So., 14.04.13 | 19:20 Uhr
Das Erste
Irak: Bombenjob in Bagdad
Der Falke ist wachsam und schlägt blitzschnell zu. Auf ihr Wappentier sind die „Falken von Bagdad“ stolz. 150 Männer, die Bomben entschärfen.
Haider Kazim ist seit sechs Jahren bei den „Falken“.
Haider Kazim:
Vor ein paar Jahren hat Haider mal 17 verschiedene Sprengsätze in einer einzigen Schicht entschärft. Üblicherweise explodieren die Bomben zwischen sieben Uhr morgens und vier Uhr nachmittags - da sind die meisten Menschen auf den Straßen, so die zynische Logik der Terroristen.
Jetzt haben Geschäftsleute aus der Nachbarschaft bei der Polizei angerufen: ein Auto steht schon seit Tagen da, niemand weiß, wem er gehört.
Ein gepflegter Sportwagen, vermutlich der ganze Stolz seines Besitzers.
Am Ende ist das Auto ruiniert, Sprengstoff findet Haider keinen. Falscher Alarm.
Das passiert oft, trotzdem darf die Aufmerksamkeit nicht nachlassen: es könnte auch eine echte Bombe sein.
Haider Kazim:
Manches Risiko blenden die „Falken“ einfach aus, weil sie es sowieso nicht ändern können. Polizei und Sicherheitskräfte werden gezielt von Al Kaida-Terroristen angegriffen.
Ferngezündete Autobomben am Straßenrand. Das Internet ist voll von solchen Filmen aus dem Irak.
Der Teddy mit dem Stethoskop ist das Lieblingstier von Ali Kharim, ein Kollege ein Haider. Mit 26 hat er bei den Falken angefangen, vor sieben Jahren. Jetzt ist er Bomben-Entschärfer und Sanitäter.
Ali Kharim:
Die Ehrengalerie. Alle tot. Terroristen verstecken meist mehr als einen Sprengsatz. Ein Falke machte vier unschädlich und übersah einen. Die beiden Söhne wachsen jetzt ohne Vater auf.
Er musste aufhören bei der Spezialeinheit. Mohamed Jabar erinnert sich noch, dass er nach dem Knall einen Arm und ein Bein neben sich liegen sah. Seit sieben Monaten lebt er von einer Minimalrente. Die Kameraden sammeln Geld für ihn, aber darüber reden sie nicht gerne.
Mohamed Jabar:
Es gäbe so viel zu tun in diesem Land. Doch der Irak erstickt in Korruption und Misswirtschaft. Die grünen und schwarzen Flaggen zeigen; in diesem Viertel leben Schiiten, aber von ihrem schiitischen Ministerpräsidenten haben die Menschen nicht profitiert. Ali Kharims Frau ist Lehrerin – und seit Jahren arbeitslos. Bei Saddam war alles besser, denken viele. Da gab es Arbeit und Sicherheit. Heute gebe es nur Chaos.
Fatima Khatar:
Stolz zeigt uns Ali einen Film aus dem irakischen Fernsehen. Er war dabei, als die Polizei einen Al Kaida-Mann festgenommen hat. In der Wohnung waren große Mengen Waffen, Sprengstoff und Bombenbauteile versteckt.
Ali Kharim:
Ein Bombenentschärfer bei der Spezialeinheit „Die Falken von Bagdad“ verdient umgerechnet 850 Euro im Monat. Zwischen den Einsätzen vertreiben sich die Männer die Zeit mit Fernsehen, Rumsitzen und ihren Mobiltelefonen. Die meisten Einsätze werden mitgefilmt. Vor allem die erfolgreichen. Kiloweise Sprengstoff war in diesem Autowrack versteckt. Der Sprengsatz hätte per Handy-Fernzündung ausgelöst werden sollen. Manchmal warten die Terroristen, bis der Bomben-Entschärfen bei der Arbeit ist.
Ein „Falke“ wird man erst mit Zeit, meint Haider. Am Anfang nahm er den Job, weil es keinen anderen gab. Aber heute sagt er: wir müssen die Menschen doch vor den Terroristen schützen.
Haider Kazim:
Wieder ein verdächtiger Gegenstand, am Mittelstreifen der Stadtautobahn. Die Straße wird komplett gesperrt.
Der Roboter kommt zum Einsatz, Baujahr 1982, ein Geschenk der US-Army . Ersatzteile gibt es keine mehr, und er fällt auch oft aus, dann müssen die Männer selber vor.
Schließlich stellen sie fest: doch keine Bombe, nur ein leerer Kanister. In einem Land, in dem überall eine Bombe versteckt sein könnte, ist alles verdächtig.
Wenig später rollt der Verkehr schon wieder, Alltag in Bagdad. Bis zum nächsten Alarm.
Autor: Volker Schwenck
ARD Studio Kairo
Stand: 22.04.2014 13:48 Uhr
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