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Schweden: Nie mehr Mode-Müll

Schweden: Nie mehr Mode-Müll (XL-Version) | Bild: NDR

Auch mit Nähmaschinen kann man eine Revolution beginnen. Zumindest eine kleine, glaubt Anna Lidström. Die Designerin erforscht alternative Wege für die Modeindustrie. Statt immer wieder Neues zu produzieren, müsste die Branche endlich lernen umzudenken und das zu nutzen, was es schon gibt. "Es wäre ein Gewinn für die Umwelt, wenn man alte Kleidungsstücke aufwertet, und sie nicht zerstört, klein mahlt und dann alles wieder von vorne anfängt. Wir müssen die Lebensdauer von produzierter Ware verlängern. Das hilft nicht nur der Umwelt. Aus meiner Sicht ist da auch ein kreatives Potenzial."

Re-Design aus alter Ware

Designerin Anna Lidström im Interview.
Wenn Hersteller nicht verkaufte oder alte Ware aussortieren, fängt Anna Lidströms Arbeit an. | Bild: NDR

An der Textil Hochschule von Borås im Süd-Westen Schwedens will sie genau dieses Potenzial heben. Re-Design nennt sich das, was Anna macht. Wenn Hersteller nicht verkaufte oder alte Ware aussortieren, fängt ihre Arbeit an. Denn: Was für die einen vielleicht schon Abfall ist, ist für andere richtig interessant. "Shirts wurden von einem Verleiher für Arbeitskleidung aussortiert, weil sie Löcher hatten oder Knöpfe lose waren. Ich habe sie dann genommen und für eine junge Marke ein neues Design gemacht. In diesem Fall haben wir eine bunte Naht und ein Logo hinzugefügt. Und wir haben sie gefärbt."

In den sozialen Medien zeigt Anna, was sich alles aus alter Kleidung machen lässt. Anfangs wurde Sie noch als Bastel-Mädchen belächelt, erzählt Anna. Doch mittlerweile hätten viele Unternehmen begriffen, wie wichtig Nachhaltigkeit ist – auch für das Image. Als sich eine große schwedische Modekette meldet und mit ihr arbeiten möchte, fordert Anna ausschließlich mit Second Hand Ware zu arbeiten. Aus "alt" designt sie "neu". Erstmals im großen Stil. 5.000 Teile – Hemden und Blazer. Das Unternehmen glaubt auch an den kommerziellen Erfolg der Kollektion. "Wenn wir eine kleine Kollektion machen und sie rentiert sich nicht, dann wird es immer eine Nische verbleiben. Aber wenn wir das Ganze größer, als Geschäftsmodell aufziehen, dann können wir genauso viel Geld verdienen wie mit einer gewöhnlichen Kollektion. Ich glaube, das kann sehr erfolgreich werden", sagt Emma Garotte, Nachhaltigkeits-Managerin bei Gina Tricot.

Fast Fashion: Tonnenweise Kleidung landet im Müll

Monat für Monat überschwemmen neue Kollektionen die Läden. Die Produktionen werden immer billiger, immer schneller. Fast Fashion – schnelllebige Mode. Was nicht weggeht, wird weggeworfen. Schon jetzt landen Tonnenweise Kleidung im Müll.

Doch vielleicht könnte eine Maschine helfen, den Berg an Textilmüll zu verkleinern. Bei einem Entsorgungsunternehmen in Malmö testen sie, wie Altkleider industriell recycelt werden können. Hier macht die Maschine, was Menschen bislang nicht können: Sie bestimmt den genauen Anteil zum Beispiel an Baumwoll- oder Polyesterfasern. Für die anschließende Aufbereitung ist das wichtig. Damit könnten aus diesen Teilen neue Fasern gewonnen werden, die künftig Baumwollplantagen ersetzen. "Das Problem ist, dass Textilien sehr billig sind. Es hat daher kaum wirtschaftliche Anreize gegeben, sich um alte Kleidung zu kümmern. Nun setzen sich alle ehrgeizige Ziele in Sachen Nachhaltigkeit und wollen mehr Recycel-Material einsetzen. Die Menge steigt also. Auch deshalb braucht es die automatische Faser-Sortierung", erklärt Anna Vilén vom Entsorgungsunternehmen "Sysav".

Satt Müllberg zurück im Laden – in neuem Design

Designerin Anna Lidström zeigt ein Modestück.
Anna Lidström: "Wir müssen die Lebensdauer von produzierter Ware verlängern." | Bild: NDR

Damit der Berg an Textilmüll kleiner wird, müssten sich aber auch die Verbraucher ändern, sagt Designerin Anna Lidström. In dem Projekt "F/ACT Movement" hat sie dazu aufgerufen, sechs Monate lang keine neue Kleidung zu kaufen. Jeanbosco Nzubaha hat mitgemacht. Und nicht nur er hat dabei gelernt: "Wenn man etwas Gutes tun will, muss man bei sich selbst anfangen. Also mache ich mit und rede auch mit meinen Freunden darüber. Mein bester Freund zum Beispiel hat immer viele teure Schuhe gekauft und jetzt fängt er an sich zu fragen: 'Warum gebe ich eigentlich so viel für Schuhe aus, wenn es auch mit Second Hand geht'."

Die Qualität von Altkleidern sei oft so gut, dass sie problemlos neben Neuware bestehen kann, sagt Anna. Der Kunde werde kaum merken, dass dieses Hemd  für die schwedische Modekette aus Second Hand Ware gefertigt wurde. "Das ist so spannend. Denn man sieht ja, die Kleidungsstücke stechen nicht hervor. Sie passen hierher. Das habe ich immer gesagt. Es kommt immer auf das Material an, das dir zur Verfügung steht. Wir müssen Erfahrungen sammeln, das mache ich mit meiner Arbeit. Das ist so toll, denn es zeigt: Es geht!"

Satt Müllberg zurück im Laden: in neuem Design. Hemden und Blazer hat Anna gerettet und sie ist sich sicher, dass es noch sehr viel Teile mehr werden können. Auch für künftige Generation müssten alle verantwortungsvoller mit den Ressourcen umgehen. Die Welt brauche kein einziges neues Kleidungsstück mehr.

Autor: Christian Blenker, ARD Stockholm

Stand: 21.03.2021 20:25 Uhr

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