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Nordirland: Schlussstrich unter Bürgerkrieg

Nordirland: Schlussstrich unter Bürgerkrieg | Bild: Sven Lohmann / ARD London

Raymond McCords Sohn wurde hier ermordet von protestantisch-britischen Paramilitärs damals im Nordirland-Konflikt: "An die Stelle hier haben sie ihn verschleppt und umgebracht. Sie haben mit Steinen so lange auf seinen Kopf geschlagen, bis er tot war." Eine Hinrichtung. Die Paramilitärs hielten seinen Sohn wohl für einen Verräter in der eigenen Gemeinde. Das war vor 26 Jahren.

Raymond sagt, er kenne die mutmaßlichen Täter. Er lebe mit ihnen in derselben Gegend. Noch immer vergeht keine Woche ohne einen Besuch auf dem Friedhof. Niemand wurde bisher verurteilt. Und nun hat die Regierung per Gesetz verfügt, dass Straftaten im Zusammenhang mit dem Nordirland-Konflikt nicht mehr verfolgt werden. Das könne er nicht akzeptieren.

Schlussstrich unter den Terror?

Terror der katholisch-irischen IRA, Terror der britisch-protestantischen Paramilitärs. Noch immer sind etwa 1000 Morde ungeklärt. Warum werden die Ermittlungen eingestellt?

Auch sein Mordfall ist nicht abgeschlossen. Der irische Anwalt Pat Finucane wurde Ende der 80er mit 14 Schüssen getötet. Seine Frau, seine Kinder mussten alles mit ansehen. Sohn John kämpft als Anwalt und Politiker seit Jahren, dass die Hintergründe am Mord seines Vaters untersucht werden. Die Akte seines Vaters für immer zu schließen, hält er nicht für rechtens. Es werden nicht nur Hunderte Ermittlungen, laufende Verfahren im Zusammenhang mit dem Nordirlandkonflikt mittendrin beendet. Mehr noch: Täter bekommen Straffreiheit garantiert, liefern sie im Gegenzug Informationen über Straftaten.

Die Amnestie gilt auch für Mord. Niemand in Nordirland will das. Beide Seiten, die protestantisch-britische, die katholisch-irische, lehnen es ab. Ein seltener Moment von Einigkeit zwischen den verfeindeten Lagern.

Schutz der Opfer oder der Täter?

In London hat die Zentralregierung es dennoch gegen alle Widerstände durchgesetzt. Die Gräueltaten werden nicht mehr gesühnt, um einen Schlussstrich ziehen zu können. Es geht der britischen Regierung aber auch darum, sagt sie selbst, Menschen wie Paul Young zu schützen. Paul war Soldat, im Nordirland-Konflikt, einer von Zehntausenden – eingesetzt von der Regierung um für Stabilität und Ordnung zu sorgen. Bei den Einsätzen gab es auch Tote: zehn Prozent aller Opfer starben durch Waffen des Militärs. Auch gegen Soldaten wurde deshalb immer wieder ermittelt. Paul selbst ist nicht betroffen. Aber Gerichte haben zuletzt auch Strafen gegen britische Soldaten verhängt.

Gemeinsam mit anderen betroffenen Familien hat Raymond McCord den High Court gebeten, das Gesetz zu überprüfen. Vieles spricht auch für Experten dafür, dass die Amnestie für Straftäter gegen die Menschenrechte verstoßen könnte. Täter werden künftig geschützt, die Opfer aber vergessen, sagen Angehörige wie auch Raymond. Dass das Gericht ihre Ansicht stützt, ist für viele die letzte Hoffnung.

Autor: Sven Lohmann, ARD London

Stand: 22.10.2023 21:51 Uhr

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