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Kanalinsel Sark: Leben in der Steueroase

Kanalinsel Sark: Leben in der Steueroase | Bild: picture alliance / robertharding

Sie ist eine der wilderen und ganz unbekannten Kanalinseln. Nur 500 Menschen leben hier, einer davon Swen Lorenz, ein Deutscher, der das abgelegene Sark seit über zehn Jahren sein Zuhause nennt. Eigentlich arbeitet Swen als Vermögensverwalter in der Londoner City, aber da Sark ein fantastisches Internet hat, verlegte er irgendwann seinen Wohnsitz ganz hierher.

Kaum Steuern, wenig Staat

Für weitere Strecken fährt man Kutsche, denn Autos gibt es hier nicht, dafür aber eine Kirche, eine Bank, ein Schloss und einen Hausarzt für alle Fälle. Dennoch begann das kleine Volk der Sarkees kurz nach Swens Ankunft langsam, aber sicher zu schrumpfen: "Es gingen Gerüchte auf der Insel um, dass der Supermarkt schließen muss, weil einfach nicht mehr genug Leute da sind, und in dem Moment hab ich beschlossen, es muss was getan werden."

Gesagt, getan. Swen Lorenz schrieb ein Handbuch mit fast 1.000 Seiten: "Warum und wie nach Sark ziehen." Innendrin versteckt der eigentliche Knaller: Man zahlt so gut wie keine Steuern auf Sark. Pauschal je nach Grösse des Hauses leistet man eine Abgabe 1000 bis von maximal 5000 Pfund pro Jahr. Die Steuererklärung ist so genau eine Seite lang. Swens Handbuch wurde im  Netz ein Hit, er bekam tausende Emails aus der ganzen Welt: "Ich war da monatelang eingespannt und das war natürlich auch einfach überwältigend, weil ich da über 100 Leuten geholfen habe, ein neues Leben aufzubauen."

Und so kam plötzlich ein ganz neuer Schlag Einwanderer nach Sark, junge erfolgreiche Unternehmer:innen, die mit dem Labtop auch vom Strand aus arbeiten können. Menschen wie Oswald Atton, der glaubt, dass eine Gesellschaft, die statt auf Staat und Steuern einfach auf Eigenverantwortung setzt, viel mehr erreichen kann. "Wenn die Regierung aufhört, Steuern zu fordern, wird es mehr Jobs geben, das fördert mehr und kreativeres Unternehmertun und dadurch werden am Ende alle reicher", sagt Oswald Atton. "Aber was machen sie dann mit den Armen oder denen die keinen Unternehmergeist haben?", fragt Korrespondentin Annette Dittert und Oswald Atton antwortet: "Die Reichen werden dann Strukturen und Systeme erfinden, wie sie den Ärmeren helfen, also wenn es um Gesundheitssysteme geht oder Bildung, dann gibt es da für uns jede Menge Chancen, wie wir auf andere Weise direkt helfen können, ohne dass der Staat sich da einmischt."

Wer und ob das dann jemand tut, kann er natürlich nicht garantieren, aber Sark ist für ihn auf dem richtigen Weg.

Die ärmeren Sarkees wünschen sich mehr Steuern

Das sehen übrigens nicht alle der Sarkees, die schon lange hier leben so. Einer von ihnen ist Jimmy, der die Inseltraktoren auf oft schlecht befestigten und unbeleuchteten Sandwegen fährt, weil es mangels Geld keine Infrastruktur gibt. Das Wahrzeichen der Insel, die schmale Landbrücke La Coupee z.B., die Sark mit einer angrenzenden Halbinsel verbindet, müsste neu befestigt werden, da das Fundament zunehmend vom Meerwasser zerfressen wird. "Ja klar, wir brauchen mehr Steuern und damit könnten wir auch sonst einiges reparieren hier und besser machen. Das müssen Profis machen und das ist teuer. Der Insel würde das sicher helfen", sagt Jimmy.

Vor allem die älteren auf Sark hätten schon gern so etwas wie eine staatliche Krankenversicherung. Jimmys Freundin Linda z.B., die mit über 70 noch immer Zimmer vermieten muss, um sich privat zu versichern, damit es ihr nicht ergeht wie Jimmy, als der vor ein paar Jahren eine Herz-OP  brauchte: "Die musste ich zwei Jahre lang abbezahlen. Wir verdienen hier alle nicht viel auf dieser Insel, wir arbeiten hart, aber solche Krankenversicherungen werden immer teurer und das kann sich nicht jeder leisten."

Linda hat nichts gegen die neuen Einwanderer, aber mehr helfen könnten sie schon: "Wir wissen ja, dass all diese neuen reichen Leute hierherkommen, weil unser Steuersystem so nett zu ihnen ist. Warum können die nicht zumindest ein bisschen mehr zahlen, Sark wäre dann ja immer noch günstig für sie.""Sie bringen sich eben auch nicht wirklich ein, sie kommen mit ihren Laptops und das ist es dann", erzählt Jimmy.

Erstmal soll alles bleiben, wie es ist

Was sagt eigentlich der Schlossherr von Sark zu alldem? Christopher Beaumont, der Seigneur, der für die Unabhängigkeit seiner Insel seit 1565 jährlich 20 Shilling an das Königshaus zahlt, was mittlerweile, da das nie an die Inflation angepasst wurde, knapp zwei Pfund pro Jahr macht: "1,79 um genau zu sein. Ja, das zahle ich jedes Jahr. Ich bekomme eine Rechnung vom Vollzieher ihrer Majestät in Guernsey, die ich dann pflichtgemäß begleiche."

Die Idee, in Zukunft mehr Steuern einzutreiben hält der Seigneur für kontraproduktiv: "Das ist doch eins der Dinge, die die Leute hier herziehen lassen, die der Bürokratie und zu großen Staatsapparaten entfliehen wollen. Unser Steuersystem muss deswegen unbedingt so bleiben. Was wir tun, wenn wir für konkrete Sachen Geld brauchen, das regeln wir dann individuell, indem wir im Einzelfall dafür Geld sammeln. Aber ansonsten: Keep it simple."

Im Pub, in dem seine "Untertanen" sich abends regelmäßig versammeln, ist man da skeptisch. Ganz grundsätzlich am System rütteln wollen aber auch Jimmy und die anderen Locals nicht. Sie sind dann eben doch auch Brit:innen.

"Ich denke, das System muss geändert werden, nicht mit riesig hohen Steuersätzen, aber ein bisschen mehr schon, man kann Bier und Zigaretten eben nur bis zu einem bestimmten Grad besteuern." "Wir haben so viele Dinge, die repariert und gemacht werden müssen, wir hangeln uns doch immer nur so gerade durch", sagen Jimmy und Paul.

Swen und seine Leute, "Swens people", wie sie die Sarkees nennen, sehen sich da vorläufig aber nicht in der Pflicht, Swen habe ja auch schon einiges getan für die Insel, sagen sie: "Ich sage immer gern, wir brauchen nicht mehr Steuern, wir brauchen mehr Steuerzahler auf Sark. Und die hab ich geliefert. Wir tragen jetzt hier zur Wirtschaft bei, was vorher gefehlt hat. Menschen, die Jobs herbringen und frische neue Energie."

Und so wird auf Sark vorerst wohl alles beim Alten bleiben, eine Insel auf der man sich selber helfen muss, wenn man hier leben will. Ein skurriles Überbleibsel aus feudalstaatlichen Zeiten, und eine der schönsten Inseln zwischen England und dem Kontinent.

Autorin: Annette Dittert/ARD Studio London

Stand: 23.10.2022 20:50 Uhr

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