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Frankreich: Wer zieht in den Elysée-Palast?

Frankreich: Wer zieht in den Elysée-Palast?  | Bild: picture alliance/dpa/AP | Francois Mori

Wer nach Châteaudun fährt hat eine faire Chance, das herauszufinden. Die Menschen im Ort wählen seit vielen Jahren genauso, wie der Rest des Landes. Der Bürgermeister sagt selbst, dass sie quasi der Durchschnitt sind. Also Frankreich im Kleinen. Für den ersten Wahlgang um die Präsidentschaft ist ein Kopf-an-Kopf-Rennen von Amtsinhaber Emmanuel Macron und der rechten Dauerkandidatin Marine Le Pen vorhergesagt. Und wie ist die Stimmung in Klein-Frankreich, in Châteaudun?

Viele Wähler sind noch unentschieden

Endlich wieder Apéro! Zur Saisoneröffnung seines Sommerlokals in Châteaudun serviert Sylvain Guesdon die ersten Gläser Weißwein des Jahres. Seine Gäste lassen sich auch von 12 Grad Außentemperatur nicht abschrecken. "Der Aperitif ist sehr Französisch, ein solches Sommerlokal auch. Das ist doch einfach schön." So verlässlich wie der tägliche Apéro, sind auch die Menschen in Châteaudun. Seit 30 Jahren wählen sie exakt so wie ganz Frankreich.

Wahlplakate an Wand
Der Amtsinhaber liegt in den Umfragen vorne | Bild: SWR

Natürlich ist bei der Eröffnung auch die Präsidentschaftswahl Thema. Wie im ganzen Land sind viele Gäste noch unentschieden. "Wir haben ganz schön gelitten in den letzten Jahren", meint Eugénie Meslard. "Die Politiker sollten sich mehr um ums kümmern. Sie denken eher an sich und bleiben in ihrem Elfenbeinturm. Und David Esnault sagt: "Ich bin mit vielem unzufrieden. Daher weiß ich noch nicht, wen ich wählen werde." Letztes Jahr hat der 42-Jährige Sylvain das verfallene Lokal übernommen und wiedereröffnet. Für seinen Geschmack ging es im Wahlkampf zu viel um Personen und zu wenig um Themen. "Ich habe Angst, dass viele nicht wählen gehen. Das besorgt mich schon. Wenn viele nicht wählen gehen, hilft das den extremen Parteien."

Eines der wichtigsten Themen für die Franzosen: die Kaufkraft

Vor zwei Wochen sah es noch so aus, als würde Präsident Macron das Rennen machen. Doch: Es wird immer knapper. Die Rechtsaußen-Kandidatin Marine Le Pen ist ihm dicht auf den Fersen. Im 13.000-Einwohner-Ort hat sich die Stimmung verändert. Donnerstag ist Markttag auf dem zentralen Platz. Rentner Pierre Boucq kommt jede Woche, um seine Einkäufe zu erledigen. Den Käsestand liebt er besonders. Aber gerade macht ihm das Einkaufen nicht so viel Spaß. "Vor ein paar Jahren haben wir viel besser gelebt als jetzt. Wir kamen gut mit unserem Einkommen klar. Eigentlich sollte man doch als Rentner gut leben, aber das ist nicht der Fall."

Marktstand
Beim Einkaufen merken die Franzosen die steigenden Preise  | Bild: SWR

Wie bei den meisten Franzosen ist für Pierre Kaufkraft das wichtigste Thema bei dieser Wahl. Essen geht der 65-Jährige nur noch selten, aber ein Getränk ist ab und zu noch drin. Er war Arbeiter in einer Fabrik. Viele seiner Kollegen kamen aus dem Ausland. Doch jetzt beschäftigt ihn das Thema Migration. "Es kommen Menschen von außerhalb, die nie etwas in unser System eingezahlt haben, da gibt es kaum Unterschiede. Man gibt ihnen alles, sie haben ganz viele Vorteile. Und wir, die gearbeitet haben, bekommen das einfach nicht." Wen er wählen wird, will er nicht verraten. Auf Präsident Macron hat er jedenfalls eine große Wut. "Nein, er ist nicht nah an den Menschen. Es geht ihm nur ums Geld, er ist und bleibt ein Banker."

In Châteaudun läuft man sich ständig über den Weg, auch dem Bürgermeister. So eine Unzufriedenheit wie bei Pierre nimmt Fabien Verdier bei vielen hier wahr. Die ländlichen Regionen bekämen nicht genug Unterstützung, viele öffentliche Einrichtungen wurden abgebaut. "Macron ist vielleicht die Inkarnation der Pariser Technokratie. Die Politiker und Beamten kennt man aus den Nachrichten, aber die waren nie hier. Diese hundert Menschen, die Frankreich regieren, waren nicht genug auf unserem Markt in Châteaudun – und auf den hunderten anderen Märkten in Frankreich."

Manche haben profitiert, andere fühlen sich vernachlässigt

Dabei haben viele in Châteaudun auch von Macrons Politik profitiert. Sylvain gehört nicht nur das Sommerlokal. Er ist Pâtissier und betreibt vier Konditoreien. Dank Macrons Wirtschaftspolitik konnte er seinen 60 Mitarbeitern steuerfreie Prämien zahlen. Auch dass die geschlossenen Läden während der Corona-Krise Unterstützung bekommen haben, fand er gut. "Ohne die Corona-Hilfen hätten ganz viele Läden hier im Ort dichtmachen müssen, das ist sicher, da bin ich überzeugt."

Straßenszene in Châteaudun
Die Einwohner von Châteaudun wählen seit 30 Jahren genauso wie ganz Frankreich | Bild: SWR

Wie oft in Frankreich, hat auch Châteaudun zwei Seiten. Das ist die eine. Und das die andere. Hinter der Bahnlinie, das Viertel Beauvoir. Hochhäuser, viele Migranten, die Menschen verdienen weniger als die im Zentrum. Lange hat sich keiner für das Viertel interessiert. Das ändert die Stadt gerade. Mahmoud Ejjabri gibt in neuem Sozialzentrum Sportkurse. Er hat den Eindruck, dass sich im Wahlkampf keine Partei für die Themen hier interessiere. "Viertel wie unsere geraten regelmäßig beim Thema Sicherheit in den Fokus. Ich bin hier großgeworden, das ist nicht das Hauptproblem. Es geht darum, was am Ende des Monats übrigbleibt, viele verarmen hier. Arbeitslosigkeit ist ein großes Thema." In der Amtszeit Macron sei es hier eher schlechter geworden. Entgegen aller Versprechungen hätte man in Vierteln wie Beauvoir einfach nicht dieselben Chancen. Deshalb will er eher links wählen.

Sylvain will seine Stimme einer gemäßigten Kandidatin oder einem gemäßigten Kandidaten geben. Wem genau, weiß er noch nicht. "Ich habe angefangen, die Programme zu lesen. Und jetzt bin ich mir doch noch etwas unsicher." Im Musterort Châteaudun ist auf den letzten Metern noch erstaunlich viel Bewegung drin. Es bleibt bis zuletzt noch richtig spannend – in ganz Frankreich.

Autorin: Friederike Hofmann, ARD-Studio Paris

Stand: 25.04.2022 09:10 Uhr

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