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Guyana: Ist die Ölförderung Fluch oder Segen?

Guyana: Ist die Ölförderung Fluch oder Segen? | Bild: NDR

Es geht wieder raus aufs offene Meer für drei junge Männer, die von Kindesbeinen an vom Fischfang leben. Als das Netz ins Wasser gleitet beginnen darum die Gebete. "Wir bitten Mutter Ozean, dass sie uns mit Fisch segnet. Wir bitten um ihren Segen für unsere Arbeit als Fischer", sagt Fischer Ameer Baglobin. Drei Tage könnte ihr Einsatz dauern, so genau kann man das nicht mehr sagen. In der Zeit werden sie sich selbst versorgen – mit dem was das Meer ihnen bietet. "Ich weiß nicht, ob es an den Ölbohrungen liegt, aber es wird immer schwerer Fisch zu fangen. Früher brauchten wir nur drei Tage, um dieses Boot voll zu bekommen, jetzt sind es sieben Tage", erzählt Fischer Ranil Datt.
Irgendwo weit draußen wird jetzt Öl gefördert. In die Nähe der Plattform dürfen sie nicht. Ihre größte Sorge ist, dass durch einen Unfall dort Öl ins Meer gelangt. "Es heißt, wenn das passiert, geht die Fischindustrie zugrunde, wir können dicht machen", sagt Ranil Datt.

Guyana ist ein Sonderling in Südamerika. In der ehemaligen britischen Kolonie besteht die größte Bevölkerungsgruppe aus Nachfahren von indischen Dienstboten und afrikanischen Sklaven. Etwa 800.000 Menschen leben hier, fast alle an der Küste. Bislang war das Land arm – bislang. Doch dann findet der US-Gigant Exxon mobil feinstes Roh-Öl vor der Küste von Guyana, das Blatt wendet sich. Seit einem Jahr fließt das Öl, der Minister für natürliche Ressourcen, Vickram Bharrat, erwartet für die Zukunft einen wahren Geld-Segen: "Guyana könnte, wenn man es pro Kopf sieht zu einem der reichsten Länder der Welt werden, so wie Katar. Im Augenblick haben wir geschätzt zehn Milliarden Barrel Öl und das ist nur in einer Region. Wir haben noch so viele andere Sektoren, wo gerade gesucht wird. Wir erwarten, dass wir noch viel mehr finden"

Durch Öl aus der Armut zum Reichtum?

Ein Mann spricht im Interview in eine Kamera
Vickram Bharrat erwartet für die Zukunft einen wahren Geld-Segen. | Bild: NDR

Aus der Armut zum Reichtum – wie im Märchen. Doch der neue Schatz kommt in Zeiten des Klimawandels. Die Ölförderung selbst und der Verbrauch später erzeugen Treibhausgase. Dennoch sagt Vickram Bharrat: "Ich denke es ist nur fair, dass wir unsere Ressourcen so nutzen, dass wir unser Land entwickeln, so wie andere Länder das auch getan haben und das auch unsere Bürger ein besseres Leben leben können."

85 Prozent des Landes besteht aus Regenwald, so hilft das kleine Land abzumildern was große Industrienationen anrichten. Doch nun wird auch Guyana zum Klimawandel beitragen. Dabei leidet das Land schon jetzt unter dem Anstieg des Meeresspiegels.

Wegen Überschwemmungen konnte Landwirt Richard Jardin drei Jahre lang keinen Reis auf seinem Feld anpflanzen. Rinder und Schafe sind ihm verendet, weil Futter fehlte. Und gerade ging ein anderes Reisfeld im Starkregen unter. Trotz Klimawandel ist Richard für die Ölförderung: "Ich denke wir bekommen günstiger an Produkte, günstigeres Benzin, die Produktionskosten sinken und unser Gewinn würde steigen. Ich sehe es als Chance, viele Länder, sind durch Öl reich geworden, wenn es richtig gemanaged wird."

"Werden wir alles ausbeuten was möglich ist?"

Doch was bringen Reichtum und Profit, wenn es keine lebenswerte Umwelt mehr gibt? Umweltaktivist Troy Thomas sorgt sich um seine Kinder. Er hat die Regierung verklagt, weil die Bürger laut Verfassung das Recht auf eine gesunde Umwelt haben: "Werden wir alles ausbeuten was möglich ist? Müssen unsere Kinder und Kindeskinder dann die Quittung bezahlen? Welche Ressourcen werden sie noch haben. Machen wir gerade alles richtig? Darum dreht sich alles was ich gerade tue." Troy glaubt nicht, dass die Bevölkerung von Guyana reich wird, vielmehr Unternehmer, Politiker und ihre Interessengruppen. Die Mehrheit der Menschen hier würden vielmehr mit ihrer Gesundheit bezahlen. "Wir sollten null Treibhausgase produzieren. Wenn wir das mit Öl erreichen können, dann bin ich einverstanden. Aber wenn du mich fragst, glaube ich nicht, dass sich die Ölfirmen freiwillig in dem beschränken, was sie tun können. Das wäre für sie ja ein wirtschaftlicher Verlust."

Durch die Ölindustrie sind bereits neue Arbeitsplätze entstanden, auf den Plattformen und auch an Land. So entsteht auch eine Gefahrenmüll-Anlage für den Abfall, der bei Öl-Bohrungen anfällt. Vanda Radzik und ihre Schwester Ganuta Radzik sind außer sich. Die Regierung habe die Anwohner nicht vorher informiert und Fakten geschaffen: "Als ich gehört habe, das es hier um Gefahrenmüll geht, war ich entsetzt, komplett traumatisiert. Die Anlage ist extrem nah an meiner Wohnung. Vanda Radzik fügt hinzu: "Die Regierung, sogar die Umweltbehörde, bejubelt das Geschäft mit Öl und Gas. Wie kann eine Umweltbehörden wagen, das hier einfach durchzuwinken, ohne eine Studie zu den Umwelt-Auswirkungen. Wir gehen vor Gericht."

Großer Gewinner: Exxon-Mobil

Schild mit der Aufschrifft ExxonMobil an einem Haus
Exxon-Mobil ist in Guyana der große Gewinner. | Bild: NDR

Schon im kommenden Jahr wird die Ölförderung verstärkt. Exxon-Mobil ist in Guyana bislang der große Gewinner, hat sich eine außergewöhnlich hohe Gewinnbeteiligung gesichert. Ein Interview beim Unternehmen bekommen wir nicht. Guyana steht vor einer großen Zeitenwende. Ein reiches Land, das wäre schon großartig. Doch bringt das Öl ihnen wirklich mehr Wohlstand?

Autorin: Xenia Böttcher, ARD-Studio Mexiko

Stand: 15.08.2021 20:40 Uhr

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