Gespräch mit Jenny Schily

Kurz vor der Berufung als Richterin zum Obersten Gerichtshof freut sich Sophie Behrens (Jenny Schily)
Kurz vor der Berufung als Richterin zum Obersten Gerichtshof freut sich Sophie Behrens. | Bild: NDR / Frizzi Kurkhaus

»Das glatte Weltbild vieler Feministinnen stimmt nicht.«

Sie spielen Sophie Behrens, die Professorin für Rechtswissenschaften, die von Studierenden der Neuen Rechten angehimmelt wird. Was für ein Frauenbild verkörpert sie?

Sie ist eine ambivalente Figur. Einerseits eine sehr unabhängige, intelligente Frau, die sich von niemandem vereinnahmen lässt, die gerne provoziert und sich selbst als Feministin sieht. Andererseits vertritt sie fragwürdige Positionen und lässt sich von den nationalen Feministinnen feiern. Sie bleibt jemand, die schwer einzuordnen ist.

Warum werfen ihr dann an der Universität Studierende und ein anderer Professor eine rechte Gesinnung vor?

An der Uni gibt es diese Szene, in der sie ihre Jura-Studierenden auffordert, Gesetze wie den Paragrafen 218 und die gesetzliche Quotenregelung zu hinterfragen, und bezeichnet diese als problematisch. Das ist absichtsvoll provokant und muss nicht unbedingt ihre Position sein. Sie provoziert den Widerspruch der Studierenden, um einen Diskurs anzuregen. Und doch kann man ebenso den Eindruck bekommen, dass es sich um ihre persönliche Überzeugung handelt.

Sophie Behrens Figur erinnert an die amerikanische Feministin Camille Paglia. War das beabsichtigt?

Die Feministin Camille Paglia war tatsächlich eine Art Role Model für Sophie Behrens. Sie ist eine umstrittene Feministin in den USA, eine homosexuelle Intellektuelle, die sich für die Rechte der Frauen einsetzt, aber viele Kritiker hat, weil sie auch biologistisch argumentiert und sehr die Unterschiede zwischen Mann und Frau betont. Sie wird auch von rechtsextremen Frauen wie der deutschen Publizistin Ellen Kositza vereinnahmt, wogegen sie sich allerdings vehement zur Wehr setzt.

Warum stellt Sophie Behrens feministische Errungenschaften in Frage?

Sophie Behrens befragt das "Alles-seinmüssen" von Frauen. Sie sagt, es sei doch auch legitim – aber heutzutage fast schon ein Tabu -, wenn eine Frau sich entscheidet, einfach nur zu Hause bei ihren Kindern zu bleiben. Da ist ja irgendwie was dran. Meine Haltung ist dennoch eine andere. Ich finde, es darf nicht rückwärts gehen und Frauen sollten noch viel mehr ermutigt werden, über ihre eigenen Wünsche nachzudenken und diese auch zu leben – und zwar ohne sich gleich zu fragen, wie das mit Heim und Kindern zusammengeht. So wie das Männer halt machen. Aber Sophie sagt eben: Das glatte Weltbild vieler Feministinnen stimmt nicht.

Wird sie von der Neuen Rechten vereinnahmt, die Behrens als ihre Ikone feiern?

Ja, und natürlich geht auch etwas Gefährliches von ihr aus, weil sie sich nicht eindeutig positioniert. Das hängt auch mit ihrer Beziehung zu Marie Jäger zusammen. Sie verliebt sich in diese junge Studentin, und das wirft sie völlig aus der Bahn.

Gleich in der ersten Szene des "Tatorts" gibt es eine Diskussion, ob jemand wie Sophie Behrens Bundesverfassungsrichterin werden darf. Darf sie?

Das ist schwierig. Man weiß nicht, wo sie und ihre satten, zynischen, intellektuellen Freunde stehen. Sind sie demokratiemüde, sind sie mit dem Staat nicht zufrieden oder sind sie nur kritisch? Ist das gefährlich oder ist es gut, wenn jemand kritisch ist? Die Verführungskraft von Sophie Behrens liegt in ihrer Unabhängigkeit im Denken. Ich persönlich wäre mehr als skeptisch, so ein verantwortungsvolles Amt in ihre Hände zu legen.

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