Gespräch mit Niki Stein
Buch und Regie
Ein rechtspopulistischer Politiker fällt einem Mordanschlag zum Opfer. Dahinter steckt seine eigene Partei der "Neuen Patrioten". Könnte Ihre Geschichte auch in der CDU oder der SPD spielen?
Ich befürchte, ohne den rechtspopulistischen Kontext wäre die Geschichte unglaubwürdig. Eine Frage: Worin unterscheiden sich die neuen politischen Strömungen von den alten Volksparteien? Es ist der Respekt vor Andersdenkenden. Dieses Grundprinzip unserer Demokratie wird von den Rechtspopulisten komplett aufgekündigt. Ich habe die Maxime des Populismus auf unsere "Neuen Patrioten" übertragen. Sie lautet: Wir sind die wahren Vertreter des Volkes. Und weil die demokratischen Parteien nicht wissen, was das Volk denkt, fügen sie dem Land großen Schaden zu. Diese Vereinnahmung des Volkswillens kennen wir zur Genüge aus der deutschen Geschichte. Sie legitimiert die rechte Revolte.
Legitimiert sie sogar einen Mord wie in Ihrem Film?
Ich arbeite zurzeit an einer zehnteiligen Reihe über Adolf Hitler. Beim Schreiben des "Tatort"-Drehbuchs konnte ich permanent Parallelen zu den Nationalsozialisten ent decken. Es ist im Grunde die gleiche Geschichte: Man folgt einer großen völkischen Idee, gibt klare Feindbilder aus und entwickelt eine Strategie, wie das Establishment zu bekämpfen ist. Dann ist es nur noch ein kleiner Schritt, bis man sagt: Wir schaffen auf radikale Art und Weise ein Problem aus der Welt, weil das Ziel, das wir vor Augen haben, so gewaltig ist. Für meine Geschichte war es aber auch wichtig, die Zerrissenheit innerhalb der "Neuen Patrioten" zu beschreiben: Die Partei wird von den Geistern, die sie rief, vereinnahmt und vor sich hergetrieben.
Anja Kling bringt das Verführerische rechtspopulistischer Politik großartig rüber.
Anja Kling war meine erste Wahl für die Rolle. Redaktion und Produktion haben sich der Idee sofort angeschlossen, obwohl die Besetzung durchaus ungewöhnlich ist. Anja spielt sonst eher das idealistische Fach. Sie hat die Herausforderung mit großer Lust angenommen. Der Zuschauer wird wahnsinnig überrascht sein von einer Anja Kling, die er so niemals zuvor gesehen hat.
Was ist an Populismus eigentlich so schlecht?
Populistische Politiker legen die Finger in die Wunde bestehender Probleme, Kriminalität, Unterbesetzung der Polizei, Zuwanderungsprobleme, aber sie haben keine Antworten darauf, wie sie zu lösen sind. Es ist leicht zu sagen, wir haben 20.000 Polizisten zu wenig, wenn man nicht gleichzeitig über die Finanzierung der Verstärkung nachdenkt. Es ist ja Fakt, dass Zuwanderer öfter Straftaten begehen als Deutsche. Aber sie benennen weder die Gründe für diesen Überhang noch machen sie Lösungsvorschläge. Konzepte? Null.
Warum sieht Rechtspopulismus in Ihrem Film so modern aus?
Ich habe mir angeschaut, wie die Rechtspopulisten in Europa ihre Parteitage abhalten. Sie kopieren sehr stark diese Steve-Jobs-Art, sie reden frei auf einem langen Laufsteg, der weit ins Publikum hineinreicht. Marine Le Pen beherrscht diese Art von Auftritten perfekt: Schaut her, ich bin eine von Euch! Sie gibt sich und der Front National einen modernen Anstrich und vermeidet geschickt rechte Propaganda.
Wie haben Sie recherchiert?
Ich habe ich den Parteitag der AfD in Köln Intensiv ver- folgt, deren Wahl-Programm gelesen, TV-Vorbildfilme gesehen, die Internetauftritte etwa der Identitären verfolgt und die Gelegenheit genutzt, mich mehrere Stunden lang mit einem bekannten rechtspopulistischen Politiker zu unterhalten. Mir wurde klar, dass in der Szene tatsächlich eine große Paranoia herrscht. Die Anhänger sehen verschleierte Frauen in Berlin-Neukölln und denken, die Scharia steht unmittelbar vor der Tür. Auch Nina Schramm, die Chefin der "Neuen Patrioten", ist keine Taktikerin, sondern hat wirklich Sorge, dass Deutschland von fremden Völkern überrannt wird.
Mussten Sie die Kommissare Falke und Grosz beim Drehen daran erinnern, dass sie Polizisten spielen – und nicht Schramms politische Widersacher?
Natürlich nimmt der Film eine klare Haltung ein, die besagt: Populismus ist zu verurteilen. Aber es ist spannend zu sehen, dass bei unseren Hauptfiguren gewisse Slogans auch verfangen. Wenn Nina Schramm sagt, Sie wissen doch beide, dass sie über den Migrationshintergrund der Straftäter nicht Auskunft geben dürfen, dann müssen sich Falke und Grosz mit Gewalt aus dieser Verführung herausziehen. Ich finde es interessanter, wenn Figuren ambivalent sind und den Konflikt für den Zuschauer nachvollziehbar machen. Am Anfang denkt vielleicht der eine oder andere, es ist gar nicht so falsch, was die Frau sagt, um am Ende zu erkennen, sie ist eine Verschwörerin. Es ist doch langweilig, wenn ich den Zuschauer von Beginn an gegen Nina Schramm aufbringe.
Kommen sich die Kommissare in ihrer dritten Folge ein wenig näher? Entwickeln sie sich zu einem echten Duo?
Mir gefällt an diesem "Tatort"-Gespann, dass beide nicht die besten Buddys sind. Er bietet ihr das Du an, sie lehnt ab. Nach ihrer traumatischen Erfahrung in Afghanistan hat sie Angst davor, wieder Nähe aufzubauen. Es ist großartig, mit welcher Ernsthaftigkeit Franziska Weisz dieses innere Drama spielt. Dagegen bringt Wotan Wilke Möhring seinen ganzen Charme in die Rolle ein, was der Figur Authentizität und Frische verleiht. Beide Ermittler gehen auf unterschiedliche Art an die Sache heran. Sie sagt, wenn wir nicht mehr bereit sind, Recht und Ordnung durchzusetzen, dürfen wir uns nicht wundern, dass die Straftäter uns verachten. Er arbeitet ergebnisorientiert und ist gewillt, das Verbrechen eher zu managen und auch mal einen laufen zu lassen. Falke ist kein Prinzipienreiter. Das ist ein schöner Gegensatz zu Grosz.
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