Gespräch mit Wanja Mues

(spielt Felix Neukamm)

Felix (Wanja Mues) fällt es leicht, Zugang zu Alma (Hannah Schiller) zu finden
Felix fällt es leicht, Zugang zu Alma zu finden | Bild: NDR / Georges Pauly

Mit Oliver hat Felix Neukamm sich ein fabelhaftes Leben eingerichtet. Sie wohnen zusammen, lieben sich, begehren sich. Felix wusste immer schon genau, wer er war. Felix musste nicht kämpfen, konnte von Anfang an offen schwul leben. Er hat Oliver aus dessen Lebenslüge herausgeführt, ihn vor sich selbst gerettet. Felix hat eine Gelassenheit, die ihm überall hilft. In dem Sportgeschäft, für das er arbeitet, beschädigt er beim Aufbau ein Zelt, macht es kurzerhand zum Ausstellungsstück und übernachtet sogar einmal darin. Ein Pragmatiker, aber ein liebevoller. An Oliver liebt Felix den starken Ex-Sportler, der aufgehört hat, sich zu zwingen. Ihr Leben trägt den Stempel der Gemeinsamkeit. So geht Felix auch Almas Einzug an. Gemeinsam werden er und Oliver das Kind schon schaukeln. Aber erst ist das Kind bockig – das darf es auch – und dann Oliver – der sollte eigentlich erwachsener reagieren. Olivers Vorstellungen von väterlicher Solidarität beginnen Züge von Selbstverleugnung zu tragen, mal wieder. Wo Felix helfen will, zieht er Olivers Wut auf sich. Wo er deeskalieren will, scheint er Oliver nur noch mehr zu reizen. Aber Felix hat sein Leben in der Hand. Wenn eine Entscheidung notwendig ist, trifft er sie. Ein Pragmatiker eben.

Gespräch mit Wanja Mues (spielt Felix Neukamm)

Was war für Sie der Grund, eine der Hauptrollen in dem von Stefan Krohmer inszenierten Film „Eine fremde Tochter“ zu übernehmen?

Erst einmal ist es so, wenn Stefan Krohmer ruft, dann sagt man nicht nein, denn er inszeniert immer die interessantesten Stoffe. Schon als das Buch unterwegs war, wusste ich, dass es eine besondere Geschichte sein würde. Und in dem Fall war es auch toll, die Figur zusammen mit diesen großartigen Schauspieler*innen spielen zu dürfen. Hannah Schiller halte ich für eine der größten Entdeckungen und Talente der letzten Jahre. Sie hat nicht umsonst den Preis als beste Nachwuchsschauspielerin gewonnen, und Mark Waschke habe ich schon oft auf der Bühne und in Filmen bewundert und war sehr froh, endlich mal mit ihm zusammen drehen zu können.

In dem Konflikt mit seinem Partner scheint Felix der Souveränere zu sein. Was treibt ihn an?

Ich fand es interessant, einen Mann zu spielen, der um seine Beziehung kämpft und dabei immer versucht, fair zu bleiben. Eigentlich ist Felix die stabilste Figur in dieser Dreier-Konstellation. Er ist der Pfeiler des Ganzen. Felix trägt eine große Liebe zu seinem Partner in sich, die sich in seiner Großzügigkeit im Umgang mit Olivers Tochter zeigt. Denn Alma versucht mit allen Mitteln, die Beziehung zwischen den beiden zu sprengen. Trotzdem gibt Felix seinem Partner viel Raum, um zu seiner Tochter zu finden. Ohne sich zu verbiegen, versucht er seine Hände in alle Richtungen auszustrecken, sei es zu der wütenden Tochter, ihrem homophoben Freund und auch zu Oliver, der ihm gegenüber zunehmend ungerecht und aufbrausend agiert.

Trotzdem scheint es schwierig zu sein, die Beziehung zu retten.

