Drehbuchautor Florian Oeller im Interview

Katrin König (Anneke Kim Sarnau), verhindert den Angriff auf Nadja (Xenia Rahn, mit Florian Kroop und Anton Weil).
Katrin König, verhindert den Angriff auf Nadja. | Bild: NDR / Christine Schroeder

»Es ging ganz klassisch um die Reflexion über Schuld und Sühne.«

Sie führen mit Ihrem Buch die Horizontale um Guido Wachs zu Ende, die im "Polizeiruf 110: Für Janina" begann. Von welcher Grundidee sind Sie ausgegangen?

Es ging um die Frage, wie König und Bukow mit der Schuld umgehen, die sie in "Für Janina" auf sich geladen haben. Und darum, wie eine Form von Sühne möglich ist, die den Abschluss dieser Geschichte ermöglicht, ohne die beiden mit dem, was sie getan haben, einfach davonkommen zu lassen. Zugleich wird in der Geschichte anerkannt, dass das Opfer der gemeinsam gesponnenen Intrige, Guido Wachs, auch große Schuld mit sich herumträgt. Das war der Anfangspunkt. Es ging also ganz klassisch um die Reflexion über Schuld und Sühne.

Der Film beginnt mit einer starken Exposition: Wir sehen Katrin König und hören die eindringliche Stimme von Wachs. Wofür steht dieses Bild?

König hat sich ihrer Schuld nie gestellt, und ich wollte ein Szenario zeigen, in dem ihr bewusst wird, dass Wachs ihr viele Schritte voraus ist. Dass Wachs sich seiner Schuld gestellt hat und eine wirklich freundliche Einladung an König ausspricht, seinem Beispiel zu folgen. Dies ließ sich gut einbetten in den Schriftverkehr zwischen König und Wachs, von dem wir ja wissen, dass er schon eine Weile währt. Wir stellen hier fest: Wachs und seine Stimme sind in Königs Kopf. König liegt auf dem Bett und wir hören, dass Wachs ihr mitteilt, dass sie tot ist. Sie ist tot, solange sie auf dieser Schuld sitzenbleibt. Es ist ja immer davon die Rede, dass beim "Tatort" oder "Polizeiruf 110" innerhalb der ersten drei Minuten die Leiche sichtbar sein muss. Das erste Opfer in diesem Fall ist König. Weil sie so bedrängt wird von dem, was Wachs in ihr provoziert, allein durch seine Existenz als ihr persönliches Versagen und durch seine Briefe. "Für Janina" war der Fall, in dem sie gegen ihr eigenes Prinzip von Recht und Gerechtigkeit verstoßen hat. Diese Schuld nagt an ihrer Seele und frisst sie von innen heraus auf. Wachs weiß sehr genau, welche Werkzeuge er nutzen muss, um diesen Prozess zu intensivieren und auf die Spitze zu treiben.

Wachs ist ein Narzisst und Intrigant, der alles daransetzt, sich an König und Bukow zu rächen. Was hat Sie dazu inspiriert, die Figur in diese Richtung weiterzuentwickeln?

Für mich war dieser Narzissmus in "Für Janina" schon offensichtlich. Ich habe dazu aber tatsächlich erst einmal recherchiert. Das ist ein Begriff, mit dem man sehr schnell um sich wirft. Wenn es Figuren zu zeigen gilt, dann muss man sich, wie ich finde, im Vorfeld eingehend informieren, ganz besonders, wenn es um klinische psychische Krankheitsbilder geht. Recherche, Recherche, Recherche, und dann schreiben, nicht vorher. Also habe ich viel gelesen, beispielweise ein Standardwerk der klinischen Psychologie, das schlicht "Narzissmus" heißt, und zudem die Beratung einer forensischen Psychiaterin gesucht.

Es hat zunächst den Anschein, dass Wachs sich vor allem auf Katrin König konzentriert. Wieso reicht ihm das nicht?

Wachs ist es egal, wer den Verrat, wer die Beweismanipulation damals initiiert hat. Dass es eigentlich König zuerst war und Bukow "nur" derjenige ist, der sie deckt. Für ihn sind die beiden ein Angriffsziel, beide haben ihn verraten. Er weiß nicht, wie die beiden zueinander stehen, aber er sieht sie als Einheit, als Paar im Prinzip. Er nimmt die beiden als gleichwertiges Feindbild wahr und weiß, selbst wenn er nur König treffen möchte, ist es eine gute Idee, Bukow kaputtzumachen. Er versucht es nach allen Seiten, er versucht, beide so gut zu schädigen, wie er nur kann. Er agiert nach der Devise "Auge um Auge, Zahn um Zahn", und ihm ist eigentlich egal, ob er Bukow oder König zuerst trifft. Er möchte beide vernichten.

Dass König trotz der großen Krise ihr kriminalistisches Gespür nicht verliert, zeigt ihr Umgang mit dem Fall Nadja Flemming. Diese kam auf eine ungewöhnliche Art zu Tode. Wie sind Sie darauf gekommen?

Der Anfangspunkt waren wieder König und Bukow. Ich habe mich gefragt, was passieren würde, wenn König nicht nur in den Spiegel gucken würde, sondern wenn sie am Anfang dieses Falles einem Menschen begegnen würde, der im Prinzip die gleiche Schwierigkeit hat wie sie. Jemandem, der ein sehr diszipliniertes Leben geführt hat, bis er einer Lebenslüge aufsitzt und sich aus diesem Leiden nicht mehr befreien kann. Dass Katrin König also, indem sie diesen Fall vor der Nase hat, im Prinzip mit sich selbst konfrontiert ist. Und dann auf eine ganz traurige Weise der Lösung nahekommt, weil sie vielleicht auch daran denkt, was sie selbst in einer solchen Situation tun würde. Weil es Menschen gibt, die so verzweifelt sind, dass sie sich in ihrer Verzweiflung niemandem anvertrauen können und auf dem falschen Weg bleiben, bis zuletzt, mit einer irren Konsequenz.

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