So., 09.02.20 | 19:20 Uhr
Das Erste
Frankreich: Der Briefträger als Sozialarbeiter
Simone Fabre freut sich jeden Dienstag auf ihren Besuch. Die 72-jährige lebt allein in einer schmucklosen Vorortsiedlung im Luberon, nicht weit von Avignon entfernt. Sie kennt hier kaum jemanden, ihre Nachbarn bekommt sie selten zu Gesicht. Da springt die Post ein. Immer dienstags klopft der Briefträger und schaut bei Simone Fabre vorbei: Eric Arias ist ihr Draht zur Außenwelt. Der Postbote unterhält sich mit ihr, fragt, ob sie etwas braucht, organisiert notfalls Hilfe. Ein Service der französischen Post für den Simone Fabre gern bezahlt, und den landesweit 9.000 Menschen in Anspruch nehmen.
Neuer Service von der Post
Éric Arias ist spät dran. Es ist kurz vor Neun. Er hat heute nicht nur Briefe zu verteilen, sondern auch den Zusatz-Service der französischen Post übernommen. "Heute werde ich meine Tour machen, wie gewöhnlich. Und dann, das werden sie dann ja auch sehen, diesen Service für ältere Leute." Éric ist seit 25 Jahren Briefträger, der Job macht ihm Spaß. Aber: die Zeiten haben sich geändert: Briefe und Päckchen – das läuft längst nicht mehr so wie früher. Die Post braucht neue Angebote, um als Dienstleister attraktiv zu bleiben.
Cavaillon im Süden Frankreichs hat auch schon bessere Tage erlebt: Leerstand, Stillstand, Ausverkauf. "Bonjour Monsieur". Éric Arias auf Tour in seinem Revier. "Schönen Tag noch!" Fast alle Briefe sind verteilt, jetzt geht‘s zu seiner letzten Kundin für heute. Er kennt sie und er mag sie. "Wir sind mehrere, die sich bei ihr abwechseln und sie ist immer zu allen sehr freundlich. Sie wartet meistens schon auf uns, und es ist immer nett mit ihr."
Der Briefträger als Verbindung zur Außenwelt
Simone Fabre hat sich fein gemacht. Sie wartet, wie jeden Dienstag, auf ihren Briefträger. Sie lebt allein, ohne Fernseher und Internet! Kurz vor eins, die Post ist da. "Bonjour, Madame Fabre. Ich bin’s, Ihr Briefträger" – "Oh, Sie sind aber schnell heute!" – "Alles gut hier?" – "Ja, alles gut." – "Das ist wichtig. Ich sehe schon: sie sind heute gut in Form!" – "Für Alleinstehende wie mich: keine Kinder, kein Mann, keine Geschwister, ist das eine gute Sache. Ich bin sehr zufrieden mit der Post." – "Zufrieden! Das ist gut." – "Muss ich jetzt unterschreiben?" – "Ja, dass ich hier war, damit alles seine Ordnung hat." Wenn es mal Probleme gibt, Simone etwas braucht – Éric kann es sofort besorgen: Arzt, Krankenwagen, je nachdem. Das gehört zum Service. "Bis zum nächsten Mal"
Simone Fabre lebt bescheiden. Mit den Stickereien versucht sie, ihre kleine Rente aufzubessern. Für den Post-Service zahlt sie 19 Euro im Monat. Findet sie das viel? "Non!" Éric Arias ist auf die Zusatz-Aufgabe vorbereitet worden, er hat dafür eine kleine Schulung erhalten. "Heutzutage gibt es immer mehr ältere Menschen. Und in Zukunft werden es noch mehr werden. Deswegen ist das ein vernünftiges Angebot. Auch menschlich gesehen ist das gut, und ich persönlich mache das sehr gerne." Für sie ist ihr Briefträger die Verbindung zur Außenwelt. Simone weiß: ewig wird das nicht gehen, aber vorerst gibt ihr das Sicherheit.
Autorin: Sabine Rau, ARD-Studio Paris
Stand: 09.02.2020 21:50 Uhr
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