Regisseurin Sabine Derflinger im Interview

Mit der Expansion hatte der Tote allerdings keinen Erfolg, weil das Projekt einer Futtermittelfabrik, die er mit Unterstützung der EU und in Kooperation mit einem von Wien aus operierenden Agrarmulti in Bulgarien errichten lassen wollte, gescheitert war.
Mit der Expansion hatte der Tote allerdings keinen Erfolg, weil das Projekt einer Futtermittelfabrik, die er mit Unterstützung der EU und in Kooperation mit einem von Wien aus operierenden Agrarmulti in Bulgarien errichten lassen wollte, gescheitert war. | Bild: ARD Degeto/ORF / Petro Domenigg

Frau Derflinger, 2011 führten Sie als erste Frau in Österreich Regie bei einem Tatort. Für den Tatort „Angezählt“ haben Sie 2014 sogar den Grimme-Preis gewonnen. Was fasziniert Sie an dem Erzählen von Krimis?

Krimis sind „Formatfernsehen“, was heute sehr vielfältige Filme bedeuten kann. Die Bandbreite der Erzählweisen ist größer geworden. Das betrifft die äußere Erscheinungsform und auch den Inhalt. Ich kann Krimis als Actionfilm, Drama, Politthriller oder auch komödiantisch erzählen, und ich kann mir aussuchen, ob ich einen Krimi im Genre zeige und den Mythos bediene oder mich an der Tatsache orientiere, dass eine Geschichte ihren Sitz im Leben hat und realistischer arbeiten.

Der Tatort „Bauernsterben“ spielt in einem Schweinemastbetrieb, einem eher ungewöhnlichen Schauplatz. Und auch sonst kommt dieser Tatort anders und besonders daher. Was genau ist anders an diesem Film?

„Bauernsterben“ ist in seiner Erzählstruktur eine klassische Whodunit-Geschichte, aber mit einer besonderen Art von Leiche, die in einem Schweinestall gefunden wird. Als Bibi Fellner und Moritz Eisner den Fall aufklären, werden sowohl die beiden als auch wir Zuschauer:innen mit der gesellschaftspolitischen Frage, wie wir uns in Zukunft ernähren wollen, konfrontiert. Gleichzeitig werden wir Zuschauer:innen mit streng komponierten Bildern, beim Durchwandern idyllischer Landschaften und durch die Auswahl der Musik, Montage und den besonderen Humor, der den österreichischen Tatort auszeichnet, mit Leichtigkeit unterhalten.

Die Frage nach der Zukunft unserer Ernährung ist ein viel diskutiertes Thema.

Ja, ob wir Fleisch essen und wie und ob Fleisch produziert werden kann und soll, um die steigende Weltbevölkerung zu ernähren, wird inzwischen oft mit ungemeiner Härte verhandelt. In „Bauernsterben“ begegnen sich wie im echten Leben Menschen mit unterschiedlichen Realitätserfahrungen. Wir erzählen vom Überlebenskampf österreichischer Bauern ebenso wie von der Enttäuschung der Jungen darüber, dass sich die Alten nicht um deren Zukunft auf einem lebbaren Planeten „scheren“ und von den Auswirkungen eines grenzenlosen Kapitalismus, der mafiöse Strukturen ermöglicht.

Sie sind eine sehr erfolgreiche und erfahrene Regisseurin und Drehbuchautorin. Was war für Sie das Besondere an dieser Geschichte?

Der ungewöhnliche Drehort Schweinestall und eben der Konflikt zwischen den Generationen, der gerade so aktuell ist.

Haben Regisseurinnen einen anderen Blick auf Kriminalfälle als ihre männlichen Kollegen?

Aufgrund unserer Sozialisation, denke ich, dass Frauen die Machtproblematik des Patriachats immer stärker im Blickfeld haben. Mich wundert es immer wieder, dass es in Fernsehkrimis so viele weibliche Täterinnen gibt, während in der Realität ein Gros der Gewalttaten von Männern ausgeht.

Hätten Sie eine weitere Idee für einen Tatort? In welchem Milieu zum Beispiel würde er spielen und warum?

Ich wünsche mir Tatorte, die sich weiterhin mit gesellschaftspolitisch relevanten Themen auseinandersetzen. Gewalt von Männern an Frauen ist so ein Riesenthema. In Österreich gab es 2023 bereits 17 Femizide. Da mich die Entdemokratisierungstendenzen in so vielen europäischen Ländern beunruhigen, wünsche ich mir einen europäischen Tatort der im Journalismus-Millieu spielt und sich mit dem Recht auf Pressefreiheit auseinandersetzt. Darüber hinaus würde mir eine Zeitreise mit Bibi Fellner und Moritz Eisner in das Nachkriegswien der 50er-Jahre gefallen.

Wie ist die Zusammenarbeit mit den Tatort-Profis Harald Krassnitzer und Adele Neuhauser? Gibt es eine interessante Anekdote vom Set?

„Bauernsterben“ war nach „Falsch verpackt“ und „Angezählt“ unser dritter gemeinsamer Tatort. Allerdings liegen zwischen „Angezählt“, für den wir den Grimme-Preis bekommen haben, und „Bauernsterben“ 10 Jahre. Und trotzdem war es gleich wieder sehr vertraut, miteinander zu arbeiten. Wir alle waren begeistert davon, durch Tierschützer:innen und Schweinebauern in so unterschiedliche Welten eintauchen zu können und die realen Menschen, die uns bei diesem Tatort unterstützt haben, kennenzulernen. Die Begegnung mit den Schweinen bleibt ebenfalls unvergesslich. Adele Neuhauser und Harald Krassnitzer sind enthusiastisch und neugierig auf die Welt. Und sie haben denselben Sinn für Humor wie ich. Aufgrund eines Ereignisses im Film, müssen sie über eine lange Strecke im Film seltsame Kostüme, die Kostümbildnerin Isabella Derflinger und ich für sie ausgesucht haben, tragen. Es war herrlich, wie uneitel sie unsere extremen Vorschläge angenommen haben, und ich fand es herrlich ihnen dann beim lustvollen Zusammenspiel zuzuschauen.

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