Gespräch mit Axel Milberg

Kommissar Borowski (Axel Milberg) verfolgt Peggys Shoppingtour mit Argwohn.
Kommissar Borowski verfolgt Peggys Shoppingtour mit Argwohn. | Bild: NDR / Christine Schroeder

Herr Milberg, sammeln Sie eigentlich Treuepunkte?

Nö. Ich kann mich einfach nicht an einen Laden binden. Will ich auch nicht. Und was gibt’s schon dafür?

In diesem "Tatort" sind die Treuepunkte auch ein Symbol für soziale Unterschiede. Peggy sammelt sie, ihre Nachbarin Victoria hat es wohl nicht nötig. Auch das entfacht Peggys Wut und ihren verhängnisvollen Neid. Ist Neid ein nachvollziehbares Thema für einen Krimi?

Ja. Wer gibt es aber zu, dass er neidisch ist? Die ganze kapitalistische Ordnung basiert auf Konsum und Wettkampf. Wie soll da nicht der Neid eine zentrale Rolle spielen? Die Glücksberater sagen, vergleiche dich nicht!

Borowski hat es mit zwei ungleichen Frauen zu tun, die beide unter Mordverdacht stehen. Warum begegnet er ihnen trotz der schrecklichen Tat mit Empathie?

Die Empathie Borowskis ist ein Teil der Informationsbeschaffung. Sie ist echt, deswegen versteht er die Menschen leichter, die unter Verdacht stehen. Nur sollte es ihn nicht daran hindern, genau hinzuschauen, wenn gelogen wird. Außerdem sind die meisten Motive ja wirklich nachvollziehbar, wenn man sich ein bisschen Mühe gibt. Wir finden sie in uns selbst. Wie sagte Borowski sinngemäß in einem anderen Fall vom gleichen Autor: Nicht, dass jemand tötet, ist so erstaunlich, sondern, dass wir es nicht tun.

Es gibt eine schöne Szene zwischen den beiden, in der Borowski sagt: "Ich sehe sie." Was meint er damit?

Vielleicht ist es etwas sehr Spezielles, an der Kasse zu sitzen. Du siehst die Kunden. Du siehst, was sie kaufen und damit auch, wie sie leben. Sie vergibt Herzen und Treuepunkte. Aber wer sieht sie? Auch der kuschelige Mann zu Hause, der so problemlos lebt, sieht sie wohl nicht. Er sagt über seine Tätigkeit: Elektrik, Gas, Wasser, Scheiße, dann Bier, rauchen. Fernsehen, das ist Routine. Das ist ihr zu wenig. Borowski hört ihr zu. Er „sieht“ sie. Das ist, was sie will.

In derselben Szene sagt Borowski: "Mir fehlt zum Glück die Frau". Ist Borowski nicht beziehungsfähig?

Das ist lustig, ja. Er kokettiert da ein bisschen mit seiner Freude am Alleinsein. Zum Glück fehlt mir die Frau heißt ja auch, ich habe Glück, weil die fehlt …

Trotz des schwierigen Themas hat der "Tatort" viele leichte Momente. Wie gelingt das?

Sascha Arango bringt immer diesen eleganten Humor hinein, der zutiefst aus der Kenntnis der menschlichen Natur kommt. Ich bin für diese Momente unglaublich dankbar.

Sie haben sich für das neue Ermittlerduo eine konstruktive Streitkultur gewünscht. Geht dieser Wunsch auch in diesem "Tatort" in Erfüllung?

Zunächst ist es kein privater Wunsch von mir, sondern unsere gemeinsame Erfahrung, nun eine neue Emotion zwischen den Hauptermittlern auszuprobieren, die viel mit einer professionellen Haltung zu tun hat.

Da es um Neid geht – um was beneidet Borowski seine neue Kollegin?

Um ihren Ehrgeiz.

Wie steht das Glück zu Borowski?

Borowski ist glücklich, glaube ich. Unbelastet. Er trägt nichts Schweres mit sich herum. Das unterscheidet ihn von vielen Kollegen. Glück ist die Abwechslung, vollkommen Neues zu erleben, dabei seine Grenzen auszudehnen, aber auch von Vertrautem begleitet zu werden.

Der Drehbuchautor Sascha Arango scheint ganz genau zu wissen, wie Borowski tickt. Woher rührt diese Verbindung?

Borowski ist Arangos bessere Hälfte. Könnte eigentlich Borongo heißen.

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