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China: Nur ein Katzensprung zu Taiwans Insel Kinmen

Chinesische und taiwanesische Flaggen in einer Einkaufsstraße.
Nur auf Kinmen möglich: Chinesische und taiwanesische Flaggen in einer Einkaufsstraße. | Bild: NDR

Wer auf der Landkarte nachsieht, kann es kaum glauben: Die Insel Kinmen liegt direkt vor Chinas Küste, wenige Kilometer entfernt in Sichtweite von der Millionenstadt Xiamen. Kinmen gehört zu Taiwan und war im Kalten Krieg eine regelrechte Festung. Hier haben sie Angriffe von Maos Truppen abgewehrt und sich in Tunneln vor dem Beschuss vom chinesischen Festland versteckt. Heute kommen vom Festland Touristen – Hundertausende jedes Jahr, vornehmlich zum Shoppen bei einem Kurztrip. Es sind nur 30 Minuten Fährfahrt. Für Rentner Chen Guoxing ist es das erste Mal. Er und seine Frau sind auf Wochenendausflug: "Ich lasse das auf mich zukommen. Meine Frau und ich waren ja noch nie dort. Für uns ist das unbekanntes Terrain, das wollen wir jetzt mal anschauen."

Chinesen sind heute gern gesehene Gäste. Denn für die rund 130.000 taiwanischen Inselbewohner ist Tourismus die wichtigste Einnahmequelle. Flaggen der Volksrepublik links und rechts die von Taiwan in einer Einkaufsstraße – in Peking oder in Taipeh wäre dies undenkbar, auf Kinmen ist es pragmatische Eintracht. Denn je mehr Besucher vom Festland auf den Geschmack kommen, desto besser ist es für das Geschäft. Kinmen war bis 1949 – anders als Taiwan – immer Teil Chinas, auch daher fühlen sich beide Seiten enger verbunden.

China wichtigster Wachstumsmarkt

Die staatliche Schnapsbrennerei wurde einst von einem General für seine Soldaten gegründet, die hier Chinas Kommunisten die Stirn boten. Heute herrscht ein anderer Geist. Denn für ihren besonderen Brand brauchen sie viel Hirse, das Getreide ist die Basis ihres Rezepts. "Auf Kinmen gibt es nicht genug Hirse, das reicht nur für ein bis zwei Monate. Die meiste Hirse beziehen wir daher aus dem Nordosten Festland-Chinas", erklärt Yu Honglin, technischer Direktor von Kaoliang Liquor Kinmen.

Der General von damals wäre wohl geschockt von der Chefetage: Rohstoffe vom Feind. Zweimal hatte er Kinmen gegen die Kommunisten verteidigt. 60 Jahre später sehen die Schnapsbrenner in China die Zukunft, zumindest für ihr Produkt. "China ist unser wichtigster Wachstumsmarkt. Der Markt dort ist zig Milliarden wert, daher hoffen wir, dass künftig mehr chinesische Konsumenten vom Festland auf uns aufmerksam werden", sagt Yu Honglin.

Shopping und bezahlen mit chinesischer App

Chinesische Touristen kaufen in einem Geschäft ein.
Hundertausende Chinesen kommen jährlich nach Kinmen. | Bild: NDR

Zurück zu Rentner Chen Guoxing und seiner Frau: Made in Taiwan ist auch für ihn und seine Reisegruppe interessant. Sie verkosten Kekse und kaufen sogleich Ware für umgerechnet 100 Euro. An der Kasse brauchen sie kein Bargeld, sondern zahlen mit Handy und chinesischer App. Beim Shopping sollen sie sich auf der Insel ganz wie zuhause fühlen. Nächste Station ist ein Gruppenfoto an einem Aussichtsturm. Dann passiert es: ein kurzer Kontakt mit den anderen, Touristen aus Taiwan. Einer bekommt das Handy, alle bitte lächeln, das wars auch schon.

Taiwan und China, auf der Insel fühlt sich das fast leicht an. "Hier zu sein weckt Gedanken an die Vergangenheit, damals war es sehr schwer. Heute können wir uns glücklich schätzen. Diese zwei Teile gehören doch zu einem China", sagt Wang Lu Yan, Touristin aus China.
Panzer vor Ort sprechen eine andere Sprache. Sie wurden vor Jahrzehnten herangeschafft – zur Inselverteidigung gegen Chinas Kommunisten. Die regieren noch immer und propagieren die Einheit mit Taiwan, wie auch Chen Guoxing: "Menschen meines Alters haben die Konfrontation miterlebt. Keine Seite betrieb damals Annäherung. Heute kommen wir uns näher, wir haben doch dieselben Wurzeln, dasselbe Blut. Wir sollten uns gemeinsam entwickeln."
Ein Zusammenschluss liegt für Chen Guoxing auf der Hand. Und beim Blick rüber zum chinesischen Festland lässt sich auf Kinmen erahnen, wer dabei wohl die Bedingungen diktieren würde.

Autor: Daniel Satra, ARD Peking

Stand: 08.12.2019 20:51 Uhr

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