Kamerachef Jakub Bejnarowicz im Interview

Tschiller (Til Schweiger) und Yalcin (Fahri Yardim)
Tschiller will den Alleingang und schaltet selbst seinen Freund und Kollegen Yalcin aus. | Bild: NDR / Gordon Timpen

»Ich versuche in der fotografischen Gestaltung immer Raum zu lassen für ein Geheimnis.«

Ihre Vita als Kameramann weist Sie als Grenzgänger in verschiedenen Genres aus. Was von Ihrer breitgefächerten Erfahrung fließt in die Gestaltung des Hamburger "Tatorts" ein, den sie inklusive der aktuellen Doppelfolge bereits das dritte Mal fotografieren?

Ich habe mich schon während meines Studiums einer sehr breiten Palette an Filmen und Genres gewidmet. Das ist ja das tolle an meinem Beruf. Heute dreh ich einen Actionfilm mit viel Stunt, aufwendigem Licht und komplizierter Technik, und morgen mache ich einen Dokumentarfilm mit ganz kleinem Team, vielleicht sogar ganz alleine. In meinem Verständnis schließen sich diese unterschiedlichen Arbeitsweisen nicht aus, sondern meine dokumentarischen Erfahrungen haben großen Einfluss auf meine szenische Gestaltung. Ich habe gelernt, mit kleinen Mitteln möglichst viel Effekt zu erreichen. Diese Erfahrung fließt natürlich stark in die Hamburger "Tatorte" mit ein, wo wir, wie bei jedem Fernsehfilm, mit straffen Zeitplänen kämpfen müssen.

Wie haben Sie das visuelle Konzept für die Tschiller-Filme entwickelt – alleine, mit dem Regisseur ChristianAlvart oder zu dritt mit dem Szenenbildner Thomas Freudenthal?

Das visuelle Konzept ist immer eine Zusammenarbeit zwischen Christian, Thomas und mir. Schon früh spricht man über Stimmungen, Drehorte und Rhythmus. Bei dem Hamburg-"Tatort" erzählen wir eine zusammenhängende, komplexe Geschichte über mehrere Folgen. Die Herausforderung besteht darin, einen Erzählstil zu entwickeln, der die verschiedenen Folgen zusammenschweißt. Christian, Thomas und ich haben schon bei Folge 2 intensiv zusammengearbeitet, daher wussten wir genau, was wir von einander zu erwarten haben. Und wir kannten die Welt von Nick Tschiller sehr gut. Sehr wichtig für die Umsetzung des visuellen Stils sind auch meine engsten Mitarbeiter, mein Oberbeleuchter Stefan Peters, mein Kameraassistent Gregor Grieshaber und mein KeyGrip Lukasz Wyszkowski, denen ich für den kreativen Input und die Unterstützung sehr dankbar bin.

Was muss man bei der Abbildung eines Actionhelden beachten?

Ich versuche in der fotografischen Gestaltung immer Raum zu lassen für ein Geheimnis. Ich arbeite gerne mit Dunkelheit und glaube, dass sich dadurch Assoziationsräumen für den Zuschauer öffnen. Man muss genau ausloten, wann man wie viel von unserem Helden sieht. Ob unsere Figur etwas zu verbergen hat, oder uns ihre Seele öffnet, das hat natürlich Einfluss auf die fotografische Herangehensweise. Es geht darum einen Rhythmus zu finden, zwischen heroischer Darstellung und menschlicher Fehlbarkeit, zwischen Stärke und Schwäche, zwischen eindeutig und geheimnisvoll, zwischen sichtbar und unsichtbar.

Haben Sie Vorbilder, die Ihre Bildsprache für den Actionfilm beeinflussen?

Ich kann meine Einflüsse nicht an einer bestimmten Quelle festmachen. In meiner Vorbereitung schaue ich sehr viele Filme, untersuche verschiede Stimmungen in Szenen und Sequenzen, die mir besonders gefallen. Manchmal sehe ich auch ein Foto in einem Bildband, beobachte eine besondere Lichtsituation beim Autofahren und denke, dass das für diese oder jene Szene in dem Film, den ich gerade mache, total gut passen würde.

Wie bringt man als Kameramann Hamburg am besten zur Geltung?

Man wartet, bis die Sonne scheint (lacht). Hamburg ist ganz besonders, Orte die man sonst vergeblich sucht – in Hamburg sind sie selbstverständlich. Die Stadt hat eine sehr außergewöhnliche Atmosphäre, die Thomas Freudenthal durch die Auswahl der Orte sehr gut verdichtet hat. Meine Aufgabe beim Dreh besteht darin, diese Orte mit dem richtigen Licht zu füllen.

Haben Sie die Dreharbeiten zur 4. Folge "Fegefeuer", die nahezu komplett während der Nacht stattfanden, besonders herausgefordert?

Für mich ist es immer fantastisch, in der Nacht zu arbeiten, denn die Gestaltungsmöglichkeiten mit Licht sind viel größer. Man kann den Szenen einen Stempel aufdrücken, Stimmungen erzeugen, mit Farben und Effekten arbeiten. Am Tag ist man vor allem bei Außenaufnahmen vom Hamburger Wettergott abhängig, das Licht ändert sich ständig, man hat keine Zeit, auf das perfekte Licht zu warten. Nachts können mein Team und ich ganz genau herausarbeiten, was man wie sehen soll. Das kann sehr aufwendig sein. Bei einer Szene unter der A7 haben wir 80 Lampen eingesetzt um ein sehr großes Set zu beleuchten. So können wir die Stimmung einer Szene genau kontrollieren und steuern.

Arbeiten Sie für einen Fernsehfilm anders als für einen Kinofilm?

Eigentlich nicht. Aber im Kino gehe ich gerne noch einen Schritt weiter, denn ich weiß, dass die Nuancen von Dunkelheit, Farben und Kontrast besser zu steuern sind und ich relativ sicher sein kann, dass diese Nuancen auch beim Zuschauer ankommen. Wie genau der Fernsehzuschauer sein TV-Gerät eingestellt hat, kann ich nicht kontrollieren. Aber das Fernsehen und das Kino haben sich inhaltlich wie formal sehr stark angenähert. Das spannende am TV ist, dass man viel längere Geschichten erzählen kann, viel komplexere Figuren entwickeln kann, die im Kino so nicht funktionieren können.

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