Statement von Fabian Hinrichs

Welche Wahrheit verbirgt der Wald hinter dem Haus, in dem der Junge sich oft versteckt hat, wenn die Eltern sich stritten?
Welche Wahrheit verbirgt der Wald hinter dem Haus, in dem der Junge sich oft versteckt hat, wenn die Eltern sich stritten? | Bild: BR/Claussen+Putz Filmproduktion GmbH / Hendrik Heiden

»Wenn ein naher Angehöriger spurlos verschwindet, ist dies für den Angehörigen/die Angehörige selbst eine die ganze Existenz umformende Erfahrung.

Das Erlangen von Kontrolle und Selbstbestimmung ist ein Grundbedürfnis, auch das Vermeiden von Schmerz und Leid. Diese Grundbedürfnisse haben aber ein grundsätzliches Gefühl von Vorhersehbarkeit des Lebens, der sozialen Beziehungen und der eigenen körperlichen Verfasstheit zur Voraussetzung, welches von Grund auf durch das Verschwinden eines Angehörigen oder eine Gewalttat zertrümmert wird, für immer. Es gibt nun kein Urvertrauen in das Leben an sich mehr, alles inner- und außerhalb des Subjekts wird hinterfragt - das eigene Ich, andere Menschen, eigene und fremde Gefühle.

Zu Schock und Trauer kommen übermächtige Bedrohungsszenarien und unmöglich abzuwehrende Ängste. Noch mehr als bei Unfällen oder Krankheiten erdrücken die Angehörigen schwer zu beantwortende Fragen: Warum ist es passiert, wie ist es passiert, was ist passiert? Leidet mein/e Angehörige/r, denkt er/sie an mich in diesem Moment und lebt er/sie noch? Die Angehörigen begleiten massive Schuldgefühle, insbesondere die Eltern. Sie kommen nicht zur Ruhe. Und natürlich sind auch Polizisten und Polizistinnen Menschen mit verwundbarer Seele, die Tat und auch die Persönlichkeit des Täters/der Täterin erzwingen den Blick in das eigene Innere. Alpträume, überwältigende Erinnerungen werden begleitet vom professionellen Berufsverständnis der Polizisten und Polizistinnen als mit aller Härte Ermittelnde.

Das Gefühl, eine gesellschaftlich sinnvolle und unverzichtbare Arbeit zu leisten konkurriert mit Gefühlen von Sinnlosigkeit, sogar von Fatalismus. Als Polizist oder Polizistin von diesen Spannungen nicht innerlich zerrieben, als Angehörige oder Angehöriger von diesen Erfahrungen nicht vernichtet zu werden – davon handeln unsere Filme in der Hauptsache, auch "Wo ist Mike?". Dass sie "Tatort" heißen, ist nicht egal, aber eben außerhalb von Formatkategorien nur insofern wichtig, als dass sie den Ort und seine Ausstrahlungen im Namen tragen: Tatort, Ort des Schreckens.«

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