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Russland: Putins Gaspoker

Russland: Hohe Gaspreise – welchen Kurs fährt das Land?
Russland: Hohe Gaspreise – welchen Kurs fährt das Land? | Bild: REUTERS / Vladimir Soldatkin

Gas aus den Weiten Sibiriens. In den Siebzigern wurde die erste Röhre verlegt – die ARD berichtete damals beinahe ehrfürchtig: "Das technische Abenteuer Gaspipeline aus Sibiren ist das bisher größte West-Ost-Geschäft." Technisches Abenteuer – und politisches Wunder. Der Gashandel funktionierte. Egal, wie frostig es war zwischen Ost und West. Man trennte Politik und Wirtschaft und kam klar.

Ein guter Preis für Freunde

Heute ist das nicht mehr so einfach. Denn Moskau, sagen seine Kritiker:innen, macht mit Gas Politik. In der moldauischen Hauptstadt Chisinau sind sie davon fest überzeugt. Hier ist es nachts jetzt dunkler als sonst – Moldau muss sparen. Selbst der Regierungssitz wird kaum beleuchtet. Strom erzeugen sie hier aus Gas und das Gas liefert Russland. Bislang gab es das spottbillig, zum Feundschaftspreis – ausgehandelt von einer moskautreuen Regierung. Die ließ man sogar Schulden machen, sagt der Energieexperte Sergiu Tolilat: "Damals waren die Rückzahlung von Schulden oder Marktpreise nie ein Thema. Aber seit diesem Jahr haben wir in Moldau eine neue pro-westliche Regierung. Und Russlands gaskonzern Gazprom will den Preis plötzlich am Weltmarkt orientieren."

Der alte Vertrag endet heute. Im Krisenzentrum haben sie bis zur letzen Minute gebangt, ob es einen neuen geben wird. Haben rund um die Uhr auf die Monitore gestarrt, ob Russland noch liefert. Erst am Wochenende dann die Nachricht: Es gibt eine Einigung, Russland liefert weiter. Für deutlich mehr Geld als bislang. Unklar, wie Moldau das bezahlen soll, das Land ist eines der ärmsten in Europa und zu hundert Prozent abhängig von Gas aus Russland. Die alten Schulden soll nun die neue Regierung abzahlen. Wie, das wird noch verhandelt.

Viele in Moldau glauben, Russland mache jetzt Druck, um wieder mehr Einfluß zu erhalten. "Die haben natürlich ihre Interessen, dass ist verständlich. Wir sind in der schwächeren Position, wir können fast nichts tun. Wir versuchen standzuhalten, nicht einzuknicken gegenüber Russland", sagt eine Frau und ein Mann ergänzt: "Russlands Problem war immer, dass sie über die Wirtschaft ihre politischen Probleme lösen wollen. Ich denke, dass ist auch jetzt so. Seitdem unsere Präsidentin sich zur Krim geäußert hat und gesagt hat, die Krim gehöre zur Ukraine – danach ging es doch los."

Putin dementiert politische Motivation

Russlands Präsident sieht das völlig anders. Man nutze Gas nicht als politisches Instrument. Beim Energiegipfel vor zwei Wochen reagierte er heftig auf den Vorwurf: "Sie erwähnen die Anschuldigung, wir würden Gas als Waffe zu benutzen. Das ist völliger Schwachsinn, das sind Hirngespinste, das ist politisch motiviertes Gelaber. Ohne jegliche Grundlage."

Dennoch wächst die Sorge, vor allem in Deutschland. Kein anderes Land kauft so viel Gas in Russland. Das meiste fließt über die Nordstream-Pipeline, es kommt von der sibirischen Halbinsel Jamal. Von dort strömt es unter der Ostsee direkt nach Deutschland und vermeidet das Transitland Ukraine. Denn Russland will den ungeliebten Nachbarn möglichst umgehen. Auch deshalb ist die fertig gebaute zweite Ostsee-Röhre umstritten. Die EU zögert mit der Genehmigung von Nordstream 2.

Da hilft es, dass Gas gerade knapp ist und teuer. Moskau ist zwar nicht Schuld daran. Doch die Gasknappheit lässt sich wunderbar nutzen. Gasprom will im November mehr liefern. Sehr viel mehr könne man dann liefern, wenn Nordstream 2 genehmigt werde. Dass Europa in Zukunft ganz raus will aus den fossilen Brennstoffen, dürfte Putin beunruhigen. Beim Abschiedsbesuch der Kanzlerin ließ er sich jedoch nichts anmerken. Im Gegenteil: "Der Gasverbrauch steigt. Und ich hoffe, das wird in den nächsten Jahren so bleiben. Es gibt keine verlässlichere Energiequelle als russisches Gas."

In Moldau soll ab morgen das Gas wieder fließen. Gut möglich, dass das kleine Land neben höheren Preisen auch politische Zugeständnisse machen musste – die Details des Vertrags sind nicht bekannt.

Autorin: Ina Ruck/ARD Studio Moskau

Stand: 31.10.2021 20:37 Uhr

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