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Guatemala: Kleinstbauern gegen Klimaschäden versichern?

Guatemala: Kleinstbauern gegen Klimaschäden versichern?  | Bild: picture alliance/dpa | Morena Perez Joachin

Delfina Nufio Esquivel steht an einem steilen Berghang und zieht einen grünen Bohnenstrauch aus dem Boden. "Der hat keine Wurzel mehr", sagt sie. Vor vier Wochen hat ein Hurrikan ihr Feld fast komplett zerstört. Keine Ernte für die Familie. Die 40jährige lebt im Osten Guatemalas, eine Region, die den Klimawandel mit am heftigsten zu spüren bekommt. Klimaversicherungen sollen Menschen wie Delfina nun helfen. Das Geld kommt zum Teil von den Industrienationen, denn ihr CO2-Ausstoß ist hauptverantwortlich für die Erderwärmung. Doch löst das wirklich die Probleme?

Der Weltspiegel-Podcast "Sturm, Dürre, Überflutung – Wer zahlt für die Klimakrise?" In der ARD Audiothek und überall, wo es Podcasts gibt.

Klimawandel bedroht die Kleinbauern

Feld an Berghang
Regelmäßig zerstören Dürre oder Hurrikane die Ernte | Bild: SWR

Wer hier lebt, kann sich kaum vor den Folgen des Klimawandels schützen. Die Bergdörfer von Chiquimula, im Osten von Guatemala. Wir begleiten Bernardo Diaz vom Welternährungsprogramm. Fahren über löchrige Feldwege, vorbei an tiefen Schluchten. Stürme reißen die Hänge mit, regelmäßig rutscht die Erde hier ab. "Die Menschen leben hier vor allem von der Landwirtschaft. Die wird jetzt durch den Klimawandel erschwert. Die Kleinbauern haben aber keine andere Überlebensgrundlage. Was bleibt Ihnen dann noch?" Kleinbauern wie Delfina Nufios Familie. Auf diesen Feldern baut sie Bohnen und Mais an. Der letzte Hurrikan vor vier Wochen hat ihr wortwörtlich die Ernte zerfetzt. "Der Regen war zu stark. Freitag hat es angefangen und erst am Montag wieder aufgehört. Die Pflanze kann jetzt nicht mehr wachsen, sie hat keine Wurzel mehr." Delfina kann sich nicht mehr wie früher auf ihre Ernte verlassen. Seit einigen Jahren gibt es immer öfter entweder zu viel oder zu wenig Wasser. Hurrikane oder Dürre.

Fluss mit Hochwasser
Tropenstürme plagen die Anwohner  | Bild: SWR

Vor vier Wochen sah es hier noch so aus: Der Tropensturm "Julia" fegt über Guatemala hinweg, 15 Menschen sterben. Als es anfängt zu stürmen, verbarrikadiert sich Delfina in ihrem Haus, zusammen mit ihrem Mann, drei ihrer fünf Kinder und einem Enkelkind. Vier Tage. Bis der Sturm endlich aufhört. "Wir saßen hier zusammen und haben auf den Sonnenaufgang gewartet. Der Wind hat uns am Meisten Angst gemacht... da kann es immer sein, dass Bäume umfallen und auf das Haus stürzen." Immerhin: wenigstens ihr Haus ist stehen geblieben – schlechter getroffen hat es die Häuser ihrer Nachbarn. Diese Wand aus Lehm teilte der Sturm in zwei. Bei Dunia ist es besonders schlimm. Ihre Schlafzimmerwand wird jetzt nur noch von ein paar Baumstämmen gehalten. Schon letztes Jahr hatten Stürme ihre Küchenwand weggespült. "Wenn es regnet, wenn es windet, fühlt sich fast so an, als stünden wir im Freien", erzählt Dunia Lisseth Esquivel. "Bei jedem Sturm haben wir Angst, dass die Wand endgültig einfällt. Ehrlich gesagt machen wir dann kein Auge zu, aus Angst, dass es mitten in der Nacht passiert."

Die Klimaversicherung zahlt Hilfen für das Nötigste

Ärmliche Hütte
Wer hier lebt, ist auf jeden noch so kleinen Betrag angewiesen | Bild: SWR

Hier schlafen fünf Kinder und vier Erwachsene. Dunias Familie ist bitterarm. Die Einweg-Windeln ihres Babys hängt sie zum Trocknen wieder auf. Genesis ist zwei Monate alt. Ein beißender Geruch liegt in der Luft. Dunias ältere Tochter Ariana ist krank, für Ärzte gibt es kein Geld. Die Nachricht, die Bernardo Díaz mitbringt ist die erste gute, seit Tagen: Die Klimaversicherung zahlt ihr jetzt umgerechnet 19 Euro aus. "Das hilft uns jetzt, um ein paar Lebensmittel zu kaufen, Bohnen zum Beispiel", sagt Dunia Lisseth Esquivel. "Um die Wand zu reparieren, bräuchten wir viel mehr Geld. Für die Arbeiter, für das Holz. Dafür reicht es nicht, nur für ein bisschen Essen, mehr nicht.

