So., 21.04.13 | 19:20 Uhr
Das Erste
Namibia: Wildschutz statt Wilderei
Erschossene Elefanten, denen die Stoßzähne abgesägt wurden, gemeuchelte Nashörner, deren Horn herausgebrochen wurde: Wilderei im südlichen Afrika ist ein einträgliches Geschäft krimineller Banden und trauriger Alltag in den Nationalparks. Nicht so allerdings in Namibia. Dort profitiert die lokale Bevölkerung von den Nationalparks. Kommunen, Dörfer und Gemeinschaften werden an deren Einnahmen beteiligt und zeigen so ein großes Eigeninteresse, die Tiere zu schützen. Ein Vorbild für das südliche Afrika ?
Eine Reportage von Ulli Neuhoff, ARD Johannesburg
Im Prinzip macht Ronald genau das gleiche wie sein Vater früher vor 20 Jahren. Er beobachtet und spürt auf. Sein Vater galt noch als Wilderer. Jetzt vermehren sich die Wüstenelefanten wieder. „Von Anbeginn der Zeit lebten wir mit den wilden Tieren zusammen“ sagt der Wildhüter Ronald Karutjaiva. „Sie müssen in der Gegend bleiben, für unsere Kinder, damit sie die auch sehen können.“ Spurenlesen ist Teil der Familienkultur, sein Wissen erwarb Ronald von Vater und Großvater. Frische Löwenspuren. Dass er für seine Streifzüge Geld bekommt von der Naturschutzbehörde, macht den Unterschied. Ein Elefantenkadaver, mehrere Wochen liegt er wohl schon hier. Die Löwen waren es nicht, Wilderer vielleicht? „Nein“, sagt Ronald, „ich glaube auch nicht dass er wegen der Trockenheit gestorben ist, vielleicht war er krank oder so was.“ Wilderer gibt es nicht mehr in dieser Region, seit dem die sie hier arbeiten. Sie halten die Augen auf und sammeln Daten in einem Lebensraum, den sich die Menschen hier mit den Tieren teilen.
Im benachbarten Südafrika wird dagegen ein Negativ-Rekord nach dem anderen gebrochen. Nashörner, 668 waren es 2012, abgeschlachtet ihrer Hörner wegen. Wilderer, die jedes Jahr brutaler vorgehen. Hilflos die Versuche dort sie zu stoppen. Es liegt wohl auch an der engen Zusammenarbeit von Naturschutz und den lokalen Gemeinden, dass Namibia dieses Problem nicht hat. John und seine Wildhüter zeigen sich und reden. Wenn Haustiere wie Ziegen von Löwen gerissen werden, gibt es Entschädigung vom Staat. „Er hat einen Vorfall gemeldet und der wurde auch angenommen“, sagt John Kenena Kasaona von der Naturschutzbehörde in Namibia. Aber Fall wurde wohl noch nicht von den richtigen Stellen bearbeitet, daher kommt die Verzögerung. Er will jetzt wissen was passiert.“ Dass solche Dinge vertrauensvoll diskutiert werden, liegt auch daran, dass die Wildhüter aus dem eigenen Dorf kommen. Man kennt sich und mittlerweile ist Vertrauen gewachsen. „Früher lebten wir auch mit den Löwen, aber wenn ein Löwe eines unserer Tiere riss, dann haben wir ihn dafür getötet, mit Pfeil und Bogen, gefährlich war das“, so Botes Kasaona.
Jetzt kümmern sich die Wildhüter um solche Dinge. Und Haustiere, wie die Ziegen, gibt es eher zu viele als zu wenige. Hier im Gemeindeland. Überweidung ist ein Problem im trockenen Nordwesten des Landes. Als Namibia das Wildmanagement einführte ging es darum das Miteinander von Haus- und Wildtieren zu organisieren. Ziel ist nicht mehr, dass sich die Wildbestände grenzenlos vermehren. Jagen ist Teil des Naturschutzes, es geht darum die Zahlen stabil zu halten. „Das Futter für Haustiere und für das Wild wird weniger, und ich glaube, wenn wir die Farmer anhalten die Zahl ihrer Tiere zu reduzieren, dann wird auch von uns erwartet, dass das gleiche für die Wildtiere gilt“, so John Kenena Kasaona. Dieser Ansatz überzeugte immer mehr. Mittlerweile folgen 74 Gemeinden dem Beispiel von Warmquelle, der ersten Gemeinde die 1996 mitmachte. Ein Projekt, bei dem alle gewinnen, so scheint es. Die Tiere, der Staat und vor allem die Menschen. „Mehr als 15 Menschen aus der Community arbeiten für das Projekt, haben jetzt einen Job und wir bekommen noch andere direkte Leistungen, zum Beispiel wird Wildfleisch an uns verteilt“, sagt Steve Kaisuma, vom Vorstand der Gemeinde. „Unser Einkommen steigt, jetzt gibt es Jobs im Tourismus. In der Lodge und auf dem Zeltplatz. Endlich Jobs, die gab es früher nie“ meint Alexa Tjiseua.
Auch in Südafrika leben viele vom Safari-Tourismus. Der entscheidende Unterschied: Die Zäune. Das wilde Afrika wird vom zivilisierten Teil abgetrennt. Selbst im Krügernationalpark wurden Menschen umgesiedelt, damit Mensch und Tier sich nicht stören. Man fährt in den Park, lebt dort nicht. Besucher bleiben im Auto, aussteigen dürfen sie nur in den Restaurants. Das ist wie im Zoo, egal wie groß das Gehege ist, spotten sie über diese Politik in Namibia. Das Nashorn mit dem Kalb ist da rüber gegangen. John auf Spurensuche. Der Wind steht günstig, das Spitzmaul-Nashorn und ihr Kalb können uns nicht riechen. Bis auf 30 Meter kommen wir heran.
Das ist Namibia, nichts ist eingezäunt, die Menschen leben in der Wildnis, mit den wilden Tieren. „Die lokalen Gemeinden haben viel Augen und viele Ohren“, sagt John Kenena Kasaona. „Und wenn sie das Land als ihres betrachten, als ihr eigener Lebensraum, dann wird niemand es zulassen, dass ihre Nashörner oder Elefanten, oder sogar Löwen abgeschossen werden.“ Ein einziges Nashorn wurde bisher in Namibia gewildert, in Südafrika sind es alleine in diesem Jahr schon über 200.
Stand: 22.04.2014 13:47 Uhr
Kommentare