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Italien: Taranto – Tod oder Arbeit

Italien: Taranto – Tod oder Arbeit | Bild: BR

Sie kämpfen für saubere Luft und das nicht nur in Zeiten von Corona, denn sie fürchten um ihr Leben!
Im süditalienischen Taranto ist die Luft verschmutzt wie fast nirgends in Italien. Lina Ambrogi Melle glaubt, dass das nahegelegene Stahlwerk eine Giftschleuder ist. Sie und ihre Mitkämpfer haben Angst um sich und ihre Kinder: "Es gibt die besonderen Tage, an denen die Politik uns auffordert, die Fenster zu schließen, wegen der Staubluft des Stahlwerks, die sich über die Stadt legt und bei den Bürgern große Gesundheitsprobleme verursacht. Das steht im Gegensatz zu den Anti-Covid-Normen, die unser Ministerpräsident erlassen hat. Hier in Taranto hat uns niemand gesagt, ob wir jetzt die Fenster auf- oder zumachen sollen."

Arbeit und Wohlstand mit dem Stahlwerk

Das Stahlwerk von Taranto galt in den 60er Jahren als Wunder der italienischen Wirtschaft. Es brachte Arbeit und Wohlstand ins arme Apulien, aber auch viele gesundheitliche Probleme für die Anwohner. Studien belegen das. Lina hatte deswegen in Straßburg gegen die italienische Regierung geklagt, wegen Umweltverschmutzung und Gefährdung der Anwohner. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte gab ihr 2019 Recht.

Dabei sehen die Anwohner dringenden Handlungsbedarf: auch weil die Sterblichkeit bei Kindern und Erwachsenen rund um Taranto weit über dem Durchschnitt liegt: Valerio Cecinati ist Oberarzt der Kinderonkologie. Er ist besorgt, denn es gibt vermehrt Fehlgeburten, 54 Prozent mehr Krebserkrankungen als in anderen Teilen der Region und eine um 21 Prozent höhere Kindersterblichkeit.

Kampf um das Werk

Lina Ambrogi Melle gibt den Kampf nicht auf: Offene Briefe, Demonstrationen, Gerichtsurteile – sie ist im Dauereinsatz und will erst dann Ruhe geben, wenn das Werk geschlossen ist.

Aber die Einwohner von Taranto, sie haben keine Wahl: Entweder sie sterben an Krebs oder sie verarmen. Abgehängt fühlen sie sich. Vertrauen in die Politik? Fehlanzeige.

Italien hatte das Stahlwerk an das britisch-indische Unternehmen Arcelor Mittal verkauft. Der Plan war, das Werk sauberer und grüner zu machen. Doch nichts geschah. Beide – Regierung und Unternehmen – standen für Interviews nicht zur Verfügung. Es heißt jetzt immerhin, der italienische Staat plane sich wieder in den Aktionärskreis einzukaufen. Ob das hilft?

Ein alternatives Taranto, davon träumen auch Lina und ihr Sohn Pierluigi. Mit seiner Geburt begann ihr Engagement für ein lebenswertes Taranto. Er sollte in einer gesunden Umgebung aufwachsen. Nach all den Jahren ohne Veränderung sind beide nicht optimistisch, dass sich noch was tut: "Die Jungen gehen weg. Zurück bleibt nur die Bevölkerungsschicht, die am meisten Angst vor einer Veränderung hat. Für die ist ein vergifteter Brotlaib besser als gar nichts zu essen."

Pierluigi will auch weg. Der angehende Mediziner war in Belgien, das hat ihm gut gefallen. Zurück bleibt Lina mit all den anderen. Die sich im Kampf für eine gesunde Umwelt nicht geschlagen geben.

Autorin: Ellen Trapp, ARD Rom

Stand: 06.12.2020 20:18 Uhr

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