So., 25.02.24 | 18:30 Uhr
Das Erste
Senegal: Proteste nach Wahlverschiebung
Sie wollen eine neue Regierung. Seit Monaten demonstrieren vor allem junge Senegalesen. Anfang Februar eskalieren die Proteste, nachdem der Präsident die anstehende Wahl kurzfristig auf Dezember verschiebt. Drei Menschen werden bei den Protesten getötet, Hunderte verletzt. "Präsident Macky Sall ist ein Diktator", ruft die Menge. “Macky Sall muss weg. Die Jugend und das Land haben ihm die Macht gegeben. Jetzt missbraucht er seine Macht, um gegen uns zu kämpfen. Mit dieser Sklaverei muss Schluss sein", sagt eine Demonstrantin.
Präsident Macky Sall galt als Hoffnungsträger der Jugend
Bei den Wahlen 2012 galt Macky Sall als der Hoffnungsträger der Jugend. Jetzt wendet sie sich von ihm ab. Das Durchschnittsalter im Senegal liegt bei 19 Jahren. Jedes Jahr drängen 200.000 Menschen neu auf den Arbeitsmarkt. "Wir freuen uns auf die Wahl und wir hoffen auf einen Wandel. Macky Sall war jetzt zwölf Jahre an der Macht. Er hat nicht geliefert, was wir von ihm erwartet hatten. Deshalb wollen wir dieses Jahr einen Wechsel", meint der arbeitslose Mbagnick Sall.
Seit Jahren drangsaliert die Regierung die Opposition. Nur ein Viertel der Präsidentschaftskandidaten wurden zur Wahl zugelassen. Hunderte Aktivisten befinden sich im Gefängnis. Vergangene Woche erklärt das oberste Gericht die Wahlverschiebung für verfassungswidrig. Zeitgleich kommen etliche Oppositionelle frei, auch Ousmane Diouf, der acht Monate in Haft verbringen musste.„Ich habe mir immer gesagt, ich habe doch nichts gemacht. Es gab keinen Grund für meine Verhaftung. Das ist doch unfassbar in einem demokratischen Land. Wir fordern die Freilassung unserer Kameraden – vor allem Ousmane Sonko.“
Ousmane Sonko galt als der aussichtsreichste Oppositionskandidat bevor er wegen eines dubiosen Missbrauchsvorwurfs und angeblicher Gefährdung der Staatssicherheit verhaftet wurde. Auch etliche seiner Mitstreiter sitzen noch in Haft, seine Partei wurde verboten. "Die gesamte Krise, die der Senegal in den vergangenen zwei Jahren erlebt hat, hängt damit zusammen, das ein Teil der Wählerschaft ihres Kandidaten beraubt wurde. Der Präsident hat zunehmend versucht, die Opposition zurückzudrängen", erklärt Ibrahima Kane, Analyst der Open Society Initative for West Africa.
Verfassungsgericht bremst Macky Sall aus
Macky Sall selbst kann – nach zwei Amtszeiten – nicht noch einmal antreten. Als Kandidat zu seiner Nachfolge hat er den als farblos geltenden Premierminister Amadou Ba nominiert. Aber der Versuch des Präsidenten die politischen Geschicke seines Landes auch darüber hinaus weiter bestimmen zu wollen, ist gescheitert. "Das Urteil des Gerichts war eine klare Entscheidung. Es hat das senegalesische Markenimage – die Demokratie – wiederhergestellt. Es hat den Glauben an die Justiz wiederhergestellt, und es wurde von der gesamten Bevölkerung angenommen", sagt Ibrahima Kane.
Viele Senegalesen fürchten, die politische Krise könnte ihr Land auch in den wirtschaftlichen Ruin treiben. Dabei erlebt die Hauptstadt Dakar etwa einen Bauboom. Aber ziehen sich internationale Investoren jetzt zurück? Das Verfassungsgericht hat die Lage erst einmal befriedet und angeordnet, dass bald gewählt werden muss. Jedenfalls noch vor dem 2. April und damit vor Ablauf der Amtszeit von Macky Sall.
Autorin: Caroline Imlau, ARD-Studio Nairobi
Stand: 25.02.2024 20:37 Uhr
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