Franziska Weisz über große Gefühle für Frauen und linksautonome Dresscodes

Gutes Timing: Franziska Weisz (Julia Grosz) erscheint im rechten Moment
Gutes Timing: Franziska Weisz erscheint im rechten Moment | Bild: NDR / O-Young Kwon

Die Figur Julia Grosz

Polizei ist für Julia Grosz wie Familie. Deshalb ist sie auch so entsetzt über den Brandanschlag auf das Haus eines Kollegen. Schrecklich, wie er verzweifelt sein Kind im Arm hält, während seine Frau im Krankenhaus um ihr Leben ringt. Polizei ist für sie auch das Bollwerk des Guten gegen das Böse. Aber sie ist nicht naiv, sie weiß um die Probleme, den Rassismus, die Gewalt.

Der Fall bringt Julia Grosz an ihre Grenzen und in ihre Vergangenheit. Nahe war sie als Polizeischülerin der Kollegin Ela gekommen, sehr nahe. Richtig getraut hat sie sich dann nicht, so dass die Erinnerung vor allem Sehnsucht hervorruft. Verdeckte Ermittlerin im linken Milieu ist Ela zuletzt gewesen. Hat sie etwas mit dem Brandanschlag zu tun? Jetzt ist Ela verschwunden und Julia Grosz hat noch ihren telefonischen Hilferuf im Ohr. Julia setzt sich auf ihre Spur.

In Elas WG findet sie Unterschlupf, eine alte Freundin von Ela sei sie, wegen einer Fahrradmesse in Hamburg. Sie spürt das Begehren, dass sie auslöst. Sie muss mitspielen und fängt an, es zu genießen, gerade die Aufmerksamkeit von Elas Geliebter Nana. Aber die ist radikal. Als Nana aufzählt, warum die Polizei so hassenswert ist, stehen ihre Werte in Frage. Julia muss schlucken. Und auch hier mitspielen. Wo gehobelt wird, da fallen Späne.

Franziska Weisz über große Gefühle für Frauen und linksautonome Dresscodes

Steht im neuen Fall das Privatleben von Julia Grosz im Mittelpunkt?

Es ist der erste Fall aus der Reihe, der sich ausführlich mit meiner Figur beschäftigt. Der Film ist in gewisser Weise hybrid. Ich spiele hier nicht nur die Kommissarin, sondern auch die Episodenhauptrolle. Anders hätten wir die Geschichte nicht erzählen können. Grosz schleust sich ohne Auftrag in die linksextreme Szene ein, um das Verschwinden einer Freundin aufzuklären. Sie überschreitet Grenzen, wie man es bisher nur von Falke kannte, und riskiert damit ihre Karriere und auch den Job des Partners, der ihren Alleingang deckt. Aber warum verhält Grosz sich so krass? Weil sie diese Frau vor langer Zeit geliebt hat. Und das kann man nicht in einem Dialog nur mal so fallen lassen. Die Zuschauer müssen es sehen und nachempfinden, dass Grosz unter einem enormen Leidensdruck steht. Deshalb begleiten wir sie in ihre emotionale Welt, in ihre Zerrissenheit. Sie legt ihren Schutzpanzer ab, mit dem sie sich immer umgeben hat. Dadurch zeigen sich Facetten ihrer Persönlichkeit, die ich immer erahnt habe, aber noch nie spielen durfte.

Hat die Kommissarin eine Beziehung mit ihrer Freundin gehabt?

Sie waren vor 20 Jahren als Polizeischülerinnen einen Sommer lang intensiv zusammen. Ob sie wirklich ein Paar waren oder nur mal ausprobieren wollten, wie es ist, eine Frau zu lieben, lässt der Film offen. Jedenfalls hegten sie große Gefühle füreinander. Um es vorwegzunehmen: Nein, es handelt sich nicht um eine lesbische Coming-Out-Geschichte. Wir haben ja auch schon von ihren Männergeschichten erzählt. Grosz geht es in erster Linie um den Menschen, und in der Zeit ihrer Ausbildung hat sie sich halt in einen weiblichen Menschen verliebt. Auch wenn sie von sich selbst sagen würde, eigentlich hetero zu sein, erlaubt sie es sich, diese Frau zu lieben, die ihr so viel bedeutet. Das finde ich total sympathisch von Grosz.

Grosz ermittelt verdeckt in einem queerfeministischen Hausprojekt. Findet sie Gefallen an der Gruppe?

Im Haus begegnen ihr die Aktivistinnen anfangs mit Misstrauen und teils offener Ablehnung. Nach und nach gewinnt sie das Vertrauen der Frauen, die Grosz ihre Gefühle, Träume und Ziele offenbaren. Grosz möchte dazugehören, aber natürlich ist sie in diesem Milieu ein Fremdkörper. Sie gibt sich cool, ist es aber gar nicht. Als Polizistin hat sie eben immer auf der anderen Seite gestanden. Wenn sie in Uniform mit der Hundertschaft im Einsatz war, wurde sie von der linksextremen Szene angefeindet und vom Schwarzen Block mit Flaschen oder Steinen eingedeckt. Doch schaut man hinter die Fassaden, hat man es auf beiden Seiten mit Individuen zu tun. Grosz fühlt sich diesen Frauen zugehörig und genießt das Zusammensein, zugleich dringt sie in deren Leben ein und spielt mit ihnen, wobei sie immer im Hinterkopf hat: Hoffentlich fliege ich nicht auf! Aber sie weiß, früher oder später wird sie die Frauen verletzen müssen.

Haben Sie sich optisch in eine Aktivistin verwandelt?

Beauty war dieses Mal nicht der Anspruch. Ich wohne in Berlin in einem berühmten Quartier mit vielen Linksautonomen. Im Straßenbild fiel mir auf, dass viele Mädels die gleiche Frisur tragen wie Grosz im „Tatort“. Statt Pferdeschwanz, wie sonst, trägt sie die Haare offen und oben zu einem Dutt gedreht. Dazu sind Bomberjacke und schwere Stiefel obligatorisch. Der linksautonome Dress folgt gewissen Codes und ist auch eine Art Uniform, um nach außen zu demonstrieren, wir bilden eine Front. Allerdings bemerke ich hier deutlich mehr Abwechslung als im rechten Milieu.

Erstmals wurde in einer öffentlich-rechtlichen Produktion der Inclusion Rider umgesetzt. War es anders als sonst, diesen Fall zu drehen?

Die Abläufe waren im Grunde alle gleich. Wir hatten zwar ein jüngeres Team, aber es arbeitete genauso professionell wie ich es kenne. Für manche Mitglieder war „Schattenleben“ überhaupt die erste Chance, bei einer großen Produktion mitzumachen. Sie waren total engagiert und aufnahmebereit. Es schlägt sich positiv in der Stimmung nieder, wenn man auch Leute dabei hat, die nicht schon 100 „Tatorte“ auf dem Buckel haben. Am Set herrschte ein äußerst respektvoller Ton.

Sollte die Quote zur Regel werden?

Generell sollte es zur Regel werden, darüber nicht mehr nachdenken zu müssen. Wenn man aber weiter wie bisher die Posten nur danach besetzt, wer über die meiste Erfahrung verfügt, dann kommen immer nur gleichen Leute zu Potte. Ich finde, der Inclusion Rider ist ein wirksames Instrument, um Menschen in Jobs zu bringen, die trotz ihrer Qualifikation häufig durch den Rost gefallen sind. Man kann nur gut werden, indem man Erfahrungen sammelt.

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