Anneke Kim Sarnau im Interview

Anneke Kim Sarnau ist Katrin König
Anneke Kim Sarnau ist Katrin König | Bild: NDR / Christine Schroeder

Katrin König wird gespielt von Anneke Kim Sarnau

Katrin König wird von Schlafstörungen gequält. Schweißgebadet schreckt sie aus Alpträumen hoch, geschüttelt von Schuldgefühlen. Hat sie Guido Wachs Unrecht getan? Ein Mörder ist er ohne Zweifel, aber einen der Morde hat sie ihm untergeschoben, damit er auch mit Sicherheit ins Gefängnis muss. War sie moralisch im Recht? Oder hat sie ihre Berufsehre, das Recht und nicht zuletzt Wachs betrogen? Auch ihr Körper meldet sich zu Wort – die Narben jucken, der Verstand lässt sich nur mit Pillen geradebiegen. Ob es gerade jetzt eine gute Idee ist, Guido Wachs im Gefängnis zu besuchen? Auch der Fall ist nicht geeignet, Königs Nerven zu beruhigen. Wo sie hinschaut: Gewalt gegen Frauen. Einen Angriff auf eine Passantin kann sie verhindern um den Preis, selbst bewusstlos geschlagen zu werden. Nicht verhindern kann sie den Mord an derselben Frau. Nicht verhindern kann sie, dass eine Obdachlose verprügelt wird. Und je aufgebrachter sie um sich schlägt, desto milder scheint Kollege Bukow zu werden. Das ist schräg, verdächtig. Wie kann man da nicht misstrauisch werden? Doch in all dem Chaos fängt sie vor allem an, einer Person zu misstrauen – sich selbst.

Anneke Kim Sarnau im Interview

»Sie fühlt sich extrem schuldig.«

Katrin König ist nach wie vor schwer angeschlagen. Sie hat eine ganze Batterie von Medikamenten in ihrem Bad stehen. Was sind ihre Beschwerden?

Ich denke, dass sie wegen all dem, was passiert, eine depressive Episode hat und dass sie sich erlaubt hat, etwas dagegen zu nehmen. Sie hat Herzschmerzen und schreckliche Kopfschmerzen. Das Problem ist aber, dass sie die körperlichen Symptome behandelt, ohne das seelische Problem anzupacken. Sie versucht, einfach weiterzuarbeiten, aber sie merkt selbst, dass sie dabei an ihre Grenzen stößt.

Sie wird brutal zusammengeschlagen, als sie eine andere Frau am Hafen vor zwei Angreifern beschützt, arbeitet aber weiter, sobald sie wieder bei Bewusstsein ist. Klammert sie sich an ihre Arbeit?

Ich denke schon. Die Arbeit ist die einzige halbwegs greifbare Konstante in ihrem Leben und außerdem auch ihre große Leidenschaft. Sie hat diesen absoluten Ehrgeiz, gepaart mit großem Gerechtigkeitsempfinden. Außerdem hat sie ja kein Privatleben, das sie auffangen würde, und keinen Ausgleich. Sie hat keinen Rückhalt familiärer Art oder soziale Ebenen, die sie irgendwie tragen, einen Freundeskreis, einen Sportclub, irgendwas. Sie hat nur ihren Job. Das ist auch einer der Gründe, weshalb die Krise, die sie gerade durchmacht, so dramatisch und so traurig verläuft.

Die junge Frau vom Hafen wird tot aufgefunden. Auch sie hatte kein nennenswertes soziales Umfeld. Die Profilerin bezweifelt als Einzige, dass Nadja Flemming einem Raubmord zum Opfer fiel. Spürt sie eine Art Verwandtschaft zu ihr?

Sie identifiziert sich mit ihr, und irgendwie haben die beiden sich durch ihre kurze Begegnung am Hafen, durch die Blicke, die sie dort ausgetauscht haben, connected. Katrin König hat sofort erfasst, dass mit ihr etwas nicht stimmte, als sie sie morgens in aller Frühe dort angetroffen hat. Sie ist gerade selbst nicht gut drauf, und dieser Frau schien es ähnlich zu gehen. Es hat ein spontaner Austausch zwischen den Frauen stattgefunden, und auch, dass sie beide dort brutal attackiert wurden, verbindet sie. Als Katrin König dann bei den Ermittlungen feststellt, wie einsam diese Frau war und dass es weitere Parallelen gibt, macht ihr das zu schaffen. Das ist wie ein Blick in den Spiegel.

Die Profilerin entschließt sich, Guido Wachs im Gefängnis zu besuchen. Was verspricht sie sich davon?

Ich glaube, einen richtigen Plan hat sie erstmal nicht. Sie hat sich vorher zurechtgemacht, sich sozusagen eine Rüstung angelegt, damit sie äußerlich unantastbar ist. Sie will ihm ihre Verletzlichkeit natürlich nicht zeigen. Ihr Ziel ist es, ihm zu beweisen, dass er im Unrecht ist, wenn er versucht, Parallelen zwischen seiner und ihrer Schuld zu ziehen, und dass er zu Recht da ist, wo er ist. Aber er schafft es, sie in ihrer Haltung zu irritieren, so dass sie in noch größere Verwirrung stürzt und sich noch mehr verliert. Er spielt mit ihrem Kopf.

Wachs gibt ihr gegenüber den Geläuterten und bietet ihr einen Deal an. Ihr Schuldeingeständnis gegen seines. Glaubt sie ihm das?

Sie wehrt sich instinktiv gegen diese Idee, aber Wachs schafft es, zu den starken Schuldgefühlen durchzudringen, unter denen sie leidet, weil sie ihre eigene Moral über den Haufen geworfen hat. Sie hat sozusagen Unrecht in ihrer eigenen Welt erschaffen, und damit kommt sie weniger gut klar, als sie je gedacht hätte. Sie fühlt sich extrem schuldig, und er packt sie genau an dieser Stelle. Hinzu kommt, dass sie ja unter dem Einfluss von Medikamenten steht. Sie leidet stark unter den Nebenwirkungen und das macht es ihr umso schwerer, klar im Kopf zu bleiben.

Bukow wirbt hartnäckig um sie und versucht, sie zu unterstützen. Wie nimmt sie das wahr und warum kann sie nicht auf seine Angebote eingehen?

Sie nimmt auf jeden Fall wahr, dass er an ihr dran ist, nur empfindet sie es in diesem Fall als Bedrohung. Sie darf gar nicht zulassen, dass das etwas Schönes ist, was sie sich eigentlich wünscht. Natürlich sehnt sie sich danach, dass jemand für sie da ist und hinter ihr steht. Sie weiß eigentlich, dass sie seine Gefühle erwidert, aber sie ist gefangen in ihren Schuldgefühlen und in ihrer Angst. Sie hat keinen Raum dafür, das jetzt zuzulassen, weil all ihre inneren Konstrukte, die sie sich aufgebaut hat, dabei sind, zusammenzukrachen. Dementsprechend wehrt sie ihn ab.

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