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Irak: Bombenjob in Bagdad

Irak: Bombenjäger von Bagdad | Bild: WDR
Ein Falke
Ein Falke



Der Falke ist wachsam und schlägt blitzschnell zu. Auf ihr Wappentier sind die „Falken von Bagdad“ stolz. 150 Männer, die Bomben entschärfen.

Haider Kazim ist seit sechs Jahren bei den „Falken“.

Haider Kazim:

»Meine Familie weiß, dass mein Beruf gefährlich ist. Wenn wir morgens das Haus verlassen, dann wissen wir nicht, ob wir wiederkommen.«

Vor ein paar Jahren hat Haider mal 17 verschiedene Sprengsätze in einer einzigen Schicht entschärft. Üblicherweise explodieren die Bomben zwischen sieben Uhr morgens und vier Uhr nachmittags - da sind die meisten Menschen auf den Straßen, so die zynische Logik der Terroristen.

Jetzt haben Geschäftsleute aus der Nachbarschaft bei der Polizei angerufen: ein Auto steht schon seit Tagen da, niemand weiß, wem er gehört.

Ein gepflegter Sportwagen, vermutlich der ganze Stolz seines Besitzers.

Am Ende ist das Auto ruiniert, Sprengstoff findet Haider keinen. Falscher Alarm.

Das passiert oft, trotzdem darf die Aufmerksamkeit nicht nachlassen: es könnte auch eine echte Bombe sein.

Haider Kazim:

»Natürlich müssen wir Angst haben. Damit du heil da wieder raus kommst, musst du die Angst spüren. Das ist unsere Arbeit, unsere Pflicht. Wir wissen wirklich, was Angst bedeutet. «

Manches Risiko blenden die „Falken“ einfach aus, weil sie es sowieso nicht ändern können. Polizei und Sicherheitskräfte werden gezielt von Al Kaida-Terroristen angegriffen.

Autobombe
Autobombe

Ferngezündete Autobomben am Straßenrand. Das Internet ist voll von solchen Filmen aus dem Irak.

Der Teddy mit dem Stethoskop ist das Lieblingstier von Ali Kharim, ein Kollege ein Haider. Mit 26 hat er bei den Falken angefangen, vor sieben Jahren. Jetzt ist er Bomben-Entschärfer und Sanitäter.

Ali Kharim:

»Ich habe noch eine Schutzweste von einem Kollegen, der mir viel bedeutet hat. Da klebt noch sein Blut daran. Wir haben damals getan, was wir konnten. Aber er starb nach vier Tagen im Krankenhaus.«

Die Ehrengalerie. Alle tot. Terroristen verstecken meist mehr als einen Sprengsatz. Ein Falke machte vier unschädlich und übersah einen. Die beiden Söhne wachsen jetzt ohne Vater auf.

Er musste aufhören bei der Spezialeinheit. Mohamed Jabar erinnert sich noch, dass er nach dem Knall einen Arm und ein Bein neben sich liegen sah. Seit sieben Monaten lebt er von einer Minimalrente. Die Kameraden sammeln Geld für ihn, aber darüber reden sie nicht gerne.

Mohamed Jabar:

»Wenn Du jemanden in Rente schickst, dann ist das wie eine Hinrichtung. Das ist die Wahrheit. Rente ist was für einen arbeitsunfähigen Menschen oder einen Alten. Was bekommt man da – nur einen symbolischen Betrag. 250.000 Dinar im Monat, 160 Euro.«

Es gäbe so viel zu tun in diesem Land. Doch der Irak erstickt in Korruption und Misswirtschaft. Die grünen und schwarzen Flaggen zeigen; in diesem Viertel leben Schiiten, aber von ihrem schiitischen Ministerpräsidenten haben die Menschen nicht profitiert. Ali Kharims Frau ist Lehrerin – und seit Jahren arbeitslos. Bei Saddam war alles besser, denken viele. Da gab es Arbeit und Sicherheit. Heute gebe es nur Chaos.

Fatima Khatar:

»Die Situation ist schlecht. Wegen der ganzen Anschläge. Für uns alle. Sobald man das Haus verlässt, ist es unsicher. «

Stolz zeigt uns Ali einen Film aus dem irakischen Fernsehen. Er war dabei, als die Polizei einen Al Kaida-Mann festgenommen hat. In der Wohnung waren große Mengen Waffen, Sprengstoff und Bombenbauteile versteckt.

Ali Kharim:

»Vor der Hochzeit wusste meine Frau nicht, dass ich diesen Beruf habe. Sie hat die Wahrheit erst danach erfahren. Wenn ich das Haus verlasse, dann ist sie sehr besorgt. Sie hat jedes Mal Angst, mich zu verlieren.«

Bombenentschärfer, Spezialheinheit "Die Falken von Bagdad"
Bombenentschärfer, Spezialheinheit "Die Falken von Bagdad"

Ein Bombenentschärfer bei der Spezialeinheit „Die Falken von Bagdad“ verdient umgerechnet 850 Euro im Monat. Zwischen den Einsätzen vertreiben sich die Männer die Zeit mit Fernsehen, Rumsitzen und ihren Mobiltelefonen. Die meisten Einsätze werden mitgefilmt. Vor allem die erfolgreichen. Kiloweise Sprengstoff war in diesem Autowrack versteckt. Der Sprengsatz hätte per Handy-Fernzündung ausgelöst werden sollen. Manchmal warten die Terroristen, bis der Bomben-Entschärfen bei der Arbeit ist.

Ein „Falke“ wird man erst mit Zeit, meint Haider. Am Anfang nahm er den Job, weil es keinen anderen gab. Aber heute sagt er: wir müssen die Menschen doch vor den Terroristen schützen.

Haider Kazim:

»Natürlich denkt man oft daran , den Beruf zu wechseln. Aber unser Land ist wichtig. Wir denken hier immer daran: bleibt es unser Land – oder wird es das Land der Terroristen. «

Wieder ein verdächtiger Gegenstand, am Mittelstreifen der Stadtautobahn. Die Straße wird komplett gesperrt.

Der Roboter kommt zum Einsatz, Baujahr 1982, ein Geschenk der US-Army . Ersatzteile gibt es keine mehr, und er fällt auch oft aus, dann müssen die Männer selber vor.

Schließlich stellen sie fest: doch keine Bombe, nur ein leerer Kanister. In einem Land, in dem überall eine Bombe versteckt sein könnte, ist alles verdächtig.

Wenig später rollt der Verkehr schon wieder, Alltag in Bagdad. Bis zum nächsten Alarm.

Autor: Volker Schwenck

ARD Studio Kairo

Stand: 22.04.2014 13:48 Uhr

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Westdeutscher Rundfunk
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