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Taiwan: Neues Säbelrasseln

Taiwan: Neues Säbelrasseln  | Bild: NDR

Pünktlich zum Nationalfeiertag Anfang Oktober hat Peking mehr als 150 Kampfflugzeuge in den taiwanesischen Luftüberwachungsraum geschickt. Gleichzeitig kündigt Chinas Präsident Xi einmal mehr die vermeintliche "Wiedervereinigung" Taiwans mit Festlandchina an. Eine Machtdemonstration, um die Menschen auf Taiwan einzuschüchtern, denn die Insel wird selbstbewusster. China betrachtet das demokratische Taiwan als "unabtrennbaren Bestandteil“.

Noch landen die Geschosse im menschenleeren Meer. Beim jährlichen Herbstmanöver demonstriert Taiwan Entschlossenheit. An der Verteidigungsbereitschaft darf nicht der geringsten Zweifel aufkommen. Das signalisiert auch die Präsidentin persönlich: China soll es gar nicht erst versuchen.

Ohne Schlachtenlärm, nicht weniger entschlossen: In den Gassen des Viertels Da-An in Taipeh startet eine ungewöhnliche politische Karriere. Vincent Chao, 33, geboren in Taiwan, aufgewachsen im Ausland, kam zurück, um den Militärdienst zu absolvieren. Bald will er auch als gewählter Volksvertreter seinen Landsleuten dienen – gegen Peking. "Viele in der Gesellschaft nehmen das Risiko nicht so ernst, wie sie es sollten. Das betrifft die Politiker ebenso wie die die Bürger. Sie denken nicht ständig daran, und das ist ja auch kein Wunder, denn das Leben in Taiwan wird schon so lange von dem Konflikt überschattet. Wenn sie die Abendnachrichten sehen, zucken sie nur mit den Schultern."

Taiwan: Freiheitsliebe und Demokratie

Taiwnesisches Militär bei einer Parade
Taiwan rasselt auch mit seinen – zugegeben relativ kleinen – Säbeln. | Bild: NDR

In Taiwan geht das Leben weiter, trotz der Drohgebärden vom Festland. Das heißt aber, dass sie hier nicht wüssten, dass China den Arm nach ihnen ausstreckt: "Natürlich mache ich mir Sorgen. Ich habe gesehen, wie die Menschen in Honkong erbittert Widerstand leisten", sagt eine Frau und eine weitere Passantin ergänzt: "Wir leben in einer Demokratie und andere sollten uns nicht feindlich gegenübertreten oder uns das Leben schwer machen mit allen möglichen Druckmitteln." Ein Mann meint: "Wir Taiwaner lassen uns nicht einschüchtern. Wir einfachen Leute lieben unsere Demokratie, das ist eben unser Lebensstil."

Das Prinzip Hoffnung – auch für Vincent Chao: "Wir sind auf dem Weg, mehr Aufmerksamkeit dafür bekommen, wofür China eigentlich steht und worin die Gefahr für Taiwans Freiheit und Demokratie liegt. Wir sind noch längst nicht am Ende dieses Weges angekommen, aber wir machen Fortschritte."

Was könnte die Insel einer feindlichen Invasion entgegensetzen? Beim Nationalfeiertag im Oktober vor allem eine betont bunte Gesellschaft, in der Freiheitsliebe und Demokratie verwurzelt sind. Taiwan rasselt auch mit seinen – zugegeben relativ kleinen – Säbeln. Zeigt das selbst entwickelte Raketensystem, will den Preis für einen Angriff von außen so hoch wie möglich treiben.

"Wachsamkeit gegenüber dem, was China tut"

Ein Mann bei einem Interview.
Vincent Chao will als gewählter Volksvertreter seinen Landsleuten dienen – gegen Peking. | Bild: NDR

Ein wackeliger Status Quo, und die USA eine inoffizielle Schutzmacht, die sich auf nichts schriftlich festlegt. "Taiwan wurde oft als der gefährlichste Ort auf der Welt bezeichnet. Was im Ernstfall passieren würde, hängt von den genauen militärischen Umständen ab, wie der Angriff ausgeführt würde, wie Taiwan darauf reagieren würde – da gibt es so viele Unbekannte, sodass keinerlei Vorhersage möglich ist. Ich bin der Meinung, dass die USA mehr konkrete Schritte ergreifen sollten, um Taiwans Verteidigung zu stärken", sagt der ehemalige US-Diplomat William Stanton.

Nachwuchspolitiker Vincent Chao will das nicht dem Zufall überlassen. Er ist zu Gast in einer politischen Talkshow des Senders "Setn". Ein Thema: Die Freiheit der Information im Internet. Davon könne drüben auf dem Festland keine Rede sein, analysiert der Moderator. Ganz anders Taiwan: Hier werde die Freiheit verteidigt, meint auch Vincent Chao: "Diese Willensstärke hat man hier vor fünf bis zehn Jahren noch nicht so gesehen. Das geht einher mit einer stärkeren Anerkennung dessen, was wir sind. Unserer nationalen Identität als Taiwaner. Und mit Wachsamkeit gegenüber dem, was China tut, und welche Bedrohung das für uns bedeutet."

Wenn Taiwan seine Unabhängigkeit weiter vorantreibt, könnte das dem übermächtigen Nachbarn einen Vorwand liefern. Ein Balanceakt, Absturz nicht ausgeschlossen. Die überwältigende Mehrheit der Menschen hier wünscht sich: Es soll einfach so bleiben, wie es ist. 

Autor: Ulrich Mendgen, ARD Studio Tokio

Stand: 25.10.2021 14:23 Uhr

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