Mir gefällt, dass „Eine fremde Tochter“ eine universelle Geschichte erzählt. Es ist nicht ungewöhnlich, dass es zu Verlustängsten und Streitereien führt, wenn in eine Paarbeziehung plötzlich das Kind eines Partners als neues Familienmitglied dazukommt – egal ob das eine hetero- oder homosexuelle Beziehung ist. Da werden auch verdrängte Konflikte offengelegt. Alles steht auf dem Prüfstein. Oliver hat das Ende seiner Karriere als Leistungssportler noch nicht wirklich überwunden. Er war ja sofort anfällig, sich wieder kaputt zu machen, um seiner Tochter zu gefallen, um für seine sportliche Leistung Anerkennung von ihr zu bekommen. Felix erkennt irgendwann, dass sein Partner erstmal hinknallen oder gegen die Wand laufen muss, bevor er eine stabile, erwachsene Beziehung mit ihm führen kann. Er lässt sich viel gefallen, bis er dann eine starke Entscheidung trifft. Diese Dynamik hat der Drehbuchautor Daniel Nocke sehr klug eingefangen.

Warum bringt Felix so viel Verständnis für die Tochter und deren Freund auf, obwohl beide ihn als Mensch aufgrund seiner Homosexualität abwerten?

Felix glaubt eben, dass beide noch jung genug sind, um Toleranz und Offenheit lernen zu können, deshalb signalisiert er seine Bereitschaft, mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Dialog unter Andersdenkenden ist wichtig, aber wenn die Toleranz nur einseitig ist, bringt es am Ende nichts. Durch den Verlust der Mutter sucht Alma Halt im Glauben und gerät an die falschen Leute. Denn die Zeugen Jehovas sind bekannt für ihre Engstirnigkeit. Sie leben eine Form des Glaubens, die andere nicht sein lässt, wie sie sind. Solche unversöhnlichen Überzeugungen sind oft auch der Grund für Glaubenskriege. Der Film erzählt sehr schön, wie Menschen mit anderen Lebensentwürfen abgewertet werden. Diese Vorurteile gibt es gegenüber Homosexuellen, aber auch gegenüber Migrant*innen und allen Menschen, die von der Norm abweichen. Wir Deutschen sind lange nicht so tolerant und weltoffen, wie wir denken.

Wie haben Sie sich auf die Rolle vorbereitet?

Ich habe mich mit homosexuellen Freundespaaren zusammengesetzt, denn ich kann mir zwar alles vorstellen, wollte aber erfahren, wie sie die Rolle angehen würden. Das hat mir geholfen, denn ich wollte auf keinen Fall ein stereotypes Klischee abliefern. In der Homosexualität gibt es alle Spielarten und Farben, die es in jeder anderen Sexualität auch gibt. Man macht das, was gefällt und kann sich für irgendwas entscheiden, und wir haben uns entschieden, keine in irgendeiner Form übertriebene schwule Beziehung zu erzählen.

Ist es nicht längst überfällig, häufiger solche diversen Geschichten zu realisieren?

Es hängt von dem Mut der Redakteur*innen ab, diese Geschichten zu erzählen. Die Redaktionen müssen sicher auch diverser besetzt werden, damit die Lebensrealitäten aus verschiedenen Gruppen lebensnah und echt erzählt werden. Die Streaming-Dienste machen es vor, und zum Glück verpasst das öffentlich-rechtliche Fernsehen diesen Zug nicht und ändert durch diversere Geschichten hoffentlich auch die Sehgewohnheiten des Publikums. Ich finde es schon mal gut, dass Mark und ich dieses homosexuelle Paar verkörpern, denn wir spielen beide bei zwei verschiedenen Sendern im Hauptprogramm Ermittler, Mark im „Tatort“ und ich in „Ein Fall für zwei“. Da können wir unsere Zuschauer*innen, die uns seit Jahren kennen, ganz selbstverständlich mit auf die Reise nehmen.

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