Eine Klimaversicherung, bezahlt vom Welternährungsprogramm, unter anderem aus EU-Mitteln finanziert. Jetzt ist sie für Dunia und Delfina noch kostenlos, ab nächstem Jahr sollen sie rund drei Euro selbst zahlen. Das Konzept hat Beatriz Vaca vom Startup MiCRO entwickelt. Ein einfaches System, ohne viel Bürokratie: Ab einer bestimmten Niederschlagsmenge, bezahlt die Versicherung pauschal, ähnliches gilt bei Trockenheit. "Wir machen für jeden Ort eine historische Analyse der letzten 30 Jahre, um zu definieren, wie sich das Klima normalerweise verhält. Wenn es eine signifikante Abweichung davon gibt, gibt es Zahlungen – je nach Schwere des Ereignisses."

Beratung von Bäuerinnen zum Thema Klimaversicherung
Beatriz Vaca erklärt das Konzept | Bild: SWR

Der Vorteil: Das Geld kommt schnell, denn es braucht nicht erst ein Gutachten. Der Nachteil: "Die Versicherungssumme ist nicht daran angepasst, was ihr verloren habt", erklärt Beatriz Vaca Dominguez.Das führt auch zu Frust. Denn es fehlt hier an allem. "So viele hier haben fast nichts mehr zum Leben", klagt Juana Pérez Esquivel. Und Bernardo Diaz vom World Food Programme meint: "Es gibt hier so viele Probleme, im Hinblick auf die Gesundheitsversorgung, die Bildung, die Ernährung – als einzelner fühlt man sich da manchmal machtlos, wenn man all diesen Nöten gegenübersteht."

Industrieländer verursachen Emissionen – Ärmere Länder leiden darunter

Die Folgen der Erderwärmung tragen besonders ärmere Länder. Die Emissionen werden dagegen vor allem von Industrienationen verursacht. Seit Jahren diskutiert die Internationale Gemeinschaft über Wege für einen Ausgleich – noch immer ohne Ergebnis. Die deutsche Position: "Das Pariser Klimaschutzabkommen sieht da keine rechtliche Verantwortung", sagt Svenja Schulze, Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. "Ich finde aber, dass wir eine moralische Verantwortung haben." Besonders betroffenen Ländern reicht das nicht. Einer ihrer Fürsprecher: Der Umweltminister von Antigua und Barbuda, eine Inselgruppe, die unter dem steigenden Meeresspiegel leidet. "Die Entwickelten Länder dieser Welt, die all diese Treibhausgase produzieren, die zur Erwärmung der Erde führen, müssen ihre Verantwortung anerkennen" fordert Molwyn Joseph, Umweltminister von Antigua and Barbuda. "Wir wollen keine Almosen oder Geschenke. Es geht um Gerechtigkeit."

Frauen bei Beratung zum Thema Klimaversicherung
Die Klimaversicherung hilft den Bäuerinnen  | Bild: SWR

Auf Delfina und die Frauen warten noch andere Gefahren. Um an das Geld aus der Versicherung ranzukommen, müssen sie sich auf diesen lebensgefährlichen Weg machen. Eine Stunde brauchen sie bis zur nächsten Bank. Anfang Oktober sind 19 Menschen aus einem Nachbardorf mit einem Pickup tödlich verunglückt. Auch sie wollten Hilfsgelder abholen. "Wir suchen jetzt nach Alternativen für die Zahlungen – nach dem sichersten möglichen Weg", so Bernardo Díaz vom WFP. Die Fahrt ist gut gegangen. Angekommen in Jocotán geht der Rest schnell – das Geld ist auf Delfinas Konto hinterlegt. "Ich denke das reicht jetzt für einen Monat, zumindest für das Nötigste", sagt Delfina. "Danach wird uns schon was einfallen, wie wir überleben. Die Klimaversicherung hilft Delfina und den anderen – und doch bleibt sie nicht mehr als ein Tropfen auf dem heißen Stein. Das müssen sich die Politiker auf dem Weltklimagipfel klar machen, sagt Beatriz Vaca, und dringend handeln. "Ich habe nicht viel Hoffnung. Aber ich hoffe, dass jetzt alle anfangen, anzupacken. Das, was man hier sieht, ist: Entweder es bewegt sich jetzt etwas, oder.... es wird immer schlimmer." Denn hier zeigt sich, wie erbarmungslos der Klimawandel ist – vor allem für diejenigen, die ohnehin wenig haben.

Autorin: Stefanie Dodt, ARD-Studio Mexiko

Stand: 14.11.2022 11:54 Uhr

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