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Marokko: Das Frauenrestaurant – Mit Lehre zurück in die Gesellschaft

Marokko: Das Frauenrestaurant – Mit Lehre zurück in die Gesellschaft | Bild: ARD

Ein Haushalt ohne Mann reicht in Marokko für den sozialen Abstieg. Das hat auch Fatima Zahara erleben müssen, nachdem ihr Vater vor vielen Jahren starb. Ihre Mutter konnte die Kinder kaum durchbringen, Fatima musste die Schule abbrechen, um mitzuverdienen. Jetzt aber kann sie hoffen, wieder zurück in die marokkanische Gesellschaft zu finden. Ein Modellprojekt ist ihre Chance. Im Frauenrestaurant Amal in Marrakesch lernen ehemalige Dienstmädchen, geschiedene Frauen und Witwen, wie man professionell für Gäste kocht. In der patriachalen Gesellschaft Marokkos haben unabhängige Frauen keinen einfachen Stand, trotz gesetzlich festgeschriebener Gleichstellung der Geschlechter. Im Frauenrestaurant lernen Fatima und andere Frauen, wie sie mit der Ausbildung ihren Platz in der marokkanischen Gesellschaft finden und behaupten können.

Selbstbestimmtes Leben auch ohne männlichen Schutz

Zwei marokkanische Frauen
Fatima Zahara (re.) ist stolz auf ihre Ausbildung.

Ihre Mutter und ihre Schwester schlafen noch, wenn Fatima Zahara sich den ersten Tee macht. Sie ist die einzige, die früh raus muss, denn sie ist die einzige, die Arbeit hat. Nach dem Tod des Vaters ging der Mutter das Geld aus, Fatima Zahara musste die Schule abbrechen. "Wenn Du keinen Vater hast oder nicht wenigstens Brüder, sagen die Leute: "Was will die noch mit ihrem Leben anfangen – da passiert doch nichts mehr. Aber damit lasse ich mich nicht abspeisen. Ich werde was aus mir machen!", sagt Fatima Zahara selbstbewusst. Anderthalb Stunden muss sie jeden Tag zur Arbeit fahren, aber das nimmt sie in Kauf. Sie weiß: Diese Ausbildung ist ihre Chance.

Weg zurück ins gesellschaftliche Leben

Marokkanische Frauen stehen in einem Hof
Die Gemeinschaft macht den Frauen Mut, auf eigenen Beinen zu stehen.

Im Frauenrestaurant Amal beginnt der Tag für die Mädchen und ihre Lehrköchinnen mit einer Andacht. Ein stiller Augenblick – Frauen sollen den Koran nicht laut rezitieren. Sie sind ledige Mütter, Witwen oder ehemalige Dienstmädchen – Frauen aus dem gesellschaftlichen Abseits. Fatima Afilal, eine der Köchinnen, war hier selbst mal Lehrling. Sie ist geschieden – aber jetzt sagt sie, macht ihr das nicht mehr so viel aus. "Jetzt habe ich mein eigenes Geld. Alles hat sich verändert. Vorher habe ich mich als Geschiedene noch nicht mal getraut, allein den Bus zu nehmen." Neben der Praxis lernen die Mädchen Lebensmittelkunde oder Fremdsprachen. Viele versuchen am Anfang noch, sich unsichtbar zu machen, berichten die Lehrerinnen. Sie ziehen die Schultern ein oder meiden den Blickkontakt. Aber dann, ganz langsam, merken sie: Sie sind etwas wert. "Durch die Zuneigung und die Unterstützung, die sie hier bekommen und die sie sich auch gegenseitig geben, ist es, als ob sie zum ersten Mal in ihren Körpern ankommen würden. Sie lächeln, sie bewegen sich anders – sie haben plötzlich Haltung", sagt Nora Fitzgerald Belahcen, die Gründerin von Amal.

Gleichberechtigung oft nur auf dem Papier

Zur Außenseiterin werden geht in Marokko oft ganz schnell. Die Gleichberechtigung steht zwar seit acht Jahren in der Verfassung. Es gibt aber einen strengen, ungeschriebenen Verhaltenskodex. Und von Frauen wird erwartet, dass sich sich daran halten. "Frauen haben heute ziemlich viele Flausen im Kopf. Sie wollen nach Europa, ständig einkaufen – keine will mehr wie früher leben", so die Haltung eines Mannes. Und ein anderer sagt: "Ich finde, eine Frau darf schon arbeiten gehen. Aber besser ist es, wenn sie zu Hause bleibt. Vor allem, wenn Kinder da sind. Wer soll sich denn sonst um die Kinder kümmern?"

Zukunftsperspektive durch Ausbildung

Zwei Frauen stehen an einem Herd
Die Ausbildung der Frauen dauert sechs bis neun Monate.

Sechs bis neun Monate dauert die Ausbildung der Mädchen und Frauen, die Anforderungen sind hoch: Pünktlichkeit, Hygiene, Disziplin, Verantwortung. Pro Kurs gibt im Schnitt ein Mädchen auf. Aber die, die durchhalten, bekommen fast alle einen festen Job. Das Geld für die Ausbildung verdient der Verein mit dem Restaurant, mit einem Catering-Service und Kochkursen. 100 Euro pro Monat bekommt Fatima Zahara während der Ausbildung. Für ihre Familie ist das viel Geld. Fast schon ein bisschen stolz zeigt sie ihrer Mutter die Brandwunden aus der Küche. Und die ist – natürlich – gebührend beeindruckt: "Sie ist so ein tapferes Mädchen. Sie hatte schon immer viele Pläne, aber ich konnte das einfach nicht bezahlen." Nach der Ausbildung will Fatima Zahara arbeiten, Geld sparen – und dann, irgendwann, ihr eigenes Restaurant eröffnen. Bei Amal habe sie nicht nur kochen gelernt, sondern auch leben.

Autorin: Natalia Bachmayer, ARD-Studio Madrid

Stand: 11.11.2019 11:51 Uhr

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Norddeutscher Rundfunk
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