Eine ganz klare Position

Gespräch mit Ulrike Folkerts

Lena Odenthal
Ulrike Folkerts ist Lena Odenthal | Bild: SWR / Peter A. Schmidt

Als Lena Odenthal vor 25 Jahren ihre Arbeit als junge "Tatort"-Kommissarin aufnahm, hatte sie noch Zeit, neben ihrem Beruf dem Sport und außergewöhnlichen Hobbys nachzugehen. Inzwischen hat sie kaum mehr Zeit für anderes. Wie hat das die Figur verändert? Welche Eigenschaften sind über die Jahre gleich geblieben? Und was gefällt Ihnen besonders an Lena Odenthal?

Lena ist älter, reifer, erfahrener geworden, ihr macht so schnell niemand etwas vor in ihrem Beruf. Vor 25 Jahren war sie viel damit beschäftigt, ihrem Umfeld zu beweisen, dass sie, als Frau, diesem Job als Kommissarin gewachsen ist. Heute ist sie eine souveräne Frau, der ihre Arbeit über alles geht. Lena hatte schon immer Anteile einer "einsamen Wölfin". Neben dem Alltag bei der Polizei gab es immer ihre Katze und den einen, besten Kollegen, so wie jetzt Mario Kopper. Ihre Sportlichkeit, Stärke, Verwundbarkeit und Härte gegen sich selbst waren schon immer Eigenschaften dieser Figur. Und die mag auch Ulrike an Lena.

Mit Lena Odenthal kam ein ganz neuer Kommissarinnentyp auf den Bildschirm. Tough, stark, sportlich und uneitel. Eine Frau, die sich in der Männerwelt durchsetzt. Dass damals die Geschlechterrollendarstellung ein wichtiges Thema war, scheint heute unerheblich zu sein. In "Blackout" taucht eine neue Kollegin auf, die scheinbar spielend Karriere, Familie, gute Laune und Selbstsicherheit unter einen Hut bringt. Ein Grund für Lena Odenthal über ihre Position und ihr Leben nachzudenken?

Nachdenken heißt in diesem Fall, dass Lena sich mit einer Profilerin konfrontiert sieht, die komplett anders an die Fälle herangeht, anders denkt, spricht, arbeitet, fühlt – das ist interessant, weil es zu Reibungen führt, zu Missverständnissen, einen Generationskonflikt aufmacht. Und ja, Frauen gehen heute (zumindest im TV) den selbstverständlicheren Weg im Beruf, dafür war Lena O. Wegbereiterin.

Im "Tatort" spiegeln sich über 40 Jahre bundesrepublikanischer Geschichte und Entwicklung. Mindestens genauso aussagekräftig über die jeweilige Zeit wie die gesellschaftspolitischen Themen sind die Veränderungen im Umgang von Figuren miteinander, dem Tonfall z. B., in dem miteinander gesprochen wird oder die Selbstverständlichkeit, mit der früher geraucht und heute nicht mehr geraucht wird. Wenn Sie über die ganze Zeitspanne schauen, was fällt Ihnen da an Veränderungen besonders auf?

Die ganze Erzählweise hat sich verändert. Wir hatten mehr Zeit, mehr Proben, mehr Möglichkeiten. Es gab "Tatorte", da kannte der Zuschauer von Anfang an den Täter und durfte zuschauen wie eine Lena Odenthal den Mörder Stück für Stück überführt, mit Indizien seine Schuld beweist, in die Falle tappt, die ihr gestellt wurde – das war sehr, sehr spannend, fand ich. Heute drehen wir Whodunits, es gibt ein Schema, nach zehn Minuten die erste Leiche und am Ende definitiv einen überführten Mörder. Es wird weder geraucht noch getrunken, weil man plötzlich an die Jugendlichen dachte, die sonntags vor der Glotze sitzen, für die wir Kommissare/innen doch Vorbilder sein sollen, die Guten eben ... All das zeigt eigentlich nur, dass Fernsehen weniger mutig geworden ist, Angst hat vor Kritik, Reibung vermeidet und gefallen will ... das kann eine Falle sein, da müssen wir Macher alle aufpassen.

Dürfen "Tatort"-Kommissare eigentlich auch Fehler machen?

Unbedingt, denn Fehler sind menschlich und aus ihnen lernt man bekannterweise. Der Spannungsbogen der Geschichte wird wesentlich größer, wenn die Kommissarin diesen Konflikt aushalten muss, sich dadurch angreifbar macht. Wie langweilig und eindimensional wäre es, wenn eine Lena O. immer Recht hat und ihr nie etwas missglückt?! Die Figuren in den "Tatorten" sind ein Spiegel der Gesellschaft und dienen auch als Projektionsfläche.

Wie fühlt sie sich heute im Kreis der "Tatort"-Kolleginnen und Kollegen?

Lena ist mittendrin in diesem Pool von unterschiedlichsten "Tatort"-Teams. Diese Kommissarin hat eine ganz klare Position und steht für Authentizität. Sie verkörpert eine älter werdende Frau, die mit starker Persönlichkeit und Eigenheiten ihr Leben und ihren Beruf meistert.

Was wünschen Sie Lena Odenthal für die Zukunft?

Lena wünscht sich: Superspannende Fälle, gerne mit aktuellen, realen Bezügen. Ich wünsche ihr crazy Geschichten, so wie sie das Leben manchmal besser schreibt als ein Drehbuch. Mit überraschenden Wendungen und einer Lena, die tough bleibt, sich verrennt (im wahrsten Sinne des Wortes) und sich nicht helfen lassen will ... Sie begibt sich auf Alleingänge, zofft sich weiter mit Johanna Stern, weiß, dass Kopper sie in- und auswendig kennt. Es sollte brenzlige Situationen geben, wo die drei plötzlich zum super Team werden, für den Moment, und mehr erfahren über einander, mehr preisgeben. Ulrike Folkerts wünscht sich: Dieses Format als Chance zu sehen, Grenzen immer wieder neu auszuloten, neue Wege zu gehen, mit unterschiedlichsten Themen und Erzählweisen. So wie jetzt in "Blackout". In meinen Augen ist der "Tatort" ein tolles Format, genau das alles auszuprobieren.

Ulrike Folkerts, 1961 in Kassel geboren, stand 1988 zum ersten Mal als Lena Odenthal vor der Kamera. Mit dieser Rolle wurde sie bekannt und populär, 2002 erhielt sie dafür den Zuschauer-Bambi als beliebteste TV-Kommissarin. Darüber hinaus drehte sie Filme mit Regisseuren wie Urs Egger, Gregor Schnitzler, Josh Broecker und Andreas Senn, zuletzt stand sie in der Regie von Christoph Schrewe für die Bestseller- Verfilmung "Das goldene Ufer" (AT) vor der Kamera. Ulrike Folkerts war in Salzburg als Tod im "Jedermann" auf der Festspielbühne zu sehen, ist Autorin zweier Bücher und sozial engagierte Zeitgenossin, die sich u. a. für den Kampf gegen Landminen und die kulturelle Förderung von Kindern einsetzt.

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