So., 28.04.13 | 19:20 Uhr
Das Erste
Großbritannien: Kriminelle Millionäre – ohnmächtiger Staat
Guy Emmet hat mit Menschenschmuggel mehr als eine Million Pfund verdient. Als das Gericht ihn nach vier Jahren Gefängnis anweist, diese Million zurückzuzahlen, passiert nichts. Auf seinem Konto sind nur ein paar hundert Pfund.
Er ist nur einer von vielen verurteilten Kriminellen, die heute als Millionäre ihr Leben in Großbritannien in vollen Zügen genießen - während der Staat machtlos zusieht.
"Wir reden hier über Riesensummen, Hunderte von Millionen. Insgesamt sind es 178 verurteilte Kriminelle, die dem Steuerzahler mehr als 675 Millionen schulden", erzählt Martin Bentham vom Evening Standard.
Geld, an das der Staat aber nicht rankommt. Martin Benham hat lange recherchiert und nun eine Liste veröffentlicht, die minutiös nachweist, wie Großkriminelle zunehmend den britischen Staat austricksen.
"Das Geld ist sehr schwer zu finden"
“Das geschieht, weil das Geld sehr schwer zu finden ist. Teile werden im Ausland geparkt, Teile in Eigentum versteckt, das anderen überschrieben wird. Diese Leute bereiten sich gut vor und sie werden immer cleverer. Oft haben sie ganze Firmen in der Unterwelt, die nichts anderes tun, als dieses Geld zu waschen“, sagt Benham.
Und so sind es immer nur die kleinen Fische, die der Polizei ins Netz gehen. Die großen Fische dagegen verstecken ihr Geld nicht einfach zu Hause, sie verweigern jede Kooperation wo es ist, sitzen dafür noch einmal ein paar Jahre, und kommen dann etwas später frei, dafür aber als reicher Mann.
"Angeblich habe ich 30 Millionen Pfund gestohlen"
Einer von ihnen ist Tony Sales, den wir am Südufer der Themse treffen, wo er in einem Haus lebt, das er uns nicht zeigen will, direkt gegenüber der City. Er war angeklagt wegen Kreditkartenbetrug im großen Stil. Am Ende bekam er ein Jahr. "Angeblich habe ich 30 Millionen Pfund gestohlen. Ich habe nie irgendetwas zurückgezahlt. Sie haben nie versucht, das Geld zu finden. Es wäre aber auch sehr kompliziert geworden: Ich hätte es in sehr komplizierte Kanäle geleitet. Ich hätte", sagt Sales.
Geld vermehrt sich, während die Betrüger einsitzen
Er weiß wie es geht. Seine Kollegen, die ein zweites Mal sitzen müssen, weil der Staat zumindest versucht, sie wegen Geldwäsche zu belangen, haben damit aber auch kein Problem, erklärt er. "Weil sich ihr Geld, während sie da sitzen, draußen vermehrt. Du machst ein Vermögen durch die Zinsen, die Dir das draußen bringt. Ihr Leben draußen geht sozusagen weiter. Und bezahlt wird ihr Aufenthalt vom Steuerzahler. Da drinnen leben sie umsonst."
Polizei schimpft auf Staatsanwaltschaft
Die Polizei, die meist jahrelang daran arbeitet die großen Fische hinter Gitter zu bringen ist genervt: "Die Frustration, die viele Polizisten mit mir teilen, ist, dass die Staatsanwaltschaft einfach nicht intensiv genug ermittelt, nachdem die Täter von uns verhaftet wurden. Die kapieren einfach nicht, wie das geht“, sagt Oton Mike von der Creedon Police.
Mission impossible für die Ermittler
Offiziell weist die Londoner Staatsanwaltschaft das natürlich zurück, allerdings mit wenig Emphase. "Ich bin nicht sicher, ob ich das so akzeptiere. Wir haben immerhin über 100 Spezialisten im ganzen Land, die nichts anderes tun, als zu verhindern, dass diese Kriminellen die Früchte ihrer Verbrechen in Ruhe genießen können."
Hundert Spezialisten, um knapp 700 Millionen aufwändig versteckter Gelder aus dem kriminellen Sumpf zu ziehen. Eine Mission impossible: Tony Sales hat so auch fast Mitleid mit dem britischen Staat: "Sie können gar nichts machen, absolut nichts. Weil die Ermittlungen, wenn sie es versuchen, den Steuerzahler noch mehr Geld kosten. Das ist eine Schlacht, die sie nicht gewinnen können."
Verbrechen im großen Stil lohnt sich
Die Moral von der Geschicht. Crime does pay auf der Insel: Verbrechen lohnt sich doch. Vorausgesetzt, man macht es im großen Stil.
Autor: Annette Dittert, ARD-Studio London
Stand: 15.04.2014 11:24 Uhr
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