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Island: Mit Massentests aus der Corona-Krise

Island: Mit Massentests aus der Corona-Krise  | Bild: NDR

Island liegt fernab von Europa. Und trotzdem hat die Corona-Krise die Insel schon sehr früh erfasst. Ende Februar brachten Rückkehrer, die in den Alpen ihren Skiurlaub verbracht hatten, das Virus mit nach Island. Das Land mit seinen rund 360.000 Einwohnern verfolgte von Tag eins an eine klare Strategie: testen, testen, testen. In keinem Land wurden bisher pro Kopf so viele Tests durchgeführt wie in Island.

In Island hat der Sommer schon begonnen. Denn der alte isländische Kalender kennt kein Frühjahr. Diesen Winter werden auch die Isländer so schnell nicht vergessen. Das geht auch Gudrun und David so. Sie sind mit ihren Kindern im Thingvellir-Nationalpark unterwegs, dort wo die eurasische und nordamerikanische Kontinentalplatte auseinanderdriften. Weit weg vom Rest der Welt verfolgen die Isländer genau, was um sie herum passiert: "Man hört von Freunden in Spanien, die ihre Wohnung nicht verlassen dürfen – auch die Kinder nicht. Da haben wir wirklich großes Mitleid. Für uns ist das hier der reinste Luxus, dass wir draußen in der Natur sein können", sagt Gudrun Hardardottir.

Ausbreitung des Corona-Virus gestoppt – vorerst

Inzwischen atmen sie in Island auf. Vor wenigen Tagen konnten die Behörden erstmals verkünden: keine neuen Infektionen im Land. Island hat die Ausbreitung des Corona-Virus gestoppt – vorerst. Der Schlüssel zu diesem Erfolg: DeCODE genetics, ein Unternehmen, das mittlerweile in US-amerikanischer Hand ist. Eigentlich soll es die Gesundheitsdaten aller Isländer sammeln und auf die genetischen Veranlagungen für Krankheiten hin untersuchen. Nun ist das Labor zum riesigen Testzentrum geworden. Der Gründer und Chef von deCODE, Kari Stefansson, ist einer der Helden der isländischen Corona-Saga. Sie beginnt zu einer Zeit, da die Welt noch erschrocken auf China blickt: "Die Behörden hier in Island haben bereits am 31. Januar angefangen, Leute zu testen, die aus Risikogebieten zurückgekehrt sind. Es vergingen mehrere Wochen bis zum 28. Februar, ehe wir die erste Infektion auf Island gefunden haben. Wir haben einen ganzen Monat lang getestet, bevor wir den ersten Patienten identifizieren konnten. Das ist einzigartig. Ich kenne kein anderes Land, das etwas Vergleichbares getan hat", sagt Stefansson. Isländische Behörden sind es, die ihre österreichischen Kollegen auf die Infektionen im Skiort Ischgl aufmerksam machen – zunächst vergeblich.

Corona-Tracing-App hilft Behörden

Auf einem Bildschirm zeigt ein Mann verschiedenfarbige Punkte über Island verteilt.
Ein Erfolg im Kampf gegen Neuinfektionen: eine Tracing-App | Bild: NDR

Und noch etwas treiben die Isländer voran: Sie führen schnell eine Corona-Tracing-App ein, um die Kontakte nachvollziehen zu können. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung hat die App inzwischen freiwillig heruntergeladen. In Reykjavik arbeitet das sogenannte Kontakt-Verfolgungs-Team. Bei jedem positiven Test rufen die Mitarbeiter sofort alle Personen an, mit denen der Betroffene in Kontakt war. So wissen sie ganz genau, wie sich das Virus im Land verbreitet.

Während man in anderen Ländern schnell aufgehört hat, Infektionsketten nachzuverfolgen – weil es einfach zu viele wurden – bleiben die Isländer dem Virus auf der Spur. Ein Ergebnis: Im ganzen Land wurde kein einziger Fall entdeckt, bei dem sich ein Erwachsener bei einem Kind angesteckt hat. Das widerspricht anderen Untersuchungen. Aber die Isländer öffnen kommende Woche wieder alle Schulen für die Schüler bis 16, ohne jegliche Einschränkungen wie Masken oder Abstandsregeln.

Mindestens 40 Mutationen des Corona-Virus

Zwei Frauen arbeiten in einem Labor.
Island machte Österreich auf die Infektionen in Ischgl aufmerksam, zunächst vergeblich.  | Bild: NDR

Mittlerweile wurden fast 15 Prozent aller Isländer getestet. Im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung mehr als in jedem anderen Land. Mindestens 40 Mutationen des Virus haben die Wissenschaftler entdeckt. So können sie sogar sagen, wann das Virus in welchem Land aufgetaucht ist. "Die genetischen Muster sind je nach Ort unterschiedlich. Wenn man also die Mutationen im Virus untersucht, gibt es ein Muster das typisch für Österreich ist, ein anderes für England und wieder eines steht für die Westküste der USA", erklärt Stefansson.

Island sammelt Erkenntnisse, die der Welt bei der nächsten Pandemie helfen können. Aber ihre isolierte Lage macht den Menschen auch Sorge. Denn Island lebt vom Tourismus. Mehr als zwei Millionen Menschen reisen vor allem wegen der einzigartigen Natur jedes Jahr auf die Insel. Aber wie viele werden in diesem Sommer kommen? Die wirtschaftlichen Folgen könnten Island sehr viel härter treffen als das Virus aus dem fernen China.

Autor: Christian Stichler, ARD-Studio Stockholm

Stand: 03.05.2020 20:43 Uhr

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