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Saudi-Arabien: Frauen in Haft

Saudi-Arabien: Frauen in Haft | Bild: SWR

Sie kämpften dafür, endlich auch in ihrer Heimat Autofahren zu dürfen. Der Kronprinz Mohammed bin Salman gewährte es schließlich, doch gleichzeitig ließ er die Aktivistinnen verhaften. So etwa Loujain al-Hathloul, sie sitzt mittlerweile seit 12 Monaten in Haft, für ein einfaches Vergehen: sich öffentlich für Frauenrechte eingesetzt zu haben. Die Familie kämpft um Loujain al-Hathlouls Freilassung. Ute Brucker, SWR

Loujain al-Hathloul
Loujain al-Hathloul: seit über einem Jahr in Haft | Bild: SWR

"Hallo, ich bin Loujain al-Hathloul, ich fahre Richtung saudische Grenze, mal sehen, was passiert", sagt Loujain al-Hathloul in einem selbstgedrehten Video. Nach dieser verbotenen Fahrt landete Loujain zum ersten Mal im Gefängnis, 2014. Als sie freikam, kämpfte sie weiter gegen das Fahrverbot und die männliche Vormundschaft in Saudi-Arabien. 2018 arbeitete sie in Dubai.

Lina, ihre jüngere Schwester, die in Brüssel lebt, erzählt uns, was dann geschah. "Im März 2018 wurde meine Schwester aus Dubai entführt. Man hat sie von der Strasse verschleppt und nach Saudi-Arabien gebracht. Sie musste dort bleiben, bekam Ausreiseverbot. Im Mai kam die Polizei dann mit Gewalt in unser Haus und hat sie festgenommen."

Elektroschocks und Peitsche im Gefängnis

"In Saudi-Arabien dürfen Frauen seit heute Autofahren." Mit dieser Meldung im vergangenen Juni bekommt Saudi-Arabien die ersehnte Positiv-Presse in aller Welt und schöne Bilder: saudische Polizisten verteilen auf der Straße Rosen. Doch genau zu dieser Zeit sitzen Loujain und ungefähr ein Dutzend andere Aktivistinnen bereits im Gefängnis. Ohne Kontakt zur Außenwelt. Internationale Menschenrechtsorganisationen protestieren. Doch es kommt noch schlimmer. Als ihre Eltern Loujain später im Gefängnis besuchen dürfen, bricht sie zusammen und erzählt, sie sei gefoltert worden.

Nachrichtensprecher der Tagesschau im Studio
Das Fahrverbot für Frauen wurde aufgehoben | Bild: SWR

Die Familie wendet sich an die Öffentlichkeit. Schwester Lina bei einer großen Konferenz in New York: "Diese Dinge musste meine tapfere und widerstandsfähige Schwester erleiden. Sie wurde geschlagen, bis ihre Schenkel voller blauer Flecke waren. Sie wurde ausgepeitscht. Sie haben Waterboarding mit ihr gemacht. Elektroschocks. Sie haben ihr gedroht, sie würden sie vergewaltigen und töten."

Solche und andere grausame Informationen bekommt der saudische Menschenrechtsanwalt Yahya Al Assiri in London seit Jahren zugespielt. Aber jetzt sei die Lage schlimmer als je zuvor. "Diktaturen nutzen Folter normalerweise, um aus Leuten Informationen herauszupressen. Aber diese Frauenrechtlerinnen haben doch gar nichts zu verbergen. Was sie machen ist ja öffentlich. Für die Folter gab es also keinen Grund. Es sei denn, das Regime wollte sich an den Frauen rächen."

Drohung mit der Todesstrafe

Al Assiri hat politisches Asyl in Großbritannien, seine kleine Organisation hält Kontakt mit Informanten in der Heimat. So verfolgen sie auch den Gerichtsprozess gegen Loujain und die anderen Frauenrechtlerinnen, der im März begann. Einige kamen vorläufig aus dem Gefängnis frei, aber alle warten auf das Urteil. "Zuerst haben sie Loujain und den anderen gesagt, es drohe ihnen die Todesstrafe. Hinrichtung. Später hieß es dann, Ihr werdet freigelassen, ihr seid unschuldig. Als der internationale Druck stieg, wegen des Mords an Jamal Kashoggi."

Plakat mit saudischen Aktivistinnen
Neben Loujain al-Hathloul sitzen noch andere Frauenrechtlerinnen im Gefängnis | Bild: SWR

Der Mord an dem Journalisten Kashoggi, im Oktober 2018 in der saudischen Botschaft in Istanbul wurde mutmaßlich geplant vom Berater des saudischen Kronprinzen Saud Al Qahtani. Genau derselbe Mann führte auch die Aufsicht über die Folterverhöre mit Loujain Al-Hathloul. Das erzählt uns Loujains ältere Schwester Alia, auch sie lebt in Brüssel. "Es fällt mir nicht leicht das zu sagen. Aber es schmerzt uns, dass der Mann, der meiner Schwester gedroht hat, sie zu töten, immer noch frei herumläuft."

Loujains Eltern und weitere Geschwister dürfen nicht mehr aus Saudi-Arabien ausreisen. Ständig erhalten sie Warnungen, sie sollten nicht mehr über Loujain sprechen. Sie gehen das Risiko trotzdem ein, weil sie denken, Öffentlichkeit, internationaler Druck, sei das Einzige was ihr helfen könne.

Den Staat in Frage gestellt

London, am Jahrestag der Inhaftierungen, Yahya Al Assiri bei einer gemeinsamen Solidaritätsveranstaltung mit Amnesty International. Immer noch stellt sich die Frage, was wird den Frauen eigentlich vorgeworfen? Die offizielle Anklage bei Loujain lautet: Kontakt mit Journalisten, mit internationalen Organisationen, Informationsweitergabe. Kein Verbrechen, sollte man meinen. "Die Frauen wurden nicht verhaftet, weil sie Frauen waren", sagt die saudische Dokumentarfilmemacherin Safa Al Ahmad, "oder sich für das Recht auf Autofahren eingesetzt haben. Sondern weil sie es wagten, den Staat in Frage zu stellen. Weil sie sich organisiert haben und für Reformen eingetreten sind."

Yahya al Assiri lebt mit seiner Familie in Großbritannien. Früher war er Offizier der saudischen Luftwaffe und engagierte sich heimlich für Menschenrechte. Wäre er aufgeflogen, hätte ihm die Todesstrafe gedroht. Also verließ er Saudi-Arabien. Doch der Arm des saudischen Regimes reicht bekanntlich auch ins Ausland. Fühlt sich die Familie sicher? "Am wichtigsten ist es, ständig Kontakt mit der britischen Regierung zu halten. Sie ist der Garant unserer Sicherheit. Ich selbst, kann mich nicht schützen." Ein mutiger Unterstützer für eine mutige Frau. Loujain Al-Hathlouls Familie hofft sehr, dass sie nach mehr als einem Jahr Haft doch noch freigesprochen wird.

Stand: 20.05.2019 11:16 Uhr

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