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Frankreich: Kampf gegen Glibbermonster

Eroberungszug durch Menschen

Frankreich: Kampf gegen Glibbermonster | Bild: WDR

Sie sind schön, unheimlich schön – und sie kommen millionenfach.

Wir Menschen ahnen noch nicht, wie sehr sie unsere Welt verändern.

Die Invasion der Quallen – manche versuchen sie auszusperren – andere meinen: Es hilft nur aufessen.

Fabien Lombard beobachtet die Tiere seit Jahren: Blumen aus dem Weltall – so beschreibt sie der Ozeanforscher aus dem französischen Villefranche-sur-Mer. Ohne Knochen, ohne Gehirn – und doch unaufhaltsam auf dem Vormarsch.

Fabien Lombard, Meeresbiologe Villefrance sur Mer 

»Man kann nicht sagen, dass die Quallen die Welt erobern wollen, weil sie im Prinzip einfache Organismen ohne Willen sind. Aber wir Menschen schaffen ihnen Bedingungen, die ihre Ausbreitung sehr, sehr begünstigen – überall auf der Welt.«

Quallen im Mittelmeer
Quallen im Mittelmeer

Zuerst gemerkt hat man das hier: Das Baden im Mittelmeer ist längst kein ganz unbeschwertes Vergnügen mehr. Pelagia noctiluca, die Leucht – oder Feuerqualle ließ sich früher alle paar Jahre blicken – heute ist sie mit ihren unsichtbaren Tentakeln ein dauerhaftes Ärgernis.

»Mich hat so eine Qualle schon mal gestochen, es ist wirklich unglaublich schmerzhaft und hinterlässt Narben. Es ist wie eine Verbrennung.

Am schlimmsten ist es, wenn es die Kinder erwischt. Dann ist der ganze Urlaub verdorben und es heißt: Ab in die Apotheke, Creme kaufen, weg vom Strand.

Es gibt so viele Quallen. Deshalb finde ich es gut, dass sie jetzt diese Barriere errichtet haben. Die stört zwar die schöne Aussicht - aber das ist besser, als gestochen zu werden.«

Eine Barriere, genau. Im französischen Cannes stellt man sich dauerhaft auf Quallen ein. Wie bei einer Ölpest schwimmt ein gelber Schlauch vor dem Strand. Ein Anti-Quallen-Netz soll die Tiere fern – und damit die Touristen in der Stadt halten. Montage, Reinigung – viele zehntausend Euro lässt sich Cannes das Netz gegen die schmerzenden Glibbertiere jedes Jahr kosten.

Fabien Lombard kann darüber nur lächeln. Auf seinen Kontrollfahrten sieht er, wie die Quallenbestände jedes Jahr zunehmen. Eine Invasion, so sagt er, die wir selbst herbeigeführt haben – nicht nur durch Klimawandel, sondern vor allem durch zu viel Fischfang.

Fabien Lombard, Meeresbiologe Villefrance sur Mer

»Wissen Sie: Je weniger Fische es im Mittelmeer gibt, desto mehr Platz ergibt sich für die Quallen. Denn die Fischen fressen normalerweise die kleinen Quallen. Wir ziehen also die Feinde, die Konkurrenten der Quallen systematisch aus dem Meer. Und die Quallen breiten sich dann aus: Japan, Atlantik, Mittelmeer, Nordsee – überall auf der Welt. Einfach weil die Fischer, weil wir zu viel Fisch aus dem Meer ziehen.«

Doch genau jene Fischer könnten bei der Lösung des Quallenproblems helfen. Der Kutter von Gilbert Dubiosi wirkt groß – doch ein kleiner Eimer Fische ist alles, was er heute an Land bringt. Ein Baracuda, ein Barsch, ein paar Klippfische. Quallen sagt er, seien immer im Netz – aber die werfe er zurück ins Meer.

Gilbert Dubiosi, Fischer in Cannes

»Wir sind doch keine Chinesen, die so was essen. Wir Franzosen haben schöne Würste aus Straßburg. Wir haben eine tolle Fischsuppe, eine Bouillabaise oder ein Wild-Ragout. Aber Quallen, die lassen wir den Chinesen.«

Die Frage ist, ob sich das ändern muss. Statt Netze gegen Quallen empfahl die Welternährungsorganisation kürzlich: Netze für Quallen.

Die Glibbertiere, so sagen Experten bräuchten schnell wieder einen Feind in der Nahrungskette: Was sie damit meinen: Wir Menschen sollen Quallen essen.

Fabien Lombard, Meeresbiologe Villefrance sur Mer

»Quallen können eine sehr interessante und bedeutsame Eiweißquelle für die Menschheit werden. Das ist hochwertige Nahrung. Statt die Fische, die immer weniger werden, immer weiter und weiter zu jagen, wäre es sinnvoll, Quallen zu fischen.«

Quallen zum Abendessen? In diesem chinesischen Restaurant in Paris werden sie schon serviert. Voila: Qualle frisch vom Markt – ein bisschen wie dicke Kohlblätter.

Zhang Zhe,Restaurant „Les Pates vivantes“

Zhang Zhe Restaurant "La Patte vivante"
Zhang Zhe Restaurant "La Patte vivante"

»In China sind Quallen ein Alltagsgericht. Auch, weil sie billig sind, nicht wie Hummer oder so. Fünf bis acht Euro das Kilo. Das kann sich jeder leisten.«

Die Zubereitung ist keine Hexerei, versichert uns Herr Wie-Chang, der Koch. Einfach kleinschneiden. Wichtig sei: Qualle isst man mit Gurke, jedenfalls in China. Dazu Ingwer, und Sojasauße. Schön angerichtet eigentlich genau das, was gesundheitsbewusste Pariserinnen suchen: Viel Eiweiß, wenig Fett. Der Quallen-Salat auf chinesische Art. Etwa 30 Mal am Tag wird der hier bestellt.

Zhang Zhe, Restaurant „La Patte vivante“

»Der Salat hat ein sehr natürlichen, reinen, frischen Geschmack. Die Qualle selbst schmeckt ja nach nicht so viel, sie besteht aus viel Wasser. Die Leute brauchen keine Angst haben – auch wenn das Wort Qualle immer ekelig wirkt.«

Eine Bewertung, die auch der Reporter nur bestätigen kann: Nicht glibberig, sondern knackig ist die Qualle, wie eine dünne Karottenscheibe. Und das Ganze mit einem herrlichen Meeresgeschmack.

Doch ist essen die Lösung – für die Invasion der Quallen? Muss der Mensch zum Raubtier werden – dieser schaurig-schönen Tiere? Eine interessante Perspektive auf jeden Fall: Was da täglich an Frankreichs Stränden angespült wird, wäre dann nicht mehr glibberiger Müll – sondern frische, natürliche Lebensmittel.

Autor: Markus Preiß, ARD Studio Paris

Stand: 15.04.2014 11:06 Uhr

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Westdeutscher Rundfunk
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