Gespräch mit Heino Ferch

Landmann
Heino Ferch in seiner Rolle als Jan-Peter Landmann. | Bild: NDR / Christine Schroeder

Jan-Peter Landmann sieht sich in "Der sanfte Tod" als guter Hirte. Ein Hirte beschützt seine Herde. Um wen kümmert sich der Fleischfabrikant Jan-Peter Landmann?

Auch er beschützt seine Herde. Er sorgt dafür, dass jeder, der es wünscht, an jedem Abend sein Steak auf dem Teller hat. Wer aber Tag für Tag Fleisch essen will, kann nicht erwarten, dass jedes Stück auf der ganzen Welt zu 100 Prozent biologisch, freilebend und artgerecht hergestellt wird.

Der Hirte ist ein einsamer Mann.

Genau wie Landmann. Er hat seine Frau verloren und lebt nur mit seiner Tochter auf einem riesigen Anwesen. Er steht einem Familienunternehmen vor, trifft alle Entscheidungen allein und hat sich seine ganz eigene Realität erschaffen. Das Spannende an der Figur ist, dass Landmann für seine Welt mit vermeintlich überzeugenden Argumenten eintritt. Deshalb polarisiert das Thema Fleischproduktion auch so stark.

Was sind seine Argumente?

Einmal tritt er vor einer Gruppe Journalisten auf und sagt: Wir beenden das Leben dieser Tiere nicht aus Willkür, sondern einem lebensschaffenden Prinzip – dem der Landwirtschaft. Ohne uns hätten diese Tiere niemals existiert. So ist Landmann. Er vertritt seine Angelegenheit mit großer Cleverness und Überzeugung. Diese Szene ist brillant geschrieben. Er behauptet, seine Sauen würden nicht leiden, sie wären weder Kälte noch Hitze ausgesetzt und würden das Grauen des darwinistischen Kampfes nicht kennen. Das sei doch ein großes Glück für die Tiere. Landmann vermittelt seine Überzeugungen auf so eindringliche Art, dass man denken könnte: Der Mann hat recht! Er selbst käme niemals auf die Idee, dass Massentierhaltung und Schlachtbetriebe in der Gesellschaft heftig umstritten sein könnten.

Wie haben Sie sich die Figur erarbeitet? Gibt es ein reales Vorbild?

Es existiert eine Reihe von Vorbildern. Diese Menschen habe ich mir genau angeschaut. Wie leben sie? Wie sind sie unterwegs? Zum anderen hat Alexander Adolph sehr gründlich recherchiert, bevor er das Drehbuch schrieb. Er hat ja lange an dem Stoff gearbeitet. Wir haben im Vorfeld viele ausführliche Gespräche geführt, in denen er über seine Erfahrungen berichtete. Außerdem habe ich mir bestimmte Dokumentationen angesehen, um mir ein Bild zu machen.

Alexander Adolph hat die zweite Fassung des Drehbuchs auf Sie zugeschrieben. Er wollte Sie unbedingt für diese Rolle. Hat er Ihnen gesagt, warum?

Er begründete seine Wunschwahl mit meiner Ausstrahlung. Ich hätte etwas, was er als sehr wertvoll beschrieb: die Gabe, diese schwierige Figur sympathisch zu machen und ihr eine glaubhafte Authentizität zu verleihen. Auch beim Drehen, in der Zusammenarbeit mit uns Schauspielern, war Alexander Adolph auf absolute Glaubwürdigkeit aus. Er hat einen scharfsinnigen Blick und ein gutes Ohr, um diese Wahrhaftigkeit zu erkennen und einzufangen. Er pushte uns immer dahin, für die Überzeugungen und Positionen unserer Figuren mit Kraft einzustehen.

Der Mann bringt ohne Skrupel Gammelfleisch unters Volk. Ist es Ihnen schwer gefallen, diesen Schuft mit Sympathie auszustatten?

Nein, überhaupt nicht. Ich muss allen Figuren, die ich spiele, gerecht werden. Allein um zu zeigen, mit welchen Menschen wir es in diesem Umfeld zu tun haben. Wie raffiniert sie vorgehen und wie eindimensional. Das Faszinierende an Landmann ist, dass er immer das Richtige tut – für sich. Er würde es auch niemals so sehen, dass er Gammelfleisch aufpeppt. Nein, er verwandelt Fleisch, dessen Verfallsdatum abgelaufen ist, mit einer neuen Konservierungsmethode wieder in ein gutes, gesundes Lebensmittel. Fleisch ist für ihn ein Genussmittel wie Champagner oder dicke Zigarren, mit dem Unterschied, dass es sich jedermann leisten kann. Er sieht die Dinge ganz anders als wir.

Im Film treffen zwei einsame Herzen aufeinander. Zwischen dem Fabrikanten und der Kommissarin beginnt eine kleine Romanze.

Landmann verguckt sich in die Frau, und sie ist ihrerseits sehr berührt. Wären da nicht die Ermittlungen in einem bösen Mordfall, dann hätte aus beiden etwas werden können. Er ist auch im Privaten ein großer Verführer und kann sich gut verkaufen.

Der Fabrikant, so heißt es im Film, habe früher selber geschlachtet. Warum sehen wir ihn nie im Schlachthof bei seinen Tieren?

Was drinnen in den Schlachthöfen passiert, läuft in den Köpfen der Zuschauer ab. Alexander Adolph vermeidet in seinem Film das Übliche: den Schrecken zu zeigen, um abzuschrecken. Dampfende, enthäutete Fleischleiber, diese Bilder haben wir in vielen Dokumentationen gesehen. Warum Sie noch einmal in einem "Tatort" zeigen? Eine Reaktion der Zuschauer könnte sein: Wir wissen es ja, wir haben wahrlich genug davon gesehen! Ich finde, es ist eine elegante Lösung, einmal die ideologische und die kriminelle Seite zu zeigen. Es ist viel erschreckender, was in den Köpfen der Menschen vorgeht, die diese Industrie repräsentieren, zu sehen, wie die Politik mitspielt und was mit uns als Konsumenten geschieht.

Sind wir die Herde des guten Hirten?

Ja, so ist es gemeint. Landmann sagt, ich stamme aus diesem Land der Niedersachsen. Ich stehe zu meinen Wurzeln, produziere hier und gebe den Leuten zu essen, was in ihrer Region gezüchtet und hergestellt wird. Diese Marketingstrategie verfolgen viele Firmen. Landmann aber vermittelt persönliche Überzeugung und Verantwortungsgefühl. Das macht ihn so verführerisch und gefährlich.

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