Interview Regisseur Axel Ranisch

An nur einem Nachmittag hat es Hubert Lotzmann (Jörg Gudzuhn) geschafft, seine Tochter Bille (Eva Löbau, re.) an die Polizei zu verraten, den 70. Geburtstag seiner Frau Annemarie (Gisela Schneeberger, 2. v. re.) zu vergessen, zu dem sie auch ihre Schwestern Ingeborg (Sigrid Schnegelsiepen-Sengül, Mitte) und Margot (Gudrun Ritter) eingeladen hat. Zusätzlich hat er ihren heißgeliebten Wellensittich mit dem Staubsauger eingesaugt und damit den altbewährten „Fuzzbuster 500" ruiniert...
Szenenbild aus dem Film | Bild: ARD Degeto / Dennis Pauls

Das Drehbuch von Sönke Andresen ist preisgekrönt, z.B. mit dem Tankred-Dorst-Drehbuchpreis des Münchner Filmfests und mit dem Drehbuchpreis des Internationalen Filmfest Emden, verliehen vom Adolf-Grimme-Institut.

Für mich ist Sönkes Drehbuch ein Kunstwerk. Ich finde es atemberaubend, wie er mit 14 Figuren gleichzeitig jongliert, ohne sie in auch nur einer einzigen Pointe zu verraten, und dabei die Familiengeschichte nie aus den Augen verliert. Sein Drehbuch ist urkomisch, es trifft den Zeitgeist und steuert in einem wahnsinnigen 86-minütigen Crescendo der Katastrophe entgegen; dabei bleiben seine Figuren warmherzig, glaubhaft und liebevoll. Ich bin ja dafür bekannt, meine Geschichten selbst zu entwickeln und meine Filme lieber ohne festes Drehbuch zu drehen, mit den Mitteln der Improvisation. Als ich aber Sönkes Drehbuch das erste Mal gelesen habe, wusste ich, dass ich hier – und nur hier – eine Ausnahme machen würde.

Bei der Besetzung von "Familie Lotzmann auf den Barrikaden" haben Sie selbst einige Recherchen betrieben. Welche "Entdeckung" haben Sie für den Film gemacht?

Ich saß am Rechner und sortierte stundenlang die Profile von Schauspielerinnen hin und her, die für die Rollen der Geschwister Lewandowski in Frage kommen – und plötzlich stieß ich auf einen Beitrag über die pensionierte Opernsängerin Sigrid Schnegelsiepen-Sengül. Wahnsinn! Was für eine Erscheinung! "Hochdramatisch" trifft es tatsächlich am besten. Ich hatte mich auf der Stelle in Sigrid verliebt. Schnell war der Plan gereift, ihrer barocken Erscheinung die geniale Gudrun Ritter an die Seite zu stellen und den beiden die Rollen der Lewandowski-Schwestern auf den Leib zu schreiben. Die beiden sind der perfekte Widerpart für die kongeniale Gisela Schneeberger.

Gayle Tufts ist für ihre Bühnenshows bekannt. Sie haben sie jetzt vor die Kamera geholt.

Auch Gayle Tufts haben wir die Rolle auf den Leib geschrieben. Als ich zum Projekt stieß, gab es noch einen "Mr" McAndrew. Aber als Regisseur hat man einen Reflex, sich beim Lesen des Drehbuchs sofort die passenden Schauspieler vorzustellen. Und die Erste und Einzige, woran ich bei dieser Rolle dachte, war Gayle Tufts. Die Zusammenarbeit mit ihr war absolut fantastisch. Keine Sekunde war zu merken, dass sie das erste Mal für einen Film vor der Kamera stand.

Sie haben damals erstmals mit einem Team von über 50 Leuten gearbeitet …

Es war schon etwas gewöhnungsbedürftig. Je größer ein Filmteam ist, desto unflexibler wird auch die Arbeit. Alle haben ihre Pläne und Listen und sind genau auf jeden folgenden Arbeitsschritt vorbereitet. Das läuft so lange rund, bis sich eine spontane Änderung ergibt. Dann gerät der Apparat ins Stocken und Änderungen müssen dann nicht an zehn, sondern an fünfzig Leute übermittelt und Pläne und Listen müssen korrigiert werden. Auf der anderen Seite ist es beeindruckend, was nach gewissenhafter Vorbereitung alles möglich ist, wenn man all diese Fachkräfte am Set hat. Denn dann surfen Rentner auf Staubsaugern durch die Stadt, dann schnäbeln und singen dressierte Wellensittiche genau das, was man will, dann explodieren Elektromärkte und SEK-Beamte stürmen Wohnungen.

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