkeit ist das? Der, der ihn getötet hat – was hat er wohl gedacht, bevor er sich entschloss, Brian zu erschießen? Wir haben doch nichts Illegales gemacht. Wir haben nur Staub gesammelt. Ich habe immer noch Schmerzen in meinem Herzen", sagt Kelvin Rono Dust, ein Freund von Brian.

Brian und Kevin haben alles miteinander geteilt. Mit dem Sammeln der Teeabfälle verdienen sie umgerechnet drei bis vier Euro am Tag. Der Staub wird später als Farbpigment verarbeitet. Über Brians Tod in den Teefeldern wurde landesweit berichtet: "Ein 21-jähriger Tee-Blätter Dieb ist von der Polizei erschossen worden." Und damit hat er die Wut zurück auf die Straßen von Kericho gebracht. Für die Beerdigung von Brian sammeln Verwandte und Freunde Geld. Sein Vater lebt schon lange nicht mehr. Brian war der Hauptverdiener der Familie. Sein Tod macht alle fassungslos. "Sie töten uns – wegen einem bisschen Staub – es waren nicht einmal Blätter. Wir sind hier nicht sicher – das sollte die Welt wissen", erzählt Kelvin Rono Dust.

Brian wurde beerdigt. Die Stimmung bleibt aufgeheizt. Den Kampf gegen die Maschinen haben die Menschen verloren. Jetzt wollen sie wenigstens ihr Land zurück, denn die Pachtverträge der multinationalen Teekonzerne stammen noch aus der Kolonialzeit. Tito Mitei ist weit über 90. Sein Sohn James erzählt uns, er habe Erinnerungslücken. Aber eins wisse Tito noch ganz genau – wie die britischen Kolonialherren ihn und seine Familie von ihrem Land vertrieben haben. Immer wieder erzählt er seinen Freunden und seiner Familie davon: "Sie haben uns nichts gelassen. Sie haben unsere Häuser verbrannt. Es ist doch unser Land. Wir mussten von Ort zu Ort ziehen, bis wir ein neues, bescheidenes zu Hause gefunden hatten. Das Land war sehr trocken – nichts wuchs dort. Wir hatten nicht einmal mehr etwas zu Essen."

Ein noch stiller Kampf gegen den Landraub

Kenia: Immer wieder werden die neuen Maschinen der multinationalen Konzerne in Brand gesteckt.
Kenia: Immer wieder werden die neuen Maschinen der multinationalen Konzerne in Brand gesteckt.  | Bild: WDR

Jeden Tag schauen sie auf eine Plantage, die ein Konzern gepachtet hat. 3,20 Euro Pacht pro Hektar und pro Jahr bezahlt der Konzern umgerechnet an den Staat. Geändert hat sich seit der Kolonialzeit nur eins: Die Laufzeit der Pachtverträge von 999 Jahren wurde jetzt auf 99 Jahre reduziert – das ist die maximale Länge, die laut kenianischen Verfassung möglich ist. So lange das Land nicht an die Menschen, die hier leben, zurückgegeben werde, solange habe hier niemand eine Perspektive, klagen die Pflücker. Und bei den Konzernen geht die Angst um, die Landarbeiter:innen könnten noch mehr Pflückmaschinen zerstören.

Er hat einen langen Atem: Anders als die Jungen, die ihre Wut auf die Straße bringen, geht Joel Kinetto den legalen Weg. Der 73-Jährige hat Archive durchstöbert, so viele Unterlagen gesammelt, wie er finden konnte. Er ist sich sicher, dass er den Landraub der britischen Kolonialherren belegen kann. Er stellt Anträge, Petitionen – für seinen Kampf hat er schon mehr als nur Aufmerksamkeit erreicht. Zur Zeit liegt sein Anliegen beim Kenianischen Senat: "Unser größter Kampf ist der gegen das koloniale Unrecht. Alles hat angefangen, als mein Großvater und mein Vater mir das Land unserer Ahnen gezeigt haben. Dort, wo wir gelebt haben, bevor uns die Briten vertrieben haben. Als ich das gesehen habe – das war so bitter – so fing ich an, darüber nachzudenken."

Er glaubt fest daran, dass er als Stammesältester eines Tages vor den Gerichten Recht bekommen wird. Noch ist es ein eher stiller Kampf. Aber es bleibt die stille Hoffnung, dass die Teepflücker irgendwann doch auf ihrem eigenen Land arbeiten können. 

Autorin: Caroline Imlau / ARD Studio Nairobi

Stand: 18.09.2023 12:05 Uhr

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