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Belarus: Nach der "Volksversammlung" – Die Not der Opposition

Belarus: Nach der "Volksversammlung" – Die Not der Opposition | Bild: Amateurvideo

Am 11. Und 12. Februar tagt die von Präsident Lukashenko einberufene "Volksversammlung", um einen neuen Fünf-Jahres-Plan für Belarus zu verabschieden. Seit dem offensichtlich gefälschten Wahlergebnis im vergangenen September reißen die Proteste gegen den autoritär herrschenden Lukashenko nicht ab. Die "Volksversammlung" soll seine Macht jetzt nachträglich legitimieren, die Opposition wurde allerdings nicht beteiligt. Viele der Belarussen, die im vergangenen Jahr gegen die Wahlfälschung und Lukashenko protestiert haben, sitzen weiterhin im Gefängnis, ohne dass es Anklagen gegen sie gibt oder Verfahren vor Gericht angesetzt sind.

"In der Stadt kann man nicht mehr atmen"

Es sind minus 18 Grad in einem Wald bei Minsk. Bewohner eines Minsker Stadtteils sind hier, damit ihnen endlich mal wieder warm ums Herz wird. Tanzen mit den belarussischen Oppositionsfarben – ohne Angst. "Am Anfang haben wir uns auf offenen Plätzen getroffen, in einer Allee, auf einem Fußballplatz. Dann mussten wir uns in die Hinterhöfe zurückziehen. Und trotzdem kamen busseweise Sonderpolizisten. Sie haben uns weggeschleppt und tagelang ins Gefängnis gesteckt, geschlagen. Irgendwann war unsere Angst vor körperlicher Gewalt größer als der Wunsch zu tanzen. Dann habe ich vorgeschlagen, hier rauszufahren", erzählt Maxim Semjonow.

Maxim hat Computerspiele produziert. Xenia E., eine andere Teilnehmerin, arbeitet im Tourismus: "Wir sind früher jedes Jahr zum Ski-Langlauf hierher gekommen, wegen der frischen Luft. Jetzt kommen wir wegen der Freiheit. In der Stadt kann man nicht mehr atmen, angesichts dieser Unmenschen, der Sicherheitskräfte, die einfach überall sind. Hier kann man reden, schreien und die Energie aus sich herauslassen."

Gesellschaft in Belarus ist traumatisiert

Eine Frau spricht in die Kamera.
Viele Menschen suchen psychologische Hilfe. | Bild: NDR

Freiheit für die fast 250 aus politischen Gründen Inhaftierten, fordern sie. Und machen sich Mut: "Liebe ist, wenn man gemeinsam Lukaschenko überlebt." "Die Machthaber versuchen gerade mit ganzer Kraft, dass die Menschen alle depressiv und handlungsunfähig werden. Dass sie nur noch zu Hause sitzen und weinen", sagt Maxim Semjonow. Er ist einer von vielen, die inzwischen Hilfe bei einer Psychologin suchen. Die Gesellschaft in Belarus ist traumatisiert: Gewalt der Polizei-Sondertrupps, die ständige Gefahr, in einen Transporter ohne Kennzeichnung gesteckt zu werden. Und die Enttäuschung, dass trotz all dieser Bilder Lukaschenko immer noch an der Macht ist. 

"Jene, die besonders aktiv waren und hofften, dass sich etwas in der Politik verändert, die werden jetzt depressiv. Denn das, was sie erwartet haben, ist nicht eingetreten", erklärt Psychologin Wera Prohortschik. "Die Hälfte meiner Klienten schicke ich weiter zum Psychiater, damit sie Medikamente bekommen. Denn viele melden sich, wenn es schon relativ spät ist."

Xenia lenkt sich mit Korbflechten ab. Sie liest keine Bücher mehr, kann oft nur mit Beruhigungsmitteln einschlafen. Vorbei das stolze Gefühl, als Hunderttausende mit wehenden Flaggen durch Minsk marschierten. Auch Xenia war dabei: "Die Sonntagsmärsche verwandelten sich in ein sehr furchterregendes Spiel, als man anfangen musste zu laufen. Diese Massenproteste sind weniger geworden, aber in den Innenhöfen hat es nie aufgehört."

Sichbarer Protest per Video

Ein Mann sitzt vor einem Computerbildschirm.
Es kommt immer wieder zu kleinen Protestaktionen. | Bild: NDR

So traut sich auch die Gruppe von Xenia und Maksim immer wieder zu kleinen Protestaktionen raus. Vor einer Woche sogar bis zum meist streng bewachten Siegesplatz. "Es ist undenkbar, das alles weiter auszuhalten. Das ist wie ein echtes Konzentrationslager und wenn wir jetzt nichts unternehmen, wird die Tür irgendwann einfach zugemacht. Und wir sind drinnen gefangen", sagt Xenia E.

Maxim schneidet Videos von den kleinen Protestveranstaltungen, auch von der Aktion im Wald. Damit der Protest doch sichtbar wird. Vor Gefängnis hat er keine Angst, sagt Maxim. Das Leben in Belarus sei ja selbst sowas wie Gefängnis. "Am Ende kommt es auf jeden Fall zu einer Veränderung in der politischen Ordnung von Belarus. Das ist eindeutig. Diese Ordnung funktioniert ja jetzt schon nicht mehr. Es ist wie ein Leichnam, den man entsorgen muss."
Doch schnelle Veränderungen sind nicht zu erwarten. Maxim und die anderen werden wohl noch viele solcher Mut machenden Videos produzieren müssen. 

Stand: 14.02.2021 20:07 Uhr

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Norddeutscher Rundfunk
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