Gespräch mit Wotan Wilke Möhring

Kommissar Torsten Falke (Wotan Wilke Möhring) und Kriminaldirektorin Luisa Salvadori (Clelia Sarto) im Blitzlichtgewitter.
Kommissar Torsten Falke und Kriminaldirektorin Luisa Salvadori im Blitzlichtgewitter. | Bild: NDR / Marion von der Mehden

Von "Tatort"­Kommissaren wird häufig gefordert, sie sollen Haltung zeigen. Kam es in diesem Fall darauf an, einmal möglichst wenig davon durchblicken zu lassen?

Falke wird als Personenschützer für die Chefin einer rechtspopulistischen Partei abgestellt. Das passt ihm zwar nicht, aber als Staatsdiener hat er seine Pflicht zu erfüllen, auch wenn die politische Ideologie dieser Frau seinen Ansichten diametral entgegensteht. Wir haben allerdings bewusst darauf verzichtet, ihn einen permanenten Kampf um seine Position führen zu lassen. Lieber stellen wir es den Zuschauern frei, ihren eigenen Standpunkt zu finden.

Der Film zeigt: Mit Argumenten ist Rechtspopulisten schwer beizukommen.

Grundsätzlich stimmt das natürlich nicht. Aber wir wollten zeigen, das Politikerinnen wie Nina Schramm, die Spitzenkandidatin unserer "Neuen Patrioten", vorgeben, gegen alles gefeit zu sein. Daher war Regisseur Niki Stein bestrebt, sie einfach reden zu lassen und der Frau nicht den Gefallen zu tun, auf ihre Scheinargumentation aufzuspringen. Ihre Sprüche wie "Wir sind die Stimme des Volkes" entlarven sich am Ende selber. Dahinter steckt natürlich eine politische Strategie, die unter Donald Trump wieder salonfähig geworden ist: die berühmte Nagelbrettlüge. Ein irres Phänomen. Man setzt Tausende Lügen in die Welt, jede Behauptung relativiert den Wahnwitz der anderen, aber was daraus entsteht, ist ein ganz eigenes Bild der Realität. Man nimmt die Lügen gar nicht mehr wahr. Rechtspopulisten schüren ein Klima der Angst, aus dem sie Kapital schlagen. So kann es dann geschehen, dass in einem Dorf die Ausländerfeindlichkeit rapide zunimmt, obwohl dort nur zwei Ausländer leben.

Ein paar Vergleiche zu Eva Braun oder zu Joseph Goebbels waren Falke dann doch gestattet.

Die lockeren Sprüche gehören zu seiner Rolle, und sie helfen ihm, bestimmte Dinge zu kompensieren. Wie heißt es: Der Scherz ist das Loch, aus dem die Wahrheit pfeift.

Ist Falke ein Linker?

Er ist so links, wie man als Polizist links sein kann. Aber Falke ist kein Intellektueller, er steht mehr auf der Seite der Arbeiter. Ich sehe ihn gewissermaßen als Sprachrohr des kleinen Mannes. In der ersten Folge ist er noch mit Leuten aus der Antifa befreundet. Heute ist er eher belustigt, wenn er quer durch einen Demonstrationszug marschiert. Falke steckt wie viele Beamte in einem Dilemma: Er versteht sehr gut, warum die Leute auf die Straße gehen, aber gewaltsamen Protest kann er nicht akzeptieren.

Der Zynismus des Straßenbullen zieht auf dem Land nicht so richtig. Waren Sie froh, dass diese Folge endlich wieder in Hamburg spielt?

Ehrlich gesagt, ja. Wir haben ursprünglich mal gesagt, Falke ist der Junge aus dem Beton, aus Billstedt, dem so genannten Hamburger Hinterhof. Das ist sein Revier. Hier weiß er, wen er fragen muss, in einer Sprache, die in der Hochhaussiedlung jeder versteht. Auch der nächste Fall spielt in der Stadt. Ich hoffe, es geht so weiter. Hamburg gehört zu Falke dazu.

Ist Falke diesmal besonders um seine Partnerin Grosz bemüht?

Sie agieren zum ersten Mal als echtes Ermittlerteam. Auch wenn Grosz übergriffig wird, indem sie unangekündigt in seiner Wohnung auftaucht, gilt die alte Abmachung: Ihr Privatleben interessiert mich nicht! In einem Anflug von Harmonie bietet wiederum er ihr das Du an, was voll danebengeht.

Ihre Reihe ist dafür bekannt, auf junge Autoren und Regisseure zu setzen. Wie kam es zur Zusammenarbeit mit dem erfahrenen Niki Stein?

Ich wusste, Niki Stein ist mit seiner politischen Bildung der perfekte Regisseur für diesen Film. Es war wichtig, dass hier einer nicht allein auf das Bild und den Effekt setzt, sondern auch das intellektuelle Konstrukt dahinter stemmen kann. Eine komplexe und dialoglastige Geschichte spannend zu erzählen, für diese Aufgabe ist er genau der richtige. Es war im Übrigen sehr mutig von der Redaktion, diesen hochaktuellen Stoff anzupacken. Man wird im "Tatort" ja oft genug von der Realität überholt. Es war zeitlich unmöglich, den Film schon vor der Bundestagswahl zu senden. Dafür liefert "Die dunkle Zeit" eine sehr gute Bestandsaufnahme rechtspopulistischer Politik in Deutschland.

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