Druckfrisch-Musiker des Monats:

1955 wurde Schneider im nordrhein-westfälischen Mülheim geboren. In seiner jahrzehntelangen Karriere hat er auch mehrere Bücher veröffentlicht. | Bild: dpa / Sebastian Kahnert

Musiker des Monats Oktober 2023 wird Helge Schneider. Mehr ist dazu eigentlich nicht zu sagen, außer das er sich mit Hélène Grimaux aus der letzten Folge ein Kopf an Kopf-Rennen um die ausdrucksvollste Interpretation eines Piano-Stückes liefert. Wir lassen das Rennen unentschieden ausgehen. Helges Interpretation der Eigenkomposition "Flamenco Opus 7" reiht sich jedenfalls in die Reihe großer klassischer Virtuosenauftritte bei "druckfrisch" ein.

Begonnen hatte die Sendung mit einem hausgemachten Remix der Komposition "Shisheido" des Wiener Instrumental-Ambient-Cut-Up-Gitarreros Fennesz, das mit originalem Vogelgezwitscher und Flugzeuggeräuschen untermalt noch etwas verwegener klingt als im Original: Selten begann eine "druckfrisch"-Sendung derart atonal.

Ein musikalischer Höhepunkt ist dann die Coverversion des Madonna-Skandal-Gassenhauers "Like A Prayer" des immer zu außergewöhnlichen Klängen bereite Duos King Hannah aus Liverpool. Sie machen aus dem eigentlich nicht besonders geschmackssicheren Mega-Hit eine hypnotische Beschwörung, deren Trick es ist, nicht nur auf jegliches Tempo, sondern auch auf die meisten Instrumente (außer Hannah Merricks düsterem Gesang)zu  verzichten. Jetzt schon ein "druckfrisch"-Cover-Klassiker.

Wenn uns nach solchen musikalischen Gratwanderungen die Puste ausgeht, greifen wir gerne verzweifelt zur bewährten Schnulze: diesmal zu Nancy Sinatras betont flachem Cover des Feel-Good-Knallers "It's Such A Pretty World Today", der heute nicht weniger verlogen klingt ist als im Jahr seines Erscheinens 1967 als er mitten im Vietnam-Krieg vom Country-Sänger Wynn Steward zuerst aufgenommen wurde.

Zu "The National", die den amerikanischen Groß-Dichter Louis Begley musikalisch zum 90. Geburtstag aufspielen dürfen ist derzeit noch weniger zu sagen als zu Helge Schneider. Sie füllen mit den wohligen Bariton ihres Sängers Matt Berninger die Hallen … und bei uns die Lücke zwischen zwei optisch allzu gleichen Beiträgen. Dass für sie mit dem Label "Sad Dad Rock" ein eigenes Genre erfunden wurde, das nicht gerade nach Kompliment klingt stört die traurigen Väter nicht: leider wunderbare Musik.

Und zum Abschluss muss wieder einmal Freund Console (heute Acid Pauli, früher Martin Gretschmann) ran, wenn es gilt, dem Nobelpreisträger die Ehre zu erweisen. Sein Track "Hibernating" (Überwintern, und das im Früh-Herbst) unterlegt kongenial eine kurze eigensprachliche Lesung des frisch gekürten norwegischen Nobelpreisträger Jon Fosse aus dessen Buch "A New Name, Septology VI-VII". Das war norwegisch, würde die Maus nach der Lesung sagen.

Andy Ammer

Stand: 08.10.2023 18:42 Uhr