Interview mit Andreas Pietschmann
Sie sind in Würzburg geboren und leben in Berlin. Wie war es für Sie, nach Franken zurückzukehren und in Bamberg den Tatort Franken zu drehen?
Es ist immer schön für mich, in die fränkische Heimat zurückzukehren. Über Bamberg habe ich mich besonders gefreut, weil es so ausnehmend schön ist und, anders als meine Heimatstadt Würzburg, im Krieg nur wenig zerstört wurde. Als Unterfranke war ich gar nicht so oft dort hingekommen. Es gab also auch viel Neues für mich zu entdecken.
Haben Sie noch Bezug zu Ihrer Heimat und welchen?
Ich habe in Franken meine Kindheit und meine Jugend verlebt und trage das Kind von damals und viele Erinnerungen in mir, fühle mich mit Franken immer noch sehr verbunden. Ich stamme aus einer großen Familie mit sechs Kindern, und meine Eltern und drei meiner Geschwister leben mit ihren Familien immer noch in Würzburg und Umgebung. Leider mussten wir ja unter besonderen Pandemie-Bedingungen drehen und es war nicht möglich, sie während der Dreharbeiten zu besuchen. Das war natürlich schade.
Sie wollten professioneller Fußballspieler werden und galten in der Jugendabteilung der Würzburger Kickers als großes Talent. Wie kam es dann zu der Entscheidung, Schauspieler zu werden?
Ein typischer Teenager-Wunsch. Und in der Tat machte mir damals nichts so viel Spaß wie das Fußballspielen. Ich liebe es auch heute noch sehr und kann nicht davon lassen. Es ist für mich das schönste Spiel, das jemals erfunden wurde. Mit zunehmendem Alter wuchsen in mir dann aber auch andere Interessen, denen ich nicht ohne Kollisionen mit dem Fußball, der einen hohen Zeitaufwand erforderte, nachgehen konnte. Ich musste mich entscheiden. Ich begann, Theater zu spielen, ich wollte reisen, es zog mich ins Ausland. Letztlich gehören unbedingter Einsatz, großer Wille und totale Konzentration auf den Sport dazu, Profifußballer zu werden. Dafür hatte ich nicht genug Biss und zu viele andere Abenteuer auf der Agenda.
"Ku‘damm 59", "jerks." mit Christian Ulmen und Fahri Yardim, "Die Hebamme" und die Streamingserie "Dark": Sie sind ein viel gefragter Darsteller, ihre Rollen sind vielfältig. Was war das Besondere am Dreh von "Wo ist Mike?" und an Ihrer Rolle?
In "Wo ist Mike?" geht es unter anderem um Eltern, die an ihrer verletzlichsten Stelle getroffen werden, nämlich wenn es um ihr Kind geht. Das emotionale Spektrum meiner Figur in dieser Geschichte ist sehr groß. Außerdem spricht sie die Sprache, die mich während meiner Jugend umgeben hat. Das begegnet mir sehr selten.
Darüber hinaus war die Arbeit mit dem Regisseur Andreas Kleinert für mich sehr angenehm und ein großer Gewinn. Er ist ein echter Menschenfreund, mit scharfem Verstand und viel Einfühlungsvermögen.
Sie spielen einen Vater, dessen 5-jähriger Sohn verschwunden ist. Die getrenntlebenden Eltern dachten, dass das Kind beim jeweils anderen ist. Sie sind selbst Vater, können Sie sich eine solche Situation vorstellen?
Vorstellen muss ich mir als Schauspieler Vieles können... Aber meine Frau Jasmin und ich leben zusammen und kümmern uns gemeinsam um unsere drei Kinder. Wenn einer von uns beiden zum Arbeiten abwesend sein muss, stehen wir dennoch ständig in Verbindung und wissen, was die Familie macht und wie es den Kindern geht.
Zwischen Home-Schooling und Homeoffice – denken Sie, dass in der Corona-Zeit viele Eltern überfordert sind und Kinder nicht die nötige Zuwendung erhalten?
Ja natürlich, und das ist ein großes Problem. Eltern, die ihre Arbeit von zu Hause aus weiter machen müssen, weil sie ins Homeoffice geschickt werden, oder weil ihre Kinder aufgrund von Schul- und Kitaschließungen während der Arbeitszeit der Eltern nicht woanders betreut werden können, können dieser Doppelanforderung schwer gerecht werden. Das geht nicht, ohne irgendwo Abstriche zu machen. Für die Kinder ist das besonders schwierig. Die Erwachsenen können die Situation und die Notwendigkeit von Maßnahmen leichter erfassen und versuchen, sich zu organisieren so gut es nur irgend geht. Kinder, gerade kleinere, können das nicht. Sie können oftmals nicht verstehen, warum ihnen die gewohnte Zuwendung nicht mehr zuteil wird und leiden darunter. Natürlich können sie das schulische Lernen nicht plötzlich ganz alleine bewältigen. Aber es hilft ja nichts, wir müssen alle gemeinsam durch diese schwierige Zeit kommen. Umso wichtiger ist es, dass jeder seine Verantwortung in dieser Krise erkennt, für sich selbst, aber auch für andere, und alle an einem Strang ziehen, um Schulen und Kitas so gut wie möglich geöffnet zu halten, solange das Infektionsgeschehen das erlaubt und bis die Impfungen endlich ihre Wirkung entfalten. Schutzmaßnahmen zu ignorieren und die Existenz des Virus zu leugnen, hilft uns da keinen Millimeter weiter.
Wie haben Sie das letzte Jahr mit ihren Kindern verbracht und die Zeit erlebt?
Wir haben sehr viel Zeit gemeinsam zu Hause verbracht. Da die Arbeit während langer Phasen eingestellt war, hatten wir es beim Home-Schooling leichter, weil nebenher kein Job im Homeoffice weiterlaufen musste. Wir sind als Familie noch enger zusammengerückt und haben versucht, das Beste daraus zu machen. Ich will mich nicht beklagen, denn insgesamt haben es viele Familien sicherlich schwerer als wir.
Wie haben Sie das letzte Jahr als Künstler erlebt?
Nun ja, die künstlerische Tätigkeit hat für mich im letzten Jahr, wie gesagt, nur sehr wenig stattgefunden. Das fehlt mir natürlich. Da ist es wertvoll, wenn man sich nicht allein darüber definiert, sondern auch andere Aufgaben hat, so wie ich als Familienvater.
Sie leben mit der Schauspielerin Jasmin Tabatabai zusammen. Unterstützen Sie sich gegenseitig bei der Rollenauswahl oder Vorbereitung auf eine Rolle?
Unbedingt. Es ist ein großes Glück für mich, in Jasmin eine kluge Frau vom Fach an meiner Seite zu haben. Wir sprechen viel über die Arbeit, und ihre Meinung ist mir sehr wichtig. Oft hat sie einen ganz anderen Blick auf die Dinge als ich und erweitert meine Perspektive.
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