Riccardo Campione | Antonia Djulic

Flashback: Ivan (Joachim Nimtz, unten li.) ist geschockt, Anton (Riccardo Campione) im roten Kleid zu sehen.
Flashback: Ivan ist geschockt, Anton im roten Kleid zu sehen. | Bild: ARD Degeto / Constantin TV

Was war für Sie die besondere Herausforderung, die Rolle der Antonia zu spielen?

Es ist wichtig zu verstehen, dass es sich bei der Rolle Antonia nicht um einen Menschen handelt, der eine Identitätskrise durchmacht. Es geht nicht darum, dass Antonia sich nicht sicher ist, welches Geschlecht sie ist oder mit welcher Sexualität sie sich identifiziert. Antonia ist sich sicher: Sie ist eine Frau. Ihr Umfeld, welches konservative Werte vertritt, begreift das aber nicht und versucht mit allen Mitteln, „Antonia“ zu „Anton“ zu machen. Es ist natürlich etwas Besonderes fu r mich als cis Mann, eine trans Frau zu spielen. Allerdings geht es in dem Film nicht um eine Identitätskrise, sondern um eine Person, die von den Menschen, die sie liebt, im Stich gelassen wird.

Welche Szene hat Sie besonders berührt?

Besonders berührend fand ich die Szene, als Antonia sich ihrem Bruder das erste Mal als Antonia und nicht als Anton zeigt. Eine derartige Ablehnung von dem eigenen Bruder zu erfahren ist, schwer zu verkraften.

Was geht in einem Menschen vor, der von allen, die er liebt, im Stich gelassen wird?

Als heterosexueller weißer cis Mann kann ich die alltägliche, systematische und strukturelle Ausgrenzung und Diskriminierung, die beispielsweise von Menschen der LGBTQIA+ Community erfahren, nicht wirklich nachvollziehen. Mein Job als Schauspieler ist es, mich den Emotionen der Menschen in diesen Situationen so gut ich kann zu nähern. Ich denke fast, jeder Mensch wurde schon einmal im Stich gelassen. Man fühlt sich hilflos, klein, leer und verloren. Besonders in unsicheren und schwierigen Phasen des Lebens kann das im Stich gelassen werden unglaubliche und unvorstellbare Folgen für einen Menschen haben.

Im Februar 2021 haben sich 185 Schauspieler*- innen im Magazin der Süddeutschen Zeitung geoutet und ein Manifest veröffentlicht, das sich für mehr Akzeptanz und Anerkennung von lesbischen, schwulen und bisexuellen sowie transgender, queeren, intergeschlechtlichen und nichtbinären Personen sowohl in der Gesellschaft wie auch innerhalb der deutschsprachigen Film-, Fernseh- und Theaterbranche einsetzt. Wie fanden Sie diesen Schritt?

Ich finde es richtig! Ein Zeichen zu setzen ist wichtig. Schauspier*innen und andere Menschen des öffentlichen Lebens haben die Möglichkeit, eine Funktion als Vorbild einzunehmen. Bezogen auf die Geschichte von Antonia könnten diese öffentlichen Personen in einer Form Sicherheit spenden. Unter Umständen hätte sich Antonia nicht so im Stich gelassen gefühlt, wenn sie sich durch eine Person, die sie bewundert auch vertreten gefühlt hätte. Was die Film-, Fernseh- und Theaterbranche betrifft, ist es meiner Meinung nach auch wichtig zu verstehen, dass ich als Schauspieler natürlich Rollen spiele. Ich will, dass Regisseur*innen, Produzent- *innen, Caster*innen und Redakteur*innen sich gar nicht darum kümmern, mit welchem Geschlecht oder mit welcher Sexualität ich mich identifiziere. Ich wünsche mir eine Welt, in der diese Faktoren in der Gesellschaft keine Rolle spielen. Sei wer du bist. Liebe, wen du liebst.

Antisemitismus ist ein ebenso brisantes Thema der heutigen Zeit. Im preisgekrönten Kurzfilm „Kippa“ spielen Sie einen jungen Mann, der von heute auf morgen aufgrund seines jüdischen Glaubens vom Freund zum Fremden wird. Was kann Ihrer Meinung nach jeder von uns tun, um Ausgrenzung und Fremdenfeindlichkeit entgegenzutreten?

Ausgrenzung, Diskriminierung und Fremdenfeindlichkeit sind menschenunwürdig. Ich glaube, diese Grundmoral ist Common Sense in einer aufgeklärten Gesellschaft, wie der unseren. Ich kann kaum glauben, dass ich in eine Welt geboren wurde, wo Menschen sich gegenseitig noch so schlecht behandeln. Das Problem liegt, denke ich, sehr tief verankert und ist in den meisten Fällen unbewusst internalisiert. Was meiner Meinung nach jeder von uns tun kann, ist eine offene Konfrontation einzugehen. Friedlich und freundlich. Mit Worten. Menschen darauf anzusprechen, dass sie diskriminierende Aussagen treffen, ist von enormer Wichtigkeit, und Kritik anzunehmen, umso mehr. Wenn man auf ein diskriminierendes Verhalten hingewiesen wird, sollte man sich in erster Linie dafür bedanken, denn man lernt nie aus. Trotzdem ist es nicht die Aufgabe der anderen, einen zu bilden und darüber zu belehren, was rassistisch, sexistisch, antisemitisch oder homophob ist. Es liegt in der eigenen Verantwortung. Menschen, die von sich behaupten, sie würden demokratische Grundwerte vertreten, sollten sich auch die Zeit nehmen, sich zu informieren, was diese bedeuten.

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