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Thailand/Malaysia: Unerwünscht – die Boat People von Myanmar

Thailand/Malaysia: Unerwünscht - Boat People von Myanmar | Bild: NDR

     
Langkawi, Urlaubsinsel in der Andamanensee. Palmen, blauer Himmel, grünes Wasser, strahlende Sonne. Die Aktivistin Janice Fredah Ti kommt aus einer Welt, in der es alles zu geben scheint. Nur nicht für die, die nicht dazugehören. Die Rohingya, muslimische Flüchtlinge aus Myanmar. "Malaysia ist ein reiches Land", sagt Janice. "Warum halten wir die Fluechtlinge ab, hier an Land zu gehen. Warum halten die Regierungen zusammen, und schicken die Menschen weg. Warum? Wo ist die Menschlichkeit?"

Geisterschiffe vor der Küste

Janice Fredah Ti
Aktivistin Janice Fredah Ti will den Bootsflüchtlingen helfen. | Bild: NDR

Janice Fredah Ti hat sich früh aufgemacht. Sie will helfen. An Bord hat sie Trinkwasser, Brot, Kekse und Orangen für die Boat People aus Myanmar. Hier in der Andamanensee zwischen Indonesien, Malaysia und Thailand spielt sich ein beispielloses Fuechtlingsdrama ab. 6.000 Flüchtlinge aus Myanmar und Bangladesh, vielleicht deutlich mehr, irren seit Monaten auf ihren Geisterschiffen ziellos umher. Immer wieder abgewiesen, von denen, die sie retten könnten. Thailand, Malaysia machen die Grenzen dicht, für die Menschen, die so verzweifelt an Land kommen wollen.
           

Gestrandet auf hoher See: Vor ein paar Tagen erscheint eines der Fluechtlingsboote wie aus dem Nichts – mit Motorschaden und manoevrierunfähig vor der thailändischen Insel Koh Lipe. An Bord sind Hunderte Menschen, dicht an dicht gedrängt. Männer, Frauen, viele Kinder – ohne ausreichend Wasser, Essen, Medikamente. Sie sind verzweifelt und von der Besatzung im Stich gelassen. Die thailändische Marine wirft Nahrung für die hungernden Menschen ab.

Rohingya sind Menschen, die niemand will

Wir wollen mehr über die Menschen erfahren. Am Stradtrand von Kuala Lumpur, Malaysias Hauptstadt, werden wir fündig. Vor wenigen Wochen haben die Behörden hier etliche gestrandete Rohingya untergebracht. Sie leben in einer Bretterbudensiedlung. Die Rohingya sind Menschen, die niemand will. In ihrer Heimat Myanmar gelten sie als staatenlos. Als muslimische Minderheit werden sie verfolgt. Sie haben oft keine jobs, kein Einkommen. So wollen viele nur noch weg.

Menschenschmuggler bereichern sich

Menschenschmuggler bereichern sich an der Not der Menschen: "Eines Tages kam ein Typ vorbei", erzählt Flüchtling Setarah Abdul Majid. Er sagte: "Ich bringe Dich nach Malaysia zu Deinem Ehemann und zwar kostenlos. Also habe ich meine drei Kinder genommen und bin los. Drei Monate hat die Überfahrt gedauert. Einmal waren wir zehn Tage ohne Essen. Die Schmuggler waren bewaffnet, sie haben uns geschlagen. Ein Kind mit dem Messer auf den Kopf, weil es so hungrig war und weinte."

Rohingya aus Myanmar.
Geflüchtete Rohingya aus Myanmar. | Bild: picture alliance / dpa

Für Familie Abdul Majid war die Fahrt ein Horror-Trip. Die Schmuggler haben nur ein Ziel: Sie wollen möglichst viele Menschen in den Frachträumen unterbringen. Denn jeder Passagier bringt Geld. Erst auf hoher See wird der wirkliche Preis für die Ueberfahrt genannt – oft Tausende Euro. Lösegeld, das die Verwandten aufbringen sollen.

"Ich habe den Männern die Nummer meines Mannes geben, der war ja schon in Malaysia. Sie haben ihm gesagt, Du musst für deine Familie bezahlen. Und mir haben sie gedroht: Wenn Du selbst versuchst, mit deinem Mann zu sprechen, werden wir Dich erschießen und über Bord werfen. Wenn ich all das gewusst hätte, ich wäre niemals losgefahren", erzählt Setarah Abdul Majid. 3.000 Euro, eine unvorstellbar hohe Summe, hat Ehemann Azi Rahman schließlich für seine Frau und die drei Kinder bezahlt.

Tausende auf Booten gefangen

Tausende andere sind bis heute auf Booten gefangen. Seit Thailands Militärmachthaber gegen den Menschenhandel vorgehen, haben viele Schmuggler die Boote verlassen. Sie überlassen die Flüchtlinge ihrem Schicksal.

Das reparierte Flüchtlingsboot vor Koh Lipe wird von der thailändischen Marine aufs offene Meer eskotiert. Janice Fredah Ti und wir wollen die Flüchtlinge finden. Doch überall nur Horizont. Nirgendwo mehr das Schiff. Nur Schnellboote der Marine. Die Beamten wollen auch uns kontrollieren. Wir fragen, wo das Boot und die Flüchtlinge geblieben sind, bekommen aber keine Antowort. "Niemand weiß, was mit den Menschen passieren wird. Wie lange werden die Menschen überleben können? Mit gelegentlich ein bisschen Wasser und Essen. Wie lange noch?", fragt Janice Fredah Ti.

Hier in der Andamanensee bahnt sich eine Katastrophe an. Tausende Flüchtlinge sind auf überfüllten Booten. Sie zurückzuschicken aufs offene Meer und nicht zu retten – viele Malaysier empfinden das als unmenschlich. Eine Untat – irgendwo hinterm Horizont.

Autor: Philipp Abresch, ARD-Studio Singapur

Stand: 18.05.2015 11:28 Uhr

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