SENDETERMIN So., 23.10.22 | 18:30 Uhr | Das Erste

Westjordanland: Der HipHop-Bus

Westjordanland: Der HipHop-Bus  | Bild: WDR

Ramallah am Morgen. Die Sitze noch in Plastik verhüllt, so neu ist dieser Bus. Ein mobiles Tonstudio. Allaa will damit palästinensische Musiker:innen besuchen und aufnehmen. Hip-Hop, Folklore, Pop. "Heute geht’s nach Jericho. Wir wollen dort die Musik von zwei Rappern einspielen, dort in der Wüste geht das sonst nicht. Ich seh‘ schon die Freudentränen in ihren Augen", erzählt er.

Eine besondere Möglichkeit für junge Künstler:innen

Von Ramallah nach Jericho, quer durchs palästinensische Westjordanland. Ein normaler Roadtrip ist das nicht. Checkpoints des israelischen Militärs, immer wieder Sperranlagen. Einfach so rumfahren, sei für Palästinenser:innen nicht so einfach, sagt Alaa. Oft müssen sie große Umwege in Kauf nehmen: "Hier, das alles sind Mauern zwischen Nachbar:innen. Nachbar:innen, die sich nicht mehr sehen oder treffen können, ohne eine Erlaubnis."

40 Kilometer sind es heute. Runter in die Wüste nach Jericho. Qusai und Obada warten bereits. 17 Jahre sind sie, neu im Musikbusiness. Der Bus: Wow! sagen sie. Bislang haben sie ihre Songs nur mit dem Handy aufgenommen. "Also in meiner Musik geht es um alles, was hier so geschieht. Wir kritisieren vieles, Dinge die im Alltag passieren", erzählt Qusai.

Westjordanland: Die Bewegungsfreiheit der Menschen im Westjordanland ist stark eingeschränkt.
Westjordanland: Die Bewegungsfreiheit der Menschen im Westjordanland ist stark eingeschränkt. | Bild: WDR

Der erste Take, Text auf dem Handy. "Ich komme zu dir", singt Qusai in Dauerschleife. Immer wieder, bis Alla zufrieden ist. Schon nach ein paar Klicks klingt das so. HipHop vom Straßenrand. Qusai und Obada sind begeistert. "Diesen neuen Track bekommen die Jungs natürlich, sie können das online veröffentlichen, ihre Musik anbieten. Wir veröffentlichen das auch und archivieren alles", erzählt Alaa.

Nächste Aufnahme. Ein Beduinencamp in der Wüste. Diesen Beduinen dürfen wir erst nach langem Überreden mit in den Bus begleiten. Erkannt werden will er nicht. Er sei das erste Mal vor einem Mikrofon, andere könnten ihn auslachen. Alaa beruhigt: Alle werden beeindruckt sein, wenn sie das hier hören.

Ein Projekt, durch EU-Gelder finanziert

Ein paar Tage später. Wieder startet der Bus in Ramallah. Ziel heute: ein ruhiger Ort außerhalb der Stadt. Dina und Ebaa wollen dort ihre Musik einspielen: Pop, Freestyle. Die beiden Palästinenserinnen haben schon Erfahrung, treten vor Publikum auf. "Ich liebe diesen Bus. Ich habe schon einmal hier aufgenommen. Das ist ein sehr schöner und gemütlicher Raum, der überall hinkommen kann", sagt Dina.

Westjordanland: Für die jungen Musikerinnen erfüllt sich ein kleiner Traum von Freiheit.
Westjordanland: Für die jungen Musikerinnen erfüllt sich ein kleiner Traum von Freiheit. | Bild: WDR

Überall hinkommen! Eines der großen Themen für junge Palästinenserinnen und Palästinenser. "In den Medien geht es meisten ja nur um einen Teil der Besatzung hier", erzählt Dina. "Ich denke, wir haben mit mehr zu kämpfen. Unser Kampf in einer männerdominierten Gesellschaft, vor allem für uns Frauen, darum geht es in den Texten von und Ebaa und mir." "Es geht um Frieden. Das heißt, zu tun, was immer du willst, ohne dass dich jemand stoppt. Und hier stoppt uns immer irgendjemand, die Besatzung stoppt uns, unsere Gesellschaft stoppt uns", fügt Ebaa hinzu.

Möglich ist dieses Projekt durch Gelder der EU und des Goethe-Instituts. Organisiert werde es direkt vom Büro in Ramallah aus, sagt Katharina Hey. Die Sicherheitslage im besetzten Westjordanland mache das oft schwer: "Wir wollen deshalb zu den Künstlerinnen, weil wir wissen, es ist extrem beschwerlich, sich in den palästinensischen Gebieten zu bewegen."

Die offizielle Aufnahme ist zu Ende. Dina und Amin "jammen" noch ein bisschen. "Ich bin gefangen in einer Schleife", singen sie. Dann geht es zurück nach Ramallah, vorbei an Militär-Kontrollen, Alltag. Morgen fährt der Radiobus wieder raus.

Autor: Christian Limpert/ARD Studio Tel Aviv

Stand: 23.10.2022 20:52 Uhr

0 Bewertungen
Kommentare
Bewerten

Kommentare

Kommentar hinzufügen

Bitte beachten: Kommentare erscheinen nicht sofort, sondern werden innerhalb von 24 Stunden durch die Redaktion freigeschaltet. Es dürfen keine externen Links, Adressen oder Telefonnummern veröffentlicht werden. Bitte vermeiden Sie aus Datenschutzgründen, Ihre E-Mail-Adresse anzugeben. Fragen zu den Inhalten der Sendung, zur Mediathek oder Wiederholungsterminen richten Sie bitte direkt über das Kontaktformular an die ARD-Zuschauerredaktion: https://hilfe.ard.de/kontakt/. Vielen Dank!

*
*

* Pflichtfeld (bitte geben Sie aus Datenschutzgründen hier nicht Ihre Mailadresse oder Ähnliches ein)

Kommentar abschicken

Ihr Kommentar konnte aus technischen Gründen leider nicht entgegengenommen werden

Kommentar erfolgreich abgegeben. Dieser wird so bald wie möglich geprüft und danach veröffentlicht. Es gelten die Nutzungsbedingungen von DasErste.de.

Sendetermin

So., 23.10.22 | 18:30 Uhr
Das Erste

Produktion

Westdeutscher Rundfunk
für
DasErste