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Irak: Kurden flüchten nach Dohuk

Irak: Kurden flüchten nach Dohuk | Bild: NDR / Alexander Stenzel

Seit der türkischen Militäroffensive in Nordsyrien ist die Zahl der syrischen Kurden, die in den Westirak flüchten, deutlich gestiegen. Zum Teil schwer traumatisiert, verletzt, völlig mittellos werden die Menschen im Flüchtlingslager nahe der Stadt Dohuk versorgt. Bislang suchten Menschen dort vor allem Schutz vor den Kämpfern des Islamischen Staates. Nachdem Putin und Erdogan sich Nordsyrien aufgeteilt haben, sind die Kurden nun ohne Verbündete schutzlos. Sie sind die großen Verlierer der türkisch-russischen Vereinbarung.

Sie sind müde. Egal ob Tag oder Nacht, die Bomben, die ihre Heimat getroffen haben, gehen Falak und ihrer Tochter Layan nicht aus dem Kopf. Auf der Flucht hierher haben sie ihre Nachbarin aus den Augen verloren. Seit drei Tagen suchen sie nach ihr. Nun sind sie wieder vereint. "Ich bin so unglücklich. Sie ist meine Nachbarin, meine Tante, meine Mutter, einfach alles. Ich liebe sie und ihre Tochter sehr. Wir waren immer zusammen", sagt Falak Hawaas.

Zusammenhalten, sich gegenseitig stützen, das gibt den Kurden hier in diesen Zeiten Kraft. Falak, ihr Mann Mohamed und die beiden Töchter haben die Angriffe überlebt. Ein Geschenk Gottes nennen sie das. Denn die vom türkischen Präsidenten Erdogan sogenannte Militäroperation war aus ihrer Sicht ein Gemetzel. "Die türkische Armee ist nicht in Qamishli eingedrungen. Sie hat die Stadt einfach jenseits der Grenze bombardiert. Wir flohen. Unser Haus ist sehr nahe an der Grenze. Unsere Kinder hatten Angst. Die Bombardierung war willkürlich. Menschen sind gestorben", erzählt Falak Hawaas.

Täglich flüchten syrische Kurden in den Irak

Flüchtlingslager
Immer mehr Menschen fliehen in den Irak. | Bild: NDR / Alexander Stenzel

Und nun sollen, so der Plan des türkischen Präsidenten Erdogan, eine Million syrische Flüchtlinge aus der Türkei in ihre Heimat im Norden Syriens angesiedelt werden. "Menschen mit Gewalt vertreiben, um andere dorthin bringen zu können? Das ist nicht akzeptabel", sagt Flüchtling Mohamed Sarhan. In das Lager Bardarasch im Norden Iraks flüchten fast täglich Kurden. Sie werden in Bussen von der syrisch-irakischen Grenze hierhergebracht. Die Vereinten Nationen verteilen die Menschen auf die Zelte. Auch Amer Ali wartet auf eine Unterkunft für seine Familie: "Ich komme aus Ras al-Ain. Zuerst wurden wir von Kampfflugzeugen angegriffen, nicht mit der Artillerie, zuerst mit Kampfflugzeugen. Sie haben auch Phosphorbomben eingesetzt." Was genau in seiner Heimat passiert, das untersuchen jetzt UN-Chemiewaffen-Inspektoren.

In den vergangen drei Wochen sind allein in dieses Lager 11.000 Kurden aufgenommen worden. Bardarasch ist brechend voll. Nun müssen neue Camps aufgebaut werden. Amer ist wohl mit seiner Familie einer der letzten die hier unterkommen. 17 Tage war er mit Frau und Kindern auf der Flucht: "Natürlich bist du unglücklich in dieser Situation, aber wenn du andere Leute siehst, macht dich das noch trauriger. Wenn zum Beispiel die Söhne nicht dabei sind, wie bei einem alten Mann und seiner Frau. Wer hilft ihnen? Ich dachte, wie kann ich ihnen helfen?"

Angst vor dem IS

Flüchtlingscamp
Der Platz wird knapp, es müssen neue Camps aufgebaut werden. | Bild: NDR / Alexander Stenzel

Mohamed holt Wasser für seine Familie. Er fürchtet, dass er mit seinen Kindern und seiner Frau Falak sehr lange Zeit hier ausharren muss. Die USA, die Bündnispartner der Kurden im Kampf gegen die IS-Kämpfer, haben sich zurückgezogen. Die Kurden sind die großen Verlierer. "Wenn die Türken und die Freie Armee bleiben, könne wir nicht dorthin. Wir haben Angst, weil die mit dem IS kooperieren. Die lassen IS-Kämpfer durch ihre Gebiete", sagt Mohamed Sarhan.

Falak hofft natürlich, dass ihre Familie irgendwann wieder in ihre Heimat zurückkehren kann. Noch ist es warm genug, auch nachts, aber das wird sich ändern in den kommenden Wochen. Sie möchte ein Vorbild sein für ihre Tochter, will sich nicht aufhetzen lassen durch Umsiedlungspläne. Sie hofft auf baldigen Frieden. Wer auch immer in Zukunft ihr Nachbar sei, ist willkommen: "Wenn die kämen, dann wären sie willkommen. Wenn sie keine Häuser haben, würde ich sie aufnehmen, ihnen zu essen und zu trinken geben. Ob sie nun Araber, Kurden, Christen oder Muslime sind, wir sind syrische Brüder." Das Schlimmste an der Vertreibung ist für Falak, dass nun ihre Kinder für lange Zeit nicht mehr zur Schule gehen können. Dass ihnen Möglichkeiten im Leben genommen wurden.

Autor: Alexander Stenzel, ARD Kairo

Stand: 27.10.2019 20:13 Uhr

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