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Schweden: Brutale Banden – die Täter werden immer jünger

Schweden: Brutale Banden – die Täter werden immer jünger | Bild: NDR

Manchmal kann er seine Ungeduld nicht zurückhalten. Trainer Geir Stakset vom Club Farsta FF muss erstmal seinen Jugend-Spielern hinterhertelefonieren, damit sich alle auch zum Training trauen. "Seit den jüngsten Schießereien, gibt es sehr viele, die ihre Kinder aus Angst nicht abends rauslassen", erzählt der Trainer. 

Schießereien in Stockholm? Die Angst ist nicht unbegründet. Denn vor ein paar Wochen passiert etwas Schreckliches als Trainer Geir Stakset mit einem seiner Jugendtrainer telefoniert: "Plötzlich klang es komisch am Telefon und dann habe ich nur noch gehört, dass er schreit, dass Elias angeschossen wurde."

 Gewaltverbrechen, Schießereien: Bandenkriminalität auf offener Straße

Ein Mann spricht in die Kamera.
Coach Geir Stakset arbeitete zehn Jahre als Bewährungshelfer. | Bild: NDR

Der Trainer fährt sofort an den Tatort, zum U-Bahnhof Farsta. Dort sieht er Elias liegen. 15 Jahre alt. Einen seinen Ex-Spieler. "Als ich da war, habe ich gesehen, dass er Tod ist." Erschossen mitten am Tag. Die Tatverdächtigen selbst sind noch fast Kinder. Gewaltverbrechen, Schießereien. In Schweden eskaliert die Bandenkriminalität auf offener Straße. Ein Krieg um die Kontrolle des Drogenmarktes. Die Täter werden immer jünger. Die Drogengangs werben gezielt 14-, 15- und 16-Jährige an, damit die schweren Straftaten für sie begehen – bis hin zu Mord.

Coach Geir Stakset arbeitete zehn Jahre als Bewährungshelfer, hörte von ähnlichen kriminellen Karrieren, immer wieder von den gleichen Fehlern. Irgendwann ertrug das nicht mehr. Er will als Trainer und Sozialarbeiter eine Alternative zur Kriminalität bieten. Einen sicheren Ort. Manche kommen zum Trainieren, andere hängen nur am Platz ab. Aber die Gangs werben um Kinder, das weiß jeder hier. Wenn der Trainer merkt, dass einer seiner Jungs mit den Bandenkriminellen rumhängt, wirft er ihn aus dem Team. Davor, als letzte Warnung, gibt es noch eine klare Ansage: "Du hast keine Eltern, die sich um dich kümmern, du hast keine Freunde, die sich um dich scheren und du willst das wirklich? Dann mache ich dir eine scharfe Warnung: Du könntest in 6 bis 18 Monaten tot sein." Harte Worte, aber vielleicht auch nötig.

 Morde, verübt von unter 18-Jährigen, haben stark zugenommen

Strafgericht Malmö, Saal 52. Hier wird gleich ein Mord verhandelt. Der Angeklagte ist 16 Jahre alt.
8. Juni 2022: Im größten Einkaufszentrum Malmös eröffnet er das Feuer. Im Kugelhagel tötet er einen 31-jährigen Mann. Das Opfer ist ein polizei-bekanntes Mitglied einer kriminellen Banden. Für die Staatsanwaltschaft steht fest: Der Junge mordete im Auftrag einer Bande. Johan Fernvall, Anwalt des Jungen, ist bekannt dafür, Mitglieder kriminelle Banden zu vertreten. Auch er beobachtet, etwas hat sich verändert: "Die Täter werden jünger. Die Verbrechen werden von jüngeren Menschen begangen. Ja, das ist wahr."

Die Zahl der Morde, verübt von unter 18-Jährigen, hat sich in den vergangen zwei Jahren verdoppelt. Fernvall glaubt, dass die Politik dafür Mitverantwortung trägt. Denn sie hat die Strafen für junge Volljährige verschärft: "Das Gesetz wurde verändert. Wer über 18 Jahre alt ist, bekommt jetzt die volle Strafe. Keine Straferleichterung mehr. Deshalb ist es für Menschen zwischen 18 und 21 Jahren nicht sehr interessant, solche Straftaten zu begehen. Man muss also Leute unter 18 Jahren einsetzen."

Der Vorwurf an die Politik: Da 18-jährige härter bestraft werden, werben die Banden jetzt Kinder und Jugendliche an. Stimmt das? Das schwedische Justizministerium weicht auf Anfrage aus: "Die Zeit ist zu kurz, um sichere Schlussfolgerungen über die Effekte der Gesetzesänderung zu ziehen."
Urteil im Prozess in Malmö: Der 16-Jährige hat den Mord gestanden. Die Strafe: Vier Jahre Jugendarrest. Ein Erwachsener hätte vermutlich lebenslänglich erhalten. Das Kalkül der Banden scheint aufzugehen.

Autor: Johannes Edelhoff, ARD-Studio Stockholm

Stand: 24.09.2023 19:19 Uhr

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