Gespräch mit Lavinia Wilson

(Sabrina Dobisch)

»Sabrina ist ein Chamäleon und respektlos gegenüber Autoritäten.«

Sabrina Dobisch und Sarah Brandt
Sabrina Dobisch spielt mit Sarah Brandt den Unfall nach. | Bild: NDR / Christine Schröder

In dieser Folge wird ziemlich viel gelogen – aber aus verschiedenen Motiven. Sabrina lügt, um sich das Leben zu erschaffen, von dem sie immer träumte; Borowski, um Sabrina zu enttarnen. Es gibt sie also doch, die gute und die böse Lüge - oder?

Ein guter Krimi ist doch gerade der, in dem man immer wieder überrascht und getäuscht wird, man hat doch beim Zuschauen richtig Lust daran, an der Nase herumgeführt zu werden. Und in der alltäglichen Praxis akzeptiert der Common Sense ja auch die so genannte Notlüge – aber es gehört lustigerweise zur Notlügenregel mit dazu, dass man das nicht so laut sagt. Was aber eine gute Notlüge oder eine böse Lüge ist, wird vom Motiv abhängig gemacht: Geht es darum, vermeintlich größeres Übel abzuwenden oder jemand anderen zu schützen, dann wird die Lüge akzeptiert; werden egoistische Absichten unterstellt, gelten sie als Zeichen eines verdorbenen Charakters. Das hört sich erstmal logisch an, aber bei näherem Hinsehen ist das mal wieder ein gutes Beispiel dafür, wie fragil moralische Urteile im Kern sind, so rigoros sie auch verfochten werden mögen. So können wir – gerade weil Lügen möglich ist – selten mit Sicherheit wissen, ob die "wahren" inneren Motive eines Anderen altruistisch oder vielleicht doch eigennützig sind.

Wie spielt man eine Lügnerin?

Wir wünschen uns alle, dass Lügen kurze Beine haben – und dass man dem Lügner seine Lüge irgendwie ansieht, wenn man nur aufmerksam genug ist. Aber gleichzeitig ahnen wir alle, dass das nicht garantiert werden kann. Ich glaube sogar, je dreister die Lüge, desto weniger ist sie erkennbar. Aber wie spielt man das dann? Kann es sein, dass ein Lügner, um gut lügen zu können, seine eigene Lüge – zumindest für den Moment – selber glauben muss? Bei Sabrina ist das definitiv oft der Fall. Aber ist es dann überhaupt noch eine Lüge? Wahrheit und Lüge scheinen gar nicht weit voneinander entfernt zu sein – und gerade da, wo es grau wird, wo die Grenzen verschwimmen, da wird das Spielen interessant und macht einen Heidenspaß. Als Schauspieler begegnet einem ja immer wieder dieser halb-ernste Argwohn, man könne einem ja bestimmt nicht glauben, weil man ja ständig "etwas vorspielen, täuschen könnte". Aber für mich hat Spielen eben nichts mit Lügen zu tun, sondern mit Fantasie und Vorstellungskraft, denn wenn ich mir selber nicht glaube, dann glaubt mir auch kein Zuschauer. Im "echten Leben" dagegen bin ich persönlich eine miserable Lügnerin. Aber Sabrina wäre vielleicht eine ziemlich gute Schauspielerin geworden.

Sabrina ist Altenpflegerin, ein Beruf mit wenig Anerkennung, aber viel Macht. Ist es da nicht verständlich, dass man auf dumme Ideen kommt, wie zum Beispiel eine Katze auf eine Straße auszusetzen um zu sehen, was passiert?

Dass Abhängigkeitsverhältnisse missbraucht werden können, ist in der Realität wahrscheinlich viel seltener als im Film. Bei diesem Film geht es aber auch gar nicht um das Ausnutzen eines Abhängigkeitsverhältnisses. Sondern um eine Frau, die tagtäglich mit anderen mitleidet - und dafür viel zu selten Dank erhält. Mit der Katze will sie auch einmal Mitgefühl für sich erhaschen, erfahren, wie sich das anfühlt - zugegebenermaßen auf ziemlich unkonventionelle Weise.

Etwas darzustellen, Anerkennung zu erfahren, ist Sabrinas große Sehnsucht. Als sie die Chance hat, Anerkennung zu bekommen, nutzt sie diese skrupellos – im Grunde ist ihr doch nichts vorzuwerfen, schließlich erfüllt sie sich nur ein Bedürfnis, das jeder hat?

Für den Zuschauer mag Sabrina bisweilen eiskalt und skrupellos erscheinen - ich als ihre Verkörperung kann das natürlich nicht so stehen lassen, weil sie das ganz anders sehen würde. Den Wunsch nach Anerkennung haben wir wirklich alle, und die Versuchung, aus Faulheit die Abkürzung, den einfachen Weg zu nehmen, kennen doch auch die meisten. Aber Sabrina ist dabei nie berechnend, sie stolpert in die ganze Geschichte hinein, hat allerdings ein Talent, im entscheidenden Moment sehr "kreative" Mittel auszupacken.

Was für ein Typ ist Sabrina Dobisch?

Sabrina ist auf den ersten Blick eher unsicher und zurückhaltend. Sie hilft gerne und von Herzen. Aber wie es sich für eine spannende Filmfigur gehört, hat sie auch eine andere Seite. Auf der ist sie ein Chamäleon. Und respektlos gegenüber Autoritäten.

Wie war die Zusammenarbeit mit der "Stammbesetzung" Axel Milberg und Sibel Kekilli?

Toll. Die beiden sind so unterschiedlich und ergänzen sich dadurch ganz wunderbar. Von beiden wurde ich sehr herzlich in die "Tatort"-Welt aufgenommen. Und die lange Schlussszene mit Axel Milberg im Park mit all ihren überraschenden Wendungen gehört für mich definitiv zu meinen Lieblingsszenen des Jahres.

Und wie ist es, wenn Andreas Kleinert Regie führt?

Ein Geschenk. Andreas ist unglaublich präzise, liebt seine Figuren und weiß genau um den schmalen Grat zwischen Tragik und Komik, man kann sich voll und ganz auf sein Urteil verlassen. Und er hat eine für Regisseure erstaunlicherweise sehr seltene Begabung: ein untrügliches Gespür für Stil und guten Geschmack.